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Tegel vor Gericht? Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja will in Sachen Tegel vor den Verfassungsgerichtshof des Landes ziehen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Brandenburg: Gerichtsakte TXL

Berliner FDP will klagen, wenn der Volksentscheid nicht umgesetzt wird und beruft sich auf Gutachten

Berlin/Potsdam - In Brandenburg werden Unterschriften gesammelt, in Berlin wird die letzte Runde im Streit um den erfolgreichen Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel hingegen wohl vor Gericht ausgetragen. Der Berliner FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja kündigte an, vor den Verfassungsgerichtshof des Landes ziehen zu wollen, falls nach dem Senat auch die Majorität von Rot-Rot-Grün im Abgeordnetenhaus den Willen der Mehrheit der Berliner ignoriere und beschließen sollte, den Flughafen wie seit Jahren geplant zu schließen. Czaja stützt sich dabei auf ein weiteres Gutachten, das dieses Mal die von der FDP eingesetzte Expertenkommission zuvor vorgestellt hatte. Es sei der „letzte Weckruf“ für den Senat und das Parlament, sagte der Tegel-Befürworter.

Der Verwaltungsrechtsexperte Jan Ziekow von der Universität Speyer, die als führende Universität für das Studium der Verwaltungswissenschaften in Deutschland gilt, kommt zu dem Schluss, dass der Volksentscheid für den Senat verbindlich ist. Dieser müsse aktiv versuchen, alles zu unternehmen, damit Flugzeuge in Tegel weiter landen können. „Der „Verwirklichungswille“ müsse deutlich erkennbar sein. Es reiche nicht, nur „ergebnisoffen“ zu prüfen, ob ein Weiterbetrieb von Tegel möglich wäre.

Der Senat hatte von Anfang an klar gemacht, dass das Votum des Volksentscheids nicht bindend sei, weil nicht über ein Gesetz abgestimmt werde. Die Infrastrukturplanung für einen Volksentscheid in ein Gesetz zu packen, sei aber rechtlich nicht möglich, sagte Ziekow. Nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte könnten konkrete luftverkehrsrechtliche Entscheidungen, insbesondere in Hinsicht auf ein eventuelles Planfeststellungsverfahren, nur von der Exekutive, nicht aber durch einen Volksentscheid getroffen werden. Die Abstimmung sei aber trotzdem keine „Volksbefragung“ gewesen, sondern ein Entscheid mit einer Entscheidung. Ein Entscheid, der nichts entscheide, sei nämlich ein Widerspruch in sich, sagte Ziekow.

Der Senat könne sich derzeit nicht darauf berufen, dass ein Weiterbetrieb von Tegel von vornherein unmöglich sei. Vielmehr sei die Landesregierung verpflichtet, eventuelle Schwierigkeiten zu beseitigen, was nach Ansicht von Ziekow auch möglich ist. So könne Berlin von Brandenburg verlangen, die Landesplanung, die festgelegt hat, nur einen Flughafen in Schönefeld zu betreiben, zu ändern, weil sich die Geschäftsgrundlage geändert habe. Die Fluggastzahlen stiegen weit mehr als ursprünglich prognostiziert worden war, und auch der Volksentscheid habe die Geschäftsgrundlage wesentlich verändert. Berlin könne einen Weiterbetrieb von Tegel auch in den Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg einbringen, der derzeit erstellt wird. Eine Teilkündigung des Vertrages sei ebenfalls möglich. Der Senat hatte Ende März mitgeteilt, er habe sich mit dem Ergebnis des Volksentscheids intensiv auseinandergesetzt. Es sei eine „umfangreiche Folgenabschätzung eines möglichen Weiterbetriebs“ erarbeitet worden. Die rechtlichen, finanziellen und stadtentwicklungspolitischen Konsequenzen „sowie die Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr und Gesundheit“ sprächen gegen den Weiterbetrieb.

Auch der vom Senat beauftragte Gutachter Stefan Paetow, der früher Richter am Bundesverwaltungsgericht war, war zu dem Schluss gekommen, dass ein Offenhalten von Tegel nur möglich sei, wenn am BER die Kapazität nicht reiche.

Während Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup überzeugt ist, den BER bedarfsgerecht ausbauen zu können und dabei weiter mit zwei Bahnen auszukommen, forderte der frühere Flughafenchef Hans-Henning Romberg erneut den Weiterbetrieb von Tegel, weil eine dritte Startbahn benötigt werde, die am BER kaum zu bauen sei. Ansonsten werde die Abfertigungsqualität nach der BER-Eröffnung ganz schnell abnehmen.

Umfragen, bei denen – wie Schönefeld-Alt – auch Tegel zu den schlechtesten Flughäfen der Welt gehören, seien nicht mehr aktuell, sagte Romberg weiter. Die schlechten Werte seien vornehmlich auf die unattraktiven Umsteigebedingungen bei Air Berlin im Terminal C zurückzuführen. Passagiere hätten wegen der baulichen Situation auf die Landseite und dann wieder auf die Luftseite wechseln müssen, während sie bei funktionieren Anlagen unkontrolliert auf der Luftseite bleiben könnten. Mit dem Ende von Air Berlin hätten sich diese Probleme erledigt, sagte Romberg, der Mitglied der Expertenkommission ist. Seine Kollegin Margarete Haase, die im Aufsichtsrat des Frankfurter Flughafens sitzt, hält Tegel für den effizientesten Flughafen der Welt. Und für Sebastian Czaja ist Tegel „Teil dieser Stadt“.

In der Mark hat der Verein „Brandenburg braucht Tegel“ im März eine Unterschriftensammlung für den Flughafen gestartet. Das Ziel der von der FDP und den Freien Wählern unterstützten Volksinitiative ist wie in Berlin ein Volksentscheid darüber, ob der Flughafen auch nach Inbetriebnahme des BER weiter geöffnet bleiben soll.

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