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Gastbeitrag: Berlin-Brandenburg ist ein schlummernder Riese

Die einzigartigen Chancen Berlins und Brandenburgs werden viel zu wenig genutzt. Was sich ändern muss, erläutern die Hauptgeschäftsführer der IHK in Berlin und Potsdam. Ein Gastbeitrag.

Potsdam - Berlin und Brandenburg - sie können nicht ohne einander, aber so richtig miteinander geht es auch nicht. Wie sonst wäre zu erklären, dass die Chancen einer einzigartigen Konstellation von Großstadt und Flächenland so wenig genutzt werden. Berlin hat sich seit dem Mauerfall zu einem internationalen Magneten entwickelt, der Menschen aus aller Welt anzieht - sei es Touristen, Studenten oder Unternehmensgründer. Brandenburg hat Wissenschaft, Natur und Raum zum Gestalten im Überfluss. Leider wissen das offenbar die wenigsten - oder wollen es nicht wissen.

Andere Metropolregionen, sei es in Süddeutschland oder im Ruhrgebiet, haben sich frühzeitig auf eine gemeinsame strategische Infrastrukturplanung verständigt oder sich, wie Hamburg, sogar länderübergreifend für Investoren aufgestellt. Vom Großraum Paris oder „Greater London“ ganz zu schweigen. Wo aber bleibt ein systemisches Metropolenraum-Management im Falle von B & BB?

Bauland, Naherholung und Gewerbeflächen

Das Flächenland befürchtet Identitätsverlust und zaudert, ob man sich als Hauptstadtregion verstehen darf, ohne die Berlin-fernen Regionen wie Lausitz, Prignitz oder Uckermark zu verprellen. Und Berlin hadert mit Brandenburg, weil zu viele das Klischee der Provinz voranstellen und nicht erkennen, dass die wachsende Stadt ohne ihr Umland schon lange nicht mehr funktionstüchtig ist. Dabei hat der Speckgürtel alles, was wichtig und in Berlin schon jetzt spürbar endlich ist: Bauland, Naherholung und Gewerbeflächen ebenso wie Berufsperspektiven für Azubis.

Täglich leben 300.000 Pendler und zehntausende Unternehmen vor, dass längst zusammengewachsen ist, was zusammengehört. Währenddessen treten unterschiedliche Sichtweisen und Kulturen immer dann zutage und blockieren, wenn es um die großen Fragen geht. Der schleppende Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs über die unsichtbare Landesgrenze hinweg oder auch die Tatsache, dass die Berliner Fans einen potenziellen Neubau des Hertha-Stadions ablehnen - keine halbe Stunde mit der Regionalbahn vom Hauptbahnhof vor den Toren der Stadt -, sind nur Beispiele.

An die seit der Wiedervereinigung diskutierte und im Jahr 1996 mit großem Getöse geplatzte Länderfusion wagt sich derzeit ohnehin keine der beiden Landesregierungen mehr heran. Aber selbst ohne Staatsvertrag wie beim gemeinsamen Rundfunk könnte vieles funktionieren. Was es braucht, ist die Traute, sich große Ziele zu setzen und diese anzugehen. Ein konkretes Beispiel soll dies belegen: Bei Langstreckenverbindungen - also Direktverbindungen ohne Umstieg beispielsweise in die USA, nach China oder Südasien - liegen die Berliner Flughäfen nur auf dem Niveau von europäischen Städten wie Birmingham oder Budapest. Es mag verständlich sein, dass eine große deutsche Airline neben Frankfurt und München keinen dritten Hub eröffnen möchte. Aber ohne die Zahl der Umsteiger auf diesen beiden ist Berlin schon heute die attraktivste Destination in Deutschland. Im vergangenen Jahr wurden fast 35 Millionen Passagiere in Tegel und Schönefeld abgefertigt - Tendenz stetig steigend. Neben internationalen Touristen kommen Wissenschaft und Sport, Messen, Botschaften und Kulturevents hinzu, wie es sie in dieser Dichte in keiner anderen Region im deutschsprachigen Raum gibt.

Engere Kooperationen sinnvoll und machbar

Zu Recht werden viele sagen, man solle doch erst einmal den Flughafen BER ans Netz bringen, bevor man sich Gedanken um mehr Verbindungen macht. Nur greift dieser Ansatz, wie so oft in der Hauptstadtregion, zu kurz. Denn jeder Langstrecke liegt ein über die Bundesregierung zu verhandelndes Luftverkehrsabkommen zugrunde. Slots müssen vergeben werden, Fachpersonal muss verfügbar sein. Daher muss die Zeit bis zur Inbetriebnahme des Flughafens sinnvoll genutzt werden, um dann (endlich) starten zu können. Das für Berliner und Brandenburger Politik so typische „Eins nach dem anderen“ kann mit der Geschwindigkeit im Rest der Welt nicht mehr Schritt halten, offen gestanden nicht einmal mit der in Europa oder im übrigen Deutschland.

Ob beim Nahverkehr, bei der Energiepolitik, einer länderübergreifenden Bildungspolitik oder der Außenwirtschaft, überall sind engere Kooperationen sinnvoll und machbar. Der aktuell von beiden Kabinetten zu verabschiedende gemeinsame Landesentwicklungsplan bietet hierfür eine gute Grundlage. Er darf allerdings nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern muss mit Leben gefüllt und aus Ministerien und Verwaltungen heraus zügig und gemeinschaftlich umgesetzt werden. Und auch international könnten beide Regionen im Doppel viel stärker auftreten. Denn nur die Hauptstadtregion kann Angebote für jeden bieten - in den Berliner Stadtbezirken Kreuzberg und Mitte für die Start-up-Unternehmerin aus Israel ebenso wie im Havelland oder im Fläming für den Fabrikinvestor aus China.

Die Wirtschaft brummt

Über eine halbe Million Unternehmen vom Familienbetrieb bis zum Global Player, dazu mehr als einhundert internationale Forschungseinrichtungen und Hochschulen sorgen im vereinten Wirtschaftsraum für Arbeit, Ausbildung und Wohlstand. Deshalb verbindet unsere Vision die eigentlichen Kernaussagen der beiden nicht zu Unrecht kritisierten Landeskampagnen „be Berlin“ und „Es kann so einfach sein“: Wäre es nicht ein Leichtes, als gemeinsame Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg oder - in Anlehnung an London - als „Greater Berlin“ zu handeln? Was es dafür braucht, ist lediglich gegenseitiges Vertrauen und vor allem den Willen, gemeinsam zu gestalten und diesen schlummernden Riesen endlich aufzuwecken.

Jan Eder, Mario Tobias

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