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Förderskandal in Brandenburg: Landesförderbank ILB geht gegen unliebsame Presse vor

Der HBS-Förderskandal ist nicht ausgestanden. Brandenburgs Landesregierung blockiert erst die Aufklärung durch die Presse, nun klagt die ILB gegen den RBB - und scheitert. Die zentrale Frage: Wurde gegen EU-Recht verstoßen?

Potsdam - In der Förderaffäre um die Firma Human Biosciences (HBS) liegen in der Landesregierung und bei der Landesförderbank ILB offenbar die Nerven blank. Von Transparenz in dem Fall – bei dem es um 6,5 Millionen Euro aus Steuergeld geht – keine Spur. Erst hat die Landesregierung Auskünfte verweigert, nun hat die ILB sogar versucht, Presseberichte zu unterbinden, wonach das Land bei der Förderung der HBS gegen geltendes EU- und Förderrecht verstoßen haben soll.

6,5 Millionen Euro landeten in Steueroasen im Übersee

Es geht um einen der schwersten Fälle von Subventionsbetrug im Land. In Luckenwalde wollte HBS 42 Millionen Euro in eine Fabrik für Wundpflaster investieren. Das Land förderte das bis 2012 mit 6,5 Millionen Euro, hinzu kommen 4,6 Millionen Euro Investitionszulagen vom Finanzamt. Angeblich kaufte die HBS 36 Industriekühltrockner – nur zwei kamen an. Wenig später ging die Firma pleite. Das Fördergeld haben die später wegen Betrugs zu Haft verurteilten Firmenchefs ins Ausland geschafft, in Luckenwalde steht eine Bauruine. Das hätte verhindert werden können, es gab Hinweise auf Betrug und fehlende Bonität. Die Gelder wurden laut ILB nur auf „der Basis von durch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bestätigten Rechnungen“ gezahlt. Doch die Rechnungen waren gefälscht. Originalrechnungen und Kontobelege legte die HBS nicht vor, das Land fand sich damit ab. Später befand das Landgericht Potsdam bei der Verurteilung der HBS-Manager: Die Förderbank ILB war schlichtweg überfordert.

Jegliche Verfehlungen weisen Landesregierung, der damalige Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), sein Amtsnachfolger und damalige Staatskanzleichef Albrecht Gerber (SPD) und ILB-Vorstandschef Tillmann Stenger stets von sich – sie stellen sich als Opfer besonders gewiefter Betrüger dar. Bei der Aufklärung des Falls aber versuchen Landesregierung und ILB Recherchen und Medienberichte zu blockieren.

Erst will die Landesregierung keine Auskunft erteilen, nun klagte die ILB gegen den RBB

Wie im Oktober 2016. Der RBB hatte 2014 Auskunft verlangt zu den Gefriertrocknern, zu von der HBS vorgelegten Rechnungen und Kontoauszügen. Konkret ging es um einen bereits 2012 erstellten Prüfbericht der beim Finanzministerium angesiedelten Behörde, die die Verwendung von EU-Fördergeld nachprüft. Das Finanzministerium blockte ab, der Sender klagte sich durch zwei Instanzen. Vor Gericht hatten Ministeriumsvertreter auf Geheimhaltung gepocht, auch weil dadurch Versuche des Landes, sich das Geld von der EU zu holen, scheitern könnten.

Die Presseberichte würden in Brüssel sehr genau verfolgt. Man wolle keine unnötigen Nachfragen der EU provozieren und nicht den Eindruck erwecken, dass man keine zuverlässigen Kontrollen habe. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) zerpflügte die Sicht des Ministeriums, der Sender bekam – wie berichtet – recht.

Der RBB wertete die eingeklagten Auskünfte aus und kam Ende November zu dem Ergebnis: Das Land hat gegen Förder- und EU-Recht verstoßen. Dabei berief sich der Sender auch auf einen Experten für EU-Wirtschaftsrecht. Demnach hätte sich das Land Originalrechnungen vorlegen lassen müsse, so würden es der Förderbescheid und das EU-Recht vorsehen.

