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Immerhin der Turm ist fertig. Da sage noch einer, am BER funktioniere nichts: Der Flughafentower versieht seit 2012 seinen Dienst.

© Ralf Hirschberger/dpa

Flughafen BER: Warum es am BER auch 2018 nichts wird

Die Baustelle in Schönefeld stagniert. Am Montag berät der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, am Dienstag tagen die Kabinette Berlins und Brandenburgs. Was geht alles nicht voran? Wie lange reicht das Geld noch? Und wie viel Wahrheit steckt in den offiziellen Ankündigungen? Eine Analyse.

Schönefeld/Potsdam/Berlin - Vor der Tafelrunde im Gasthof „Zur Linde“ in Wildenbruch ist Tacheles angesagt. Ursprünglich sollte es eine Wohlfühlveranstaltung werden, zum gegenseitigen Kennenlernen, wenn am nächsten Dienstag die Kabinette Berlins und Brandenburgs gemeinsam tagen. Doch am Vortag berät der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft (FBB) über den aktuellen Stillstand am neuen BER-Airport, auf den wir in der gestrigen Ausgabe hingewiesen haben.

Auf Wunsch Brandenburgs steht die größte Baustelle der Hauptstadtregion auf der Tagesordnung der gemeinsamen Kabinettssitzung. Berlins Regierender Michael Müller, bis März selbst Vorsitzender des FBB-Aufsichtsrates, und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) erwarten einen Rapport der neuen Führungscrew. Die PNN dokumentieren, wie ein ungeschminkter Bericht des Flughafenchefs und früheren Berliner Staatssekretärs Engelbert Lütke Daldrup und des BER-Aufsichtsratsvorsitzenden und brandenburgischen Flughafenkoordinators Rainer Bretschneider aussehen müsste. Das Fazit: Eine BER-Eröffnung vor 2019 ist illusorisch und nicht mehr realistisch. Und vor Herbst kann entgegen den Ankündigungen kein Eröffnungstermin bekanntgegeben werden.

Rückschläge statt Fortschritte

Erst im Januar war der bis dato noch für dieses Jahr propagierte BER-Start abgesagt worden. Nun wird man allein für den seit Frühjahr 2016 überfälligen Abschluss der Bauarbeiten auch noch bis Ende 2017 benötigen. Aktuell sind laut BER-Barometer 89 Prozent erledigt – wie vor einem Monat. Zum Vergleich: Vor einem halben Jahr, im Oktober, waren es 79 Prozent. So belegt ein aktueller interner FBB-Lagebericht („vertraulich“), der in Vorbereitung der Aufsichtsratssitzung erstellt wurde, das nicht publik gemachte Ausmaß der aktuellen Probleme und Risiken, die selbst das Nennen eines Eröffnungstermins geschweige denn eine Eröffnung weiter unmöglich machen.

Sprinkleranlage: Die ist zu gering dimensioniert, muss nachgerüstet werden. Wenn es brennt, würde sie womöglich in einigen der 4000 Räume nur tröpfeln. Das liegt auch daran, dass etwa 800 Räume nachträglich an das Entrauchungssystem angeschlossen wurde. Wann die 2,4 Kilometer Rohre ausgetauscht sein werden, kann niemand sagen. „In Klärung“, heißt es dazu im FBB-Dokument. „Planung nicht vollständig. Umsetzungsdauer offen, Annahme 3 bis 6 Monate.“

Türen: Auch mit den Türen war das Canceln des BER-Starts begründet worden. Derzeit sind erst ein Drittel der rund 1600 Automatiktüren einreguliert und programmiert. „Aktuell sind 38/39 Prozent der Türen fertig“, sagt dazu Lütke Daldrup auf Anfrage. „Der mit Bosch und den anderen fünf Firmen vereinbarte Baufortschritt wird erreicht.“ Im Januar waren 20 Prozent der Türen fertig. Bis Herbst wird man brauchen, mindestens.

Tests und Abnahmen: Nach dem Bauen folgt das Hochfahren und Programmieren der Systeme, die „technische Inbetriebnahme“, bei der neue Mängel sichtbar werden, wie sich am Mainpier Nord zeigt. Es ist ein eher einfacher Abschnitt, ein Seismograph. Was hier als Problem auftaucht, potenziert sich im Hauptterminal. Noch im letzten Herbst hatte Technikchef Jörg Marks hier Journalisten euphorisch herumgeführt und gezeigt, wie gut doch alles klappen würde. Ein Irrtum, wie nun die „Wirkprinzipprüfung“ ergab, bei der die Feuerlöschanlage sogar wegen der Rohrarbeiten noch ausgelassen wurde. Es gab Beanstandungen der Sachverständigen, sodass sich die Abnahme verzögert. „Das Baurecht fordert, dass alle sicherheitsgerichteten Anlagen nach einer Unterbrechung der allgemeinen und der Sicherheitsstromversorgung eigenständig wieder ihre Funktionalität aufnehmen“, lautet ein Befund. „Dies ist für die Entrauchungsanlagen derzeit nicht gegeben.“ Weitere Mängel betreffen die Brandschutzmatrix, die Steuerung der Aufzüge, aber auch die „noch lückenhafte“ Baudokumentation.

