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Der letzte Versuch. Seit einem Jahr ist Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup im Amt. In die Schönefelder Pannenbaustelle hat er Ordnung gebracht. Das kommt an – obwohl er den Eröffnungstermin deutlich verschieben musste.

© Manfred Thomas

Flughafen Berlin-Brandenburg: Im SOS-Einsatz

Genau seit einem Jahr ist Ex-Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup nun Flughafenchef. Schafft er es?

Berlin / Potsdam - Na so was. Kein Abgeordneter greift ihn direkt an, eine Premiere. Engelbert Lütke Daldrup wirkt selbst erstaunt, wie ruhig, schnell und glatt an diesem Montag im Sonderausschuss des Landtages in Potsdam alles über die Bühne geht. Dabei hat der Flughafenchef natürlich auch hier, wie immer in diesen Tagen, die aktuelle Frage der Fragen um den neuen Airport in Schönefeld beantworten müssen. Warum man ihm nach schon wieder gerissenen Terminen abnehmen soll, dass die Eröffnung des BER im Oktober 2020 nicht gefährdet ist?

„Weil wir genügend Reserven eingeplant haben, um den Termin zu halten“, antwortet er da. Man wisse, wo man stehe, habe „bis zum Erbrechen“ alle Risiken durchdekliniert. Und dann geht es um die Finanzen, zumal allein bis 2020 noch einmal weitere 1,1 Milliarden Euro in die Dauerbaustelle fließen und dafür ein für Erweiterungen benötigter Kredit umgewidmet werden soll? Muss der Steuerzahler dafür nun nach 2020 zahlen? „Wir werden die Bitten an die Gesellschafter so gering wie möglich halten!“ Kein Aufstand, nur ein paar Nachfragen, das war´s. Wie sich die Zeiten ändern.

Auf einem soliden Gleis?

Am heutigen Mittwoch ist es genau ein Jahr her, dass dieser Mann den Schleudersitz an der Spitze der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) übernahm, die sich bereits seit 2006 vergeblich am Bau eines neuen Airports versucht: Fünf Manager waren gescheitert. Nun will Engelbert Lütke Daldrup, 61, Professorentitel, zuletzt „Mister BER“ und rechte Hand des Regierenden Michael Müller (SPD) im Roten Rathaus, vorher Stadtplaner, Baudezernent in Leipzig, Staatssekretär im Bund, den „Kladderadatsch in Ordnung“ bringen. Er musste ran in der Not, nachdem Vorgänger Karsten Mühlenfeld auf Druck Müllers – und von ihm selbst – vor die Tür gesetzt worden war. Weil der in letzter Verzweiflung Technikchef Jörg Marks zu feuern versucht hatte, um den BER doch noch 2017 (!) irgendwie zu eröffnen ... ja, erst ein Jahr ist das alles her.

Nimmt man nur die Fakten, was unter Führung von „LD“ geschah, könnte die Bilanz kaum schlimmer sein: Ausgerechnet der Mann, dem nach vorherigen Karrierestationen der Spitzname: „Drängelbert“ vorauseilte, hat die BER-Eröffnung gleich um zweieinhalb Jahre verschoben, 2020 statt 2018, was noch eine Milliarde Euro bis zum Start kostet. Doch das Erstaunliche ist, dass ihm dies (fast) niemand als Makel vorhält, im Gegenteil, es weithin als seine Leistung anerkannt wird, frühere Luftschlösser am BER beerdigt zu haben. Selbst Kritiker bescheinigen Lütke Daldrup, das Projekt mit seinem systematischen, ja pedantischen Herangehen auf ein solides Gleis gestellt zu haben.

Demutshaltung kommt an

Er ließ von unten einen neuen Baufahrplan samt Eröffnungstermin entwerfen, einen Masterplan für die nötigen Erweiterungen zeichnen, schmiss Roland Berger raus, verhandelte erstmals mit einer Firma, nämlich Caverion, einen Pauschalvertrag aus, um die üblichen horrenden Stundenabrechnungen zu beenden und die Unternehmen auf Termine festzulegen. Nie vergisst er, die Namen der Firmen öffentlich zu nennen, die am BER bauen und aktuell die Mängel beseitigen: Siemens, Caverion, Bosch, ROM und T-Systems. Sein größter Schock? Er habe die Probleme unterschätzt, antwortet er. Es nagt noch, dass ausgerechnet er es nicht mitbekam, wie es um den BER wirklich stand. Dabei war er Aufsichtsrat, Flughafenkoordinator, hatte – so misstrauisch war er, das ja – eine Vertraute in die BER-Baukonferenzen geschickt.

Und so zieht Lütke Daldrup jetzt durch die Ausschüsse, die Parlamente, was Zeit kostet, die ihm für die Baustelle fehlt, und bittet immer wieder um Verständnis, „die Geduld der Bürger, der Öffentlichkeit und der Politik nun noch zweieinhalb Jahre strapazieren zu müssen.“ Dieser Demutston, eigentlich seine Sache nicht, kommt an. Er weiß, was Abgeordnete hören wollen und was sie provoziert. Auf der politischen BER-Baustelle, genauso riskant wie die echte, bewegt er sich mit seinen Erfahrungen gewandt wie keiner vor ihm. Da könnte der Gegensatz etwa zu Hartmut Mehdorn (Methode: Angriff) oder dem Ingenieur und Politikfremden Karsten Mühlenfeld kaum größer sein. Das sei seine Stärke, heißt es selbst aus Brandenburg, wo man lange am aus hiesiger Sicht überflüssigen Rausschmiss Mühlenfelds haderte. Und trotzdem hat es Lütke Daldrup nicht davor bewahrt, dass ihm ausgerechnet die Politik die größte Niederlage bescherte.

