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In dieser mit Betonteilen und Steinen zugeschütteten Jauchegrube in Fürstenwalde wurden 2011 die sterblichen Überreste der jungen Frau entdeckt. 

© Polizei Brandenburg

Fürstenwalde in Brandenburg: Die Tote aus der Grube

Konnte ausgerechnet in der DDR eine junge Frau einfach verschwinden? Seit 50 Jahren scheint sie niemand zu vermissen. 

Von Sandra Dassler

Fürstenwalde - Es ist ein mysteriöser Fall, der an dramatisch inszenierte Krimis erinnert. Aber während dort die Gutachten spätestens nach drei Stunden vorliegen und die Fälle spätestens nach drei Tagen gelöst sind, sieht das in der Realität ganz anders aus. „Auf den ersten Blick scheint es ein langer Zeitraum zu sein, den wir für die Untersuchungen brauchten“, sagt Bärbel Cotte-Weiß, die Sprecherin der Polizeidirektion Ost in Frankfurt (Oder): „Aber wir haben zahlreiche umfangreiche Gutachten erstellen müssen – und allein der Abgleich mit den in Frage kommenden Vermisstenfällen hat auch viel Zeit in Anspruch genommen.“

2011 wurden die Überreste entdeckt

Erst als klar wurde, dass keine der im letzten halben Jahrhundert hierzulande vermissten Menschen in Frage kam, ging die Polizei vor kurzem an die Öffentlichkeit. Bereits 2011 waren die sterblichen Überreste der jungen Frau in einer mit Betonteilen und Steinen zugeschütteten Jauchegrube auf einem Grundstück in Fürstenwalde (Oder-Spree) gefunden worden. 

Zu DDR-Zeiten befand sich dort eine sogenannte Sero-Annahmestelle. Die Abkürzung stand für Sekundär- und Rohstofferfassung, die in der DDR flächendeckend betrieben wurde, um wiederverwertbare Materialien wie Flaschen, Gläser, Zeitungen, Textilien oder Schrott gegen ein geringes Entgelt aufzukaufen.

Sero-Annahmestellen stark frequentiert

Da quasi alle Haushalte sammelten und die Altstoffe entweder selbst zur nächsten Annahmestelle schafften oder das Kindern überließen, die sich damit ein Taschengeld verdienten, waren die Sero-Annahmestellen stark frequentiert. Das traf auch auf große Sammelstellen wie in Fürstenwalde zu – auch deshalb hoffen die Ermittler, dass man vielleicht doch noch Hinweise auf die Identität der Frau oder gar den oder die Täter findet.

Denn dass damals ein Verbrechen geschah, ist mehr als wahrscheinlich. Die Frau, deren Alter zum Todeszeitpunkt etwa 20 Jahre gewesen sein muss, starb offenbar durch stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Schädel. Verletzungen der Knochen weisen darauf hin. Außerdem ergaben die Ermittlungen, dass ihre Leiche zwischen 1965 und 1975 in die Grube gelangt sein muss. Das konnte unter anderem durch Analyse der Textilien festgestellt werden, heißt es aus Ermittlerkreisen. So fand man wohl Reste von Strümpfen oder einer Strumpfhose aus Dederon. Das ist eine Kunstfaser, die aus Perlon parallel zur Nylonfaser entwickelt – und nach der DDR benannt wurde, gewissermaßen D-e-D-e-e-R. Auch kleine Stofffetzen von – nach einem speziellen in der DDR verwendeten Verfahren hergestellten – „Malimo“-Strickwaren fanden sich in der Grube.

Ermittler wollen Familienangehörige ermitteln

Die junge Frau soll etwa 1,60 Meter groß gewesen sein und dunkle Haare gehabt haben. Die Ergebnisse der DNA-Analysen waren gut verwertbar, so dass die Ermittler hofften, durch Abgleich mit DNA-Proben von Familienangehörigen vermisster Menschen die Identität ermitteln zu können.

Doch mehr als 90 Fälle erbrachten keinen Treffer. Dass die Frau nicht vermisst wurde, ist schwer vorstellbar. „Im Überwachungsstaat DDR konnte doch ein Mensch nicht einfach so verschwinden“, sagt ein langjähriger Kriminalist: „Da wurden doch schon die Kollegen vorbeigeschickt, um nach dem Rechten zu sehen, wenn man mal einen Tag der Arbeit fern blieb.“ 

Stammte die Frau aus Polen?

Überlegungen, wonach es sich um eine Arbeiterin aus Polen oder eine andere Ausländerin gehandelt haben könnte, seien ebenso zweifelhaft, meint er. Mit der polnischen Polizei habe es damals schon eine gute Zusammenarbeit gegeben – und Ausländer wurden in der DDR noch stärker überwacht. Auch, dass – wie von manchen vermutet – der Staatssicherheitsdienst auf diesem Weg eine unliebsame Person aus dem Weg räumte, sei sehr unwahrscheinlich, sagt der Kriminalist: „Die hatten das doch gar nicht nötig, sondern wussten genau, wie man Totenscheine fälscht.“

Das Opfer. Nun geht die Polizei mit Phantombildern an die Öffentlichkeit.
Das Opfer. Nun geht die Polizei mit Phantombildern an die Öffentlichkeit.

© Polizei Brandenburg

Die Hoffnung der Ermittler ruht nun auf einem durch Rekonstruktion des Schädels erstellten Phantombild der jungen Frau und darauf, dass sich doch noch jemand an irgend ein wichtiges Detail erinnert. „Zumindest haben wir bereits einige Hinweise bekommen“, sagt Polizeisprecherin Bärbel Cotte-Weiß: „Offenbar bewegt der Fall doch viele Menschen hier in der Region.“

Sollte man den Täter finden, könnte es ihm auch ein halbes Jahrhundert später noch an den Kragen gehen. Jedenfalls wenn es Mord war. Denn der verjährt bekanntlich nicht.

Hinweise zur Identität der Frau nimmt die Polizei unter der Telefonnummer (03361) 5680 entgegen.

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