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Gefahr für den Spreewald: Die braune Flut

Durch den Braunkohlebergbau gelangt immer mehr Eisenhydroxid in die Spree, wodurch sich das Wasser färbt. Außerdem wird Sulfat hereingespült. In Berlin ist das Trinkwasser bedroht, im Spreewald fürchtet man um Flora und Fauna.

Von Sandra Dassler

Spremberg/Berlin - Der heftige Regen hat das Problem offenbar nur verstärkt, aber nicht hervorgerufen: „Ich kenne es schon fast nicht mehr anders“, sagt Uwe Promnitz und zeigt ein soeben in die Spree getauchtes Marmeladenglas. Das Wasser ist braun, fast rötlich, wenig vertrauenerweckend – genau wie die Farbe des Flusses im südbrandenburgischen Spremberg. Promnitz ist Platzwart der Kanuten und oft hier am Bootshaus. „In Spremberg haben wir uns schon fast an die braune Brühe gewöhnt“, sagt er. Für die Kanuten ist es ja auch egal, wie das Wasser aussieht, aber im etwa 30 Kilometer nördlich beginnenden Spreewald, der vom Tourismus lebt, wächst die Sorge. Und auch in Berlin hat man wegen der Trinkwasserversorgung ein wachsames Auge auf die Spree.

„Die durch Eisenhydroxid hervorgerufene braune Färbung ist für uns nicht das Problem“, sagt Birgit Fritz-Taute, Referatsleiterin für Wasserwirtschaft bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Das kommt nicht bis Berlin – das Sulfat aber schon.“ Der gefürchtete hohe Sulfatgehalt ist tatsächlich neben der Braun- oder Rotfärbung eine Folge des fast hundertjährigen Wirkens bergbaubedingter Entwässerungsanlagen im Lausitzer Braunkohlerevier: In den tertiären Bodenschichten lagern die Mineralien Markasit und Pyrit, das sogenannte Katzengold. Durch den Abbau der Braunkohle, für den das Grundwasser abgesenkt wird, kommen die Mineralien mit Luftsauerstoff und Wasser in Kontakt. Dadurch entstehen Eisenhydroxid und Sulfat.

Dort, wo Tagebaugruben stillgelegt wurden, steigt das Grundwasser wieder an und verfrachtet Säure, Eisen und Sulfat in die Oberflächengewässer. Aber auch aus den noch aktiven Tagebauen von Vattenfall gelangen diese Stoffe über sogenannte Sickerwassereinträge in Flüsse. Betroffen sind unter anderem die Spree, die Kleine Spree und die Schwarze Elster. Experten schätzen, dass die Belastungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen werden.

Deshalb gibt es bereits seit 2000 eine Arbeitsgruppe, in der die Länder Sachsen, Brandenburg und Berlin, die Wasserbetriebe, aber auch die Bergbausanierungsgesellschaft LMBV und der die Tagebaue betreibende Energiekonzern Vattenfall über Lösungen nachdenken. „Die technischen Möglichkeiten, um das Sulfat aus dem Wasser zu bekommen, sind allerdings stark eingeschränkt“, sagt Birgit Fritz-Taute: „Deshalb wird der Sulfatwert in und auch weit vor Berlin regelmäßig kontrolliert. Sollte er den zulässigen Grenzwert von 240 Milligramm pro Liter übersteigen, müssten die an der Spree gelegenen Wasserwerke wie Friedrichshagen sofort den Betrieb einstellen.“ Noch sei das zum Glück nicht geschehen, sagt die Hydrogeologin, aber es sei ja auch kein Ende der Verunreinigung abzusehen: „Am meisten Sorgen machen mir die aktiven Tagebaue, die mit Sulfat belastete sogenannte Sümpfungswässer ableiten. Und es sollen ja weitere dazukommen.“

Sulfat im Trinkwasser ist nicht verträglich, es erzeugt Durchfall und Erbrechen. Dagegen ist das Eisenhydroxyd zumindest für Menschen ungefährlich. „Gefahr für die Gesundheit beim Paddeln oder Baden besteht da nicht“, sagt der Leiter des brandenburgischen Landesumweltamts, Matthias Freude. Anders sieht es mit der Tierwelt aus: „Das Eisenhydroxid färbt das Wasser braun wie Rost, der flüssig wird, und kann in großen Mengen die Kiemen der Fische verkleben oder Kleinstlebewesen, die Partikel aus dem Wasser filtern, töten – was wiederum die Nahrungsgrundlage für Fische gefährdet.“

Matthias Freude hält das allerdings nicht für dramatisch. Das ökologische Gleichgewicht habe sich bisher immer wiederhergestellt, sagt er. Umweltschützer sehen das anders. So stellt die Arbeitsgruppe „Braune Spree“ des Nabu seit Jahren einen Artenrückgang in und an der Spree zwischen Neustadt und der Talsperre Spremberg fest und fordert eine kontinuierliche Artenerfassung, ein entsprechendes Monitoring.

Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Grüne hat die Landesregierung Brandenburg geantwortet, für den größten Teil der Sulfatbelastung in der Spree scheine der aktive Tagebau Nochten verantwortlich zu sein, während das Eisen größtenteils aus dem Wiederanstieg des Grundwassers im Bereich der stillgelegten Tagebaue stamme und über diffuse Quellen in die Kleine Spree und Spree gelange.

„Beide Stoffe sind in höheren Konzentrationen schädlich“, gibt die Landesregierung zu, muss aber hinsichtlich von Prognosen oder gar Strategien passen: „Aufgrund mangelnder Vorhersehbarkeit einiger Entwicklungen ... kann derzeit weder der Anteil des Grundwasseranstieges am Eisenaustrag genau beziffert werden noch eine zeitliche Prognose zur Entwicklung des Grundwasseranstieges am Eisenaustrag genau beziffert werden.“ Die Situation wurde unterschätzt, kritisieren Umweltschützer. Immerhin sei das Problem der Pyrit-Spaltung seit 1937 bekannt, und da es keine Möglichkeit gibt, sie zu verhindern, sei die Schließung der Tagebaue, zumindest aber der Verzicht auf neue, die beste Alternative.

Selbst dann würde noch jahrzehntelang Eisenhydroxid und Sulfat in die Spree gelangen, deshalb bemühen sich derzeit die Tourismus- und Umweltverbände gemeinsam mit Politikern, LMBV und Vattenfall um weitere Schutzmaßnahmen. Noch setzt sich der Großteil des für die Braunfärbung verantwortlichen Eisenhydroxids der Spree an der Talsperre Spremberg ab, aber über andere Wege gelangt dennoch immer mehr davon in den Spreewald.

Auch wenn das Paddeln auf fast rotem Wasser ein schönes Fotomotiv sein kann und Gäste kurzfristig sogar anlocken könnte, verschwänden nach den Kleinstlebewesen, Muscheln, Krebstieren und Fischen schließlich auch die Reiher, Adler, Eisvögel, Störche und Fischotter. Nach Ansicht von Experten drohe damit nicht nur das Ende des Tourismus, sondern der Kollaps einer einzigartigen Flora und Fauna.

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