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Ohne Spielgefährten. Kinderbetreuung zu finden, ist oft schwer.

© J. Stratenschulte/dpa

Brandenburg: Gericht weist Anspruch auf Kitaplatz zurück

Berliner Familie soll laut Urteil Geld für private Hilfe bekommen. Beschwerdefälle auch in Potsdam

Berlin/Potsdam - „Wir sind fassungslos über die Entscheidung des Gerichts“, sagt Louisa S.. Die Kreuzbergerin hatte nicht damit gerechnet, dass das Berliner Verwaltungsgericht trotz des bundesweit gültigen Rechtsanspruchs ihren Eilantrag auf einen Kindergartenplatz zurückweisen würde. Genau dies aber ist am Mittwoch geschehen. Als Ersatz wird ihr und ihrem Partner angeboten, dass sie die Kosten für eine selbstorganisierte private Betreuung nachträglich einfordern können. Das allerdings bringt ihnen nichts, weil sie keine Betreuung finden. Nun bangt die Frau um ihren Arbeitsplatz.

Sie wollte nach ihrer Elternzeit wieder arbeiten und hatte zum 1. Februar einen attraktiven Posten bekommen. Auch ihr Partner ist berufstätig. Als die beiden nach monatelanger Suche keinen Kitaplatz für ihren einjährigen Sohn fanden, zogen die Großeltern vorübergehend aus Hamburg nach Berlin. Ende März entfällt diese Möglichkeit aber. Damit stehen die Eltern ab 1. April ohne Alternative da. Denn auch auf Anzeigen hat sich bislang niemand gemeldet, der ihren Sohn hätte betreuen wollen. Daher zog S. vor Gericht. Inzwischen sind weitere Verfahren anhängig, aber S.’ Fall ist der erste, der zur Entscheidung kam.

Die Richter wiesen zwar deutlich auf den gesetzlich zugesicherten Anspruch auf einen Betreuungsplatz hin. Der zuständige Träger der Jugendhilfe, hier das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, müsse sicherstellen, dass es für jedes Kind einen Betreuungsplatz gebe. Allerdings, so stellten die Richter fest, könne das Bezirksamt diesen Anspruch wegen fehlender Kapazitäten derzeit nicht erfüllen. Es habe zwar „im Rahmen seiner unbedingten Garantie- und Gewährleistungshaftung“ die Pflicht, „neue Dienste sowie Einrichtungen zu schaffen und damit das unzureichende Angebot zu erweitern“. Das sei aber nicht so kurzfristig umzusetzen, dass das Kind der klagenden Eltern davon noch profitieren könnte.

Einen Rechtsanspruch auf Schaffung neuer Plätze gebe es nicht, der Anspruch auf eine Betreuung laufe ins Leere, denn der Grund für die aktuelle Lage sei „der nicht kurzfristig zu beseitigende Fachkräftemangel“. Die Eltern können gegen das Urteil Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband erwartet, dass bis zum Sommer in Berlin rund 3000 Kitaplätze fehlen werden. Die Bezirksbürgermeisterin des beklagten Bezirks, Monika Herrmann (Grüne), sagte am Mittwoch, die Situation werde sich in der nächsten Zeit noch deutlich verschärfen. Der Bezirk sei zwar dazu verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Angebot zu planen, allein verantwortlich für Kitaplätze sei er aber nicht, hier handle es sich um eine „differenzierte Zuständigkeit“. Der „größte Knackpunkt“ sei der Fachkräftemangel, betonte Herrmann. Viele Träger könnten nicht alle ausgebauten und vorhandenen Plätze zur Verfügung stellen, weil einfach kein Personal da sei. Der Bezirk habe da keine Einflussmöglichkeiten: „Die Gehälter sind einfach zu gering“, so Herrmann – sowohl im Vergleich zu den Lehrern als auch im Vergleich zu den Erziehern in anderen Bundesländern.

Auch in Potsdam gibt es ähnlich gelagerte Fälle. Dort hatten fünf Eltern Verdienstausfall gegenüber der Landeshauptstadt geltend gemacht, weil sie nach der Elternzeit keinen Kitaplatz bekommen haben und nicht arbeiten gehen konnten. Die kommunale Schadenausgleichsverwaltungsgesellschaft (KSA) – eine Art Versicherung für Kommunen – prüft die Fälle. „Bislang sind noch keine Entschädigungen gezahlt worden“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow am Mittwoch auf PNN-Anfrage. Wenn die Eltern über diesen Weg kein Geld bekommen, steht ihnen der Klageweg offen. 

L. Lenz, S. Vieth-Entus, M. Kaufmann

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