Er macht es selbst

Nach wenigen Monaten war er am gleichen Punkt angelangt wie vor ihm Mühlenfeld nach zwei Jahren, nämlich dass es mit dem netten, aber wenig durchsetzungsstarken Technikchef Jörg Marks nicht zu schaffen sein wird, den BER fertig zu stellen. Jedenfalls nicht schnell. Lütke Daldrup handelte, auf seine Art, zunächst in einer Geheimoperation: Er ließ über eine Headhunter-Agentur einen Nachfolger suchen, man wurde fündig, der Manager aus München wurde in einem Assessmentcenter-Verfahren durchgecheckt, stellte sich Aufsichtsräten vor, die Mehrheit im Gremium hatte Lütke Daldrup, und der Aufsichtsratschef aus Brandenburg, Rainer Bretschneider zog mit.

Es war ein SOS-Plan. Beide sahen keine andere Möglichkeit, die BER-Baustelle und die Baustellen der nötigen BER-Erweiterungen danach in den Griff zu bekommen. Eigentlich konnte nichts mehr schief gehen. Trotzdem scheiterte alles, am Veto des BER-Miteigners Brandenburg, weil der die Negativschlagzeilen über einen hochdotierten vierten Geschäftsführer ausgerechnet beim Pannen-BER fürchtete. Und er? Er macht es selbst, entzog Marks die Zuständigkeit für das Terminal, verkniff sich aber nicht den öffentlichen Hinweis, dass „die Gesellschafter damit auch ein Stück Verantwortung übernommen haben.“

Sparkurs schafft Unmut

Es war eine Warnung für den Fall, dass es erneut schief gehen sollte, dass auch er Schmerzgrenzen hat. Und es wird, entgegen allen öffentlichen Beruhigungen, immer enger mit der BER-Eröffnung im Oktober 2020... Wenn man sich in der Flughafengesellschaft umhört, fallen die Urteile über Lütke Daldrup weniger freundlich aus. Da hört man auch von rigidem, einsamem Führungsstil, fehlender Kommunikation, nicht nachvollziehbaren Personalien. Auch der Sparkurs schafft Unmut. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sein Verhältnis zu Finanzchefin Heike Fölster angespannt ist, die er offenbar nicht für gut genug hält. Aber im Grunde hat Lütke Daldrup freie Hand. Die Politik kann ihm nichts, ja ist auf ihn angewiesen, weil nach ihm nur das BER-Scheitern käme.

Jüngst bescheinigte ihm der Berliner IHK-Geschäftsführer Jan Eder: „Wenn es einer schafft, den BER zu eröffnen, dann er.“ Das ist seine Mission. 

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Hintergrund: Berlin bekommt BER-Untersuchungsausschuss

CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus wollen gemeinsam einen weiteren Untersuchungsausschuss zum Hauptstadtflughafen BER einsetzen. Das gaben die Fraktionschefs Florian Graf (CDU) und Sebastian Czaja (FDP) am Dienstag bekannt. Hauptthemen des Ausschusses sollen Finanzierungs- und Kapazitätsfragen sein. Der Ausschuss solle Antworten liefern, die der erste nicht habe liefern können, sagte Czaja. Man müsse zu diesem Mittel greifen, um Transparenz herzustellen. Graf kritisierte das Vorgehen von BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup als Hinhaltetaktik. Die Verschiebung der Eröffnung auf 2020 sei ein wesentlicher Anlass gewesen für die Gespräche zum Untersuchungsausschuss. Der Antrag wird am 22. März ins Parlament eingebracht. Ein Viertel der Plenumsmitglieder muss zustimmen. Dafür reichen die Stimmen von CDU und FDP aus. Die AfD-Fraktion will sich bei der Abstimmung enthalten. Die rot-roten-grünen Koalitionsfraktionen stehen dem Antrag kritisch gegenüber. Er glaube nicht, dass ein Untersuchungsausschuss mehr zu Tage bringt als der Sonderausschuss in Brandenburg oder der Beteiligungsausschuss, sagte SPD-Fraktionsvizechef Jörg Stroedter. Das Problem sei der Verzug auf der Baustelle: „Keiner weiß, ob im Frühjahr 2020 die Systeme funktionieren.“ Auch die Grünen halten nichts von einem weiteren Ausschuss. Das sei das falsche Instrument, sagte Verkehrsexperte Harald Moritz. Aus der Linken-Fraktion hieß es, es hätte bereits einen Ausschuss gegeben, der einiges deutlich gemacht hätte. Der Abschlussbericht zum ersten Untersuchungsausschuss wurde wie berichtet im Juni 2016 veröffentlicht. Helena Wittlich

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