Damit ist klar, dass die bisherigen Zeitpläne für die technische Inbetriebnahme des Terminals zu optimistisch kalkuliert sind. Zitat: „Auf Basis der aktuellen Termin-Szenarien kann die übergeordnete Wirkprinzipprüfung im besten Fall Ende 2017 erfolgen, die Durchführung im 1. Quartal 2018 ist wahrscheinlich.“ Weitere Verzögerungen sind also möglich: „Aufgrund der aktuellen Terminrisiken kann der sog. ’Worst Case’ nicht abschließend terminiert werden.“ Vorher dürfte auch ein verlässlicher BER-Starttermin nicht genannt werden können.

Wiedervorlage: Baugenehmigung fehlt

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte noch als Aufsichtsratsvorsitzender im Februar stolz erklärt, dass es mit den Ende 2016 erteilten Baugenehmigungen erstmals in der BER-Geschichte „einen genehmigten Flughafen“ gäbe. Auch Lütke Daldrup äußerte sich so. Eine Fehleinschätzung. Der Brandschutz zwischen Terminal und BER-Tiefbahnhof ist ungeklärt. Die Baubehörde Dahme-Spreewald hatte zwar nach einem Spitzentreffen bei Müller eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Aber die ist bis 31.12.2019 befristet – und daran gekoppelt, dass vorübergehend weniger Züge und S-Bahnen zum BER fahren dürfen, der Bahnhof nicht mit voller Kapazität genutzt werden darf. Es geht darum, dass sich Feuer und Rauch zwischen Bahnhof und Terminal nicht ausbreiten dürfen. Aktuell plant die FBB den Einbau von Rauchschürzen. Ob die funktionieren, soll erst „ein Realversuch“ klären. Die FBB denkt über „Rückfalloptionen“ nach. Fest steht, dass eine weitere Baugenehmigung nötig ist, genannt „Nachtrag 6.1“. Das Einreichen des Antrages verzögert sich auf den Sommer. Es ist ein Kardinalproblem.

Warum es nicht schneller geht

Alle Beschleunigungsversuche sind seit der 2012 geplatzten BER-Eröffnung gescheitert, egal, wer Flughafenchef oder Technikchef war. Dafür steht symptomatisch das von Hartmut Mehdorn 2013 verkündete „Sprint“-Programm. Die Sanierung eines verpfuschten Neubaus mag kompliziert sein. Das Grundproblem besteht aber darin, dass Firmen, Objektüberwacher, Berater, Gutachter am BER objektiv kein Interesse an einer schnellen Eröffnung haben - da alle an der Baustelle gut verdienen. Die FBB hat kaum Hebel, an denen sie ansetzen kann. Im Gegenteil, die von Technikchef Jörg Marks geleitete FBB-Bauorganisation ist Teil des Problems, zumal selbst ohne klare Perspektive für die Zeit nach dem BER-Start. Der frühere Flughafenchef Karsten Mühlenfeld war selbst über den Versuch gestürzt, Marks zu feuern – wegen nicht eingehaltener Termine seit Herbst 2015, zu laxem Management. Die Defizite am Bau sind bekannt, etwa durch ein Gutachten von Roland Berger vom März. Lütke Daldrup hat jüngst einen „Risiko-Workshop“ durchführen lassen, um weitere Minen am BER zu identifizieren. Das Fazit laut FBB-Dokument: „24 wesentliche Terminrisiken identifiziert, insbesondere

- mangelnde Stringenz in der Prozessführung,

- Abnahmefähigkeit der Sprinkleranlage,

- unvollständige TGA-Planung,

- Mängel aus Sachverständigenprüfungen,

- Schnittstelle Bahnhof/FGT.“

Wie lange die Milliarden reichen

Jeder Tag, den der BER nicht eröffnet, kostet zwischen 500 000 und einer Million Euro. Gerade wurden der FBB weitere 2,2 Milliarden Euro bewilligt. Allein 1,1 Milliarden Euro sind geplant, um den dann 5,4 Milliarden Flughafen zu Ende zu bauen – weitere 1,1 Milliarden Euro, um erste provisorische Erweiterungen bezahlen und den Schuldendienst aufbringen zu können. Intern rechnet die FBB vor, dass eine Verschiebung um ein Jahr rund 400 Millionen Euro kostet, es Mitte 2018 eng wird. Dagegen spricht, dass die 1,2 Milliarden Euro, die Ende 2012 bewilligt worden waren, kalkuliert bis Oktober 2013, immerhin bis 2016 reichten.

.... und die offizielle Version?

Aktuell wollen sich weder Lütke Daldrup noch Bretschneider festlegen, wann man so weit ist, einen BER-Eröffnungstermin zu nennen. Im Projektausschuss des Aufsichtsrates am vergangenen Freitag, vorher auch auf einem Krisentreffen auf Einladung der Potsdamer Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD), hielt man sich bedeckt. Bleibt es dabei, dass im Sommer ein Eröffnungstermin steht? Den PNN antwortet Lütke Daldrup so: „Wir werden im Sommer den Aufsichtsrat über den erreichten Stand unterrichten.“ Wann sollen die Bauarbeiten beendet sein? „Das hängt u.a. von den Leistungen der Dienstleister und Baufirmen ab.“ Man sei auf Hochtouren dabei, die Voraussetzungen für einen validen Termin zu klären, sagt Bretschneider. „Das wird noch dauern.“ Alles wie immer.

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