Land und ILB sehen sich als Opfer gewiefter Betrüger

Wirtschaftsminister Gerber und ILB-Chef Stenger wiesen das im Wirtschaftsausschuss des Landtags vehement zurück. Neben Originalbelegen seien „auch gleichwertige Buchungsbelege zugelassen gewesen“, sagte Gerber. Es seien teilweise Originalbelege geprüft worden, „aber sie waren eben gefälscht“, sagte Stenger. „Die damalige Praxis war rechtlich zulässig. Es war ein EU-konformes Verfahren“, so der ILB-Chef. „Es war zulässig.“

Die Sorge vor Konsequenzen aus Brüssel ist in Potsdam offenbar groß. Die in Steueroasen in Übersee versunkenen Fördergelder wurden inzwischen komplett zu Landesgeld deklariert, damit die EU den Fall nicht prüft.

Obendrein ging der ILB-Vorstand gegen den RBB-Bericht vor – weil der Vorwurf des Rechtsbruchs das Vertrauen in die Förderbank, die öffentlichen Interessen verpflichtet sei, erschüttern würde. Vor der Pressekammer des Landgerichts Berlin verlangte die ILB eine Unterlassung. Der RBB sollte nicht mehr berichten dürfen, dass es „sich um einen eindeutigen Rechtsverstoß handelt“, ebenso nicht, dass „möglicherweise Rechtsverstöße verschleiert werden sollten“, dass die ILB von der HBS im Zuwendungsbescheid die Originalbelege für Ausgaben verlangt habe und dass dies nach EU- und Förderrecht nötig sei.

Der RBB fand heraus: Es gab einen Rechtsverstoß. ILB bangt um ihren Ruf

Dass Landes-Institutionen derart gegen Presseberichte vorgehen, ist ungewöhnlich. Die RBB-Journalistin Gabi Probst fordert, wie sie sagt, lediglich, dass die für den Förderskandal Zuständigen sich ihrer Verantwortung stellen. Die ILB aber engagierte sogar die Kanzlei eines überaus renommierte Berliner Medienrechtlers.

Die Pressekammer wies die ILB im Dezember vorsorglich auf Bedenken gegen eine einstweilige Verfügung gegen den RBB hin. Die Frage, ob es eine Pflicht zur Vorlage der Originalbelege für Fördergeld gebe, sei eine zulässige Meinungsäußerung. Und die scheine angesichts der Regeln, mit denen die ordnungsgemäße Verwendung von Fördergeld abgesichert werde, vertretbar. Die Klage der ILB wurde am 5. Januar abgewiesen, sie legte sofortige Beschwerde ein – und scheiterte erneut.

Das Gericht erklärte: Der Ehrenschutz für Privatpersonen gelte für Institutionen des öffentlichen Rechts nur, wenn Äußerungen die Behörde schwerwiegend in ihrer Funktion beeinträchtigen würde. Das aber sei nicht der Fall. Der RBB habe nur gezeigt, dass es unterschiedliche Positionen zu einem komplexen Sachverhalt gebe. Der Fall soll nun einem Beschwerdegericht vorgelegt werden.

In Potsdam will man nur eines: Jeden schlechten Eindruck in Brüssel vermeiden

Auch der Landesrechnungshof untersucht den Fall und will bis Mitte 2017 einen Prüfbericht vorlegen. Die Behörde geht der Frage nach, warum der 75-prozentige EU-Anteil an der Fördersumme im Nachhinein zu Landesgeld umdeklariert wurde und ob das Ministerium mögliche Pflichtverstöße der Landesbank und Schadenersatz geprüft habe.

Am Dienstag befasst sich auf Antrag der Grünen-Landtagsfraktion auch der Haushaltskontrollausschuss damit. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel fordert Auskunft zum Bericht der EU-Prüfbehörde im Finanzministerium. CDU-Wirtschaftsexperte Dierk Homeyer sagt, er verlange Klarheit darüber, warum Landesregierung und ILB die vom Land vorfinanzierte Förderung aus Steuergeld nicht von der EU zurückfordert, „wenn doch, wie sie sagen, keine Rechtsverstöße gegen das EU-Förderrecht festgestellt wurden“. Land und ILB betrieben Augenwischerei. Homeyer: „Das alles soll von dem eklatanten Versagen des Wirtschaftsministeriums ablenken."

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