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Marco Hintze, Präsident des Bauernbundes Brandenburg.

© promo

Gastbeitrag zur Massentierhaltung in Brandenburg: Tierschutz dem Wolf zum Fraß vorgeworfen

Nabu, BUND und Grüne Liga pfeifen selbst auf artgerechte Nutztierhaltung. Ihre Argumentation ist hochgradig verlogen und geprägt von einer unglaublichen Verachtung gegenüber Brandenburger Bauern. Ein Gastbeitrag von Marco Hintze, Präsident des Bauernbundes Brandenburg.

Vor einem Jahr feierte die Volksinitiative gegen Massentierhaltung ihren großen Erfolg. Mehr als 100.000 von den Naturschutz- und Ökoverbänden sowie Bürgerinitiativen gesammelte Unterschriften zwangen die Regierungsfraktionen an den Verhandlungstisch und zu einem Kompromiss. 

Als Interessenvertretung der bäuerlichen Familienbetriebe in Brandenburg hatten wir damals abgelehnt, uns in die Produktion reinreden zu lassen. Stattdessen hatten wir vorgeschlagen, den Bau großer Mastanlagen rechtlich zu erschweren, indem die Gemeinden ein Mitspracherecht bekommen. Davon war im Kompromiss leider keine Rede mehr, dafür umso mehr vom Tierschutz: Ein Tierschutzplan soll uns künftig vorschreiben, wie wir mit unseren Nutztieren umzugehen haben, ein Tierschutzbeauftragter soll uns kontrollieren. Jetzt endlich müssten sich die Bauern mit den „Forderungen der Zivilgesellschaft“ auseinandersetzen, jubelten die Sprecher der Volksinitiative, Axel Kruschat vom BUND und Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau.

Wir nehmen die Arbeitsgruppen ernst

Das machen wir inzwischen auch brav, indem wir in den Arbeitsgruppen des Tierschutzplans sitzen und uns die Köpfe darüber zerbrechen, wie wir die konventionellen Haltungssysteme verbessern können, ohne die Wirtschaftlichkeit zu verschlechtern – was einer Quadratur des Kreises gleicht. Weil zum Beispiel das Abkneifen des Ringelschwanzes beim Ferkel, um der Verletzungsgefahr im Stall vorzubeugen, künftig nicht mehr erlaubt sein soll, sollen nach dem Willen von Kruschat und Wimmer für viele Millionen Euro neue Ställe gebaut und deutlich arbeitsintensiver betrieben werden, wobei niemand sagt, wer das bezahlt. Aber wir nehmen die Arbeitsgruppen ernst, diskutieren mit, versuchen Alternativen zu finden, wie man vielleicht mit weniger Aufwand das Tierwohl verbessern kann.

Das Ganze wirkt auf mich allerdings zunehmend absurd vor dem Hintergrund, dass gleichzeitig der natürlichsten Tierhaltung in Brandenburg, der Haltung von Rindern und Schafen auf der Weide, durch Ausbreitung des Wolfes die ökonomische Grundlage entzogen wird – und dieselben Naturschutz- und Ökoverbände klatschen Beifall! Was bisher schon ein äußerst knappes Geschäft war, nämlich Qualitätsfleisch auf extensiver Weide zu erzeugen, soll nach dem Willen von Nabu, BUND und Grüner Liga durch Hochsicherheitszäune, Herdenschutzhunde und erhöhten Betreuungsaufwand mit unabsehbaren Kosten belastet und damit unwirtschaftlich werden. Dass es sich um eine besonders artgerechte Form der Nutztierhaltung handelt, die auch ökonomisch funktioniert, interessiert die Freunde von Wolf und Wildnis nicht.

Gerade für Ökobauern wird der Wolf zum Problem

„Als ökologisch wirtschaftende Landwirte sind wir auf eine möglichst intakte Natur angewiesen (...), zu dieser gehören auch Raubtiere und damit mittlerweile der Wolf“, schreiben die Ökoverbände in einer Pressemitteilung. Was für ein Irrsinn! Die letzten 200 Jahre hat der ökologische Landbau den Wolf jedenfalls nicht gebraucht, und keines unserer ökologisch wirtschaftenden Mitglieder – immerhin 20 Prozent der Bauernbund-Betriebe – möchte das Raubtier in der Umgebung seiner Viehweiden sehen. Im Gegenteil: Gerade für unsere Ökobauern wird es durch die Ausbreitung des Wolfes schwerer, weil sie im Gegensatz zu den konventionellen Kollegen aufgrund der Bio-Richtlinien nicht in eine intensive Stallproduktion ausweichen können.

„Viel wichtiger als die Frage, ob Weidetierhaltung mit dem Wolf geht, müsste doch die Frage sein, ob Weidetierhaltung mit dem Menschen geht“, schreiben die Naturschutzverbände in einer Pressemitteilung und vergleichen 11 000 angeblich tot geborene oder in den ersten Monaten verendete Kälber mit den noch geringen Zahlen der Wolfsrisse. Was für eine Arroganz gegenüber unserer bäuerlichen Arbeit! Die 11 000 stammen aus der Hochrechnung einer 15 Jahre alten Studie, die bei 59 Betrieben rund fünf Prozent Totgeburten und sieben Prozent Aufzuchtverluste festgestellt hat, wobei die Mutterkuhhaltung damals neu war und zumindest bei der Aufzucht sich inzwischen in der Praxis viel verbessert hat. Aber am Ende leben und wirtschaften wir mit der Natur, und die ist kein Ponyhof. Es wird immer eine natürliche Größenordnung an Verlusten geben, so sehr wir die Geburten auch begleiten und uns um jedes frisch geborene Kalb kümmern.

240 registrierte Wolfsrisse in Brandenburg - und hohe Dunkelziffer

Und dazu jetzt noch der Wolf. Die rund 240 registrierten Wolfsrisse von 2016, davon 26 Kälber, sind eine Verdoppelung gegenüber 2015. Aus einer Umfrage unter unseren Mitgliedern wissen wir, dass es eine hohe Dunkelziffer gibt. Durch die immer häufigeren Besuche des Raubtiers kommt Unruhe und Aggressivität in die Herden, wird der Umgang mit den sonst friedlichen Tieren unangenehmer und zeitaufwendiger. Wir sollen bessere, höhere Zäune bauen, speziell dafür abgerichtete Hunde halten, wir sollen die Abkalbungen in spätere Monate verlegen und unsere Tiere noch stärker beobachten und betreuen, raten Nabu, BUND und Grüne Liga. Sie verstehen ja so viel davon, wie man mit praktischer Landwirtschaft Geld verdient. Als dem Nabu vor einem Jahr in Sachsen-Anhalt selbst drei Fohlen vom Wolf gerissen wurden, hat er die restlichen Pferde einfach in ein anderes Naturschutzgebiet abtransportiert.

Die Argumentation der Naturschutz- und Ökoverbände ist hochgradig verlogen und geprägt von einer unglaublichen Verachtung gegenüber uns Bauern. Diese Lobbyisten der Selbstgerechtigkeit haben jede Glaubwürdigkeit verloren, über Tierschutz mit uns auch nur zu diskutieren.

Marco Hintze (44), Präsident des Bauernbundes Brandenburg, bewirtschaftet einen Bauernhof mit Ackerbau, Mutterkühen und Mastrindern in Krielow bei Werder (Havel). Der Bauernbund, der die Familienbetriebe vertritt, fordert seit Jahren den Abschuss von Wölfen, wenn sie Weidetiere bedrohen

Marco Hintze

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