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Brandenburg: Geduldete Gefährder in Brandenburg

Ihnen wird jederzeit eine Terrorattacke zugetraut – abgeschoben werden können sie nicht. Für die Überwachung fehlt das Personal

Potsdam - In Brandenburg kann eine Reihe von gewaltbereiten, extremistischen Islamisten, die von den Sicherheitsbehörden als sogenannte Gefährder eingestuft werden, trotz abgelehntem Asylantrag nicht abgeschoben werden. Ihr weiterer Aufenthalt in der Bundesrepublik muss aus verschiedenen Gründen geduldet werden. Das bestätigte das Innenministerium in Potsdam am gestrigen Freitag. Als Gefährder werden Menschen eingestuft, denen die Polizei und Geheimdienste Terrorakte zutrauen. Zwar sagte ein Ministeriumssprecher, die Gefährder müssten von den Sicherheitsbehörden überwacht werden. Doch tatsächlich stellt der Aufwand dafür Polizei und Verfassungsschutz von unlösbare Aufgaben. Eine Beobachtung rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche ist nach PNN-Recherchen nicht möglich – weil es an Personal und Ressourcen fehlt.

Nach PNN-Informationen werden aktuell insgesamt rund hundert Islamisten als gewaltbereit eingestuft. Davon wird nach offiziellen Angaben eine Zahl „im unteren zweistelligen Bereich“ – noch nicht 20 – als Gefährder eingestuft. „Darunter auch einige, die wir aus unterschiedlichen Gründen trotz abgelehntem Asylantrag nicht abschieben können“, sagte der Ministeriumssprecher. Die Gründe, wegen derer die Abschiebung nicht möglich ist, sind vielfältig. Ihnen fehlen Papiere, sie sind krank, teils haben sie gegenüber den Behörden verschiedene Identitäten vorgewiesen oder ihre Heimatländer lehnen eine Aufnahme der Flüchtlinge ab. Der überwiegende Teil der Islamisten und Gefährder stamme aus dem Kaukasus, zumeist sind es Tschetschenen, die dem sogenannten Kaukasus-Emirat angehören, dass sich der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) unterstellt hat. Ein Teil kam auch schon bevor die Zahl der Flüchtlinge im Jahr 2015/16 stark anstieg.

Auch der mutmaßliche Attentäter Anis Amri, der am Montag mit einem Sattelschlepper auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gerast war, galt als Gefährder. Bei dem Anschlag wurden mindestens zwölf Menschen getötet. Der Tunesier konnte zuvor wegen fehlender Papiere nicht in seine Heimat abgeschoben werden und war untergetaucht. Der 24-Jährige wurde am Freitag in Mailand von Polizisten erschossen. Durch sein Attentat in Berlin, bei dem auch zwei Brandenburger getötet wurden, stehen auch die hiesigen Sicherheitsbehörden unter Druck, die Beobachtung der Gefährder zu verstärken. Allerdings wird im Potsdamer Innenministerium zunächst abgewartet, welche Konsequenzen die Bundesebene aus Fehlern verschiedener Behörden bei Anis Amri zieht. Zumal Brandenburg das Agieren der Bundesebene ohnehin kritisch sieht. Erst im Sommer hatte das Land Druck gemacht, weil ein Jahr nach dem Beginn der Flüchtlingskrise immer noch nicht alle Neuankömmlinge identifiziert seien. Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg hatte sogar das Bundesamt für Migration (BAMF) auf Herausgabe von Datensätzen verklagt. Inzwischen sei die Bundesbehörde auf einem gutem Weg, die Identifizierung aber „noch nicht vollständig“, wie es in Potsdam hieß.

Parallel hatte Brandenburgs Polizei die Anti-Terror-Einheit beim Landeskriminalamt (LKA) aufgestockt und besser ausgerüstet. Zudem sind die Sonderheiten SEK und MEK mit besseren Waffen, Schutzwesten und Helmen auf Militärniveau versorgt worden. Auch die Bereitschaftspolizei und die Inspektionen haben für den Ernstfall bessere Waffen und Schützausrüstung erhalten. Damit will Brandenburg für den Ernstfall gewappnet sein. Doch bei der Überwachung, um den Ernstfall zu verhindern, hapert es: Der Chef der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium, Carlo Weber, hatte jüngst öffentliche beklagt, dass der Verfassungsschutz wegen Personalmangel und wachsender Bedrohungen nur bedingt einsatzbereit sei. Im Klartext: Der Verfasssungsschutz hat die Lage nicht mehr Griff. (mit dpa)

nbsp;Alexander Fröhlich

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