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Brandenburgs Ministerpräsident beklagt wachsenenden Egoismus zwischen den Bundesländern.

© dpa (Archiv)

Flüchtlinge in Brandenburg: Schnelle Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten

24 000 Flüchtlinge sollten nach Brandenburg in diesem Jahr kommen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rechnet nun mit 30 000 Asylbewerbern. Das Land richtet nun eine Stabsstelle für den Umgang mit den steigenden Flüchtlingszahlen ein.

Eisenhüttenstadt - Nach der Ankunft von mehr als 900 Flüchtlingen in Eisenhüttenstadt rechnet die Brandenburger Landesregierung in den nächsten Tagen mit weiteren Menschen, vor allem aus Syrien. Eine Zahl von etwa 30 000 Asylbewerbern in diesem Jahr in Brandenburg sei realistisch, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag in Potsdam. Nach den bisherigen Prognosen hatte das Land zunächst mit gut 24 000 Flüchtlingen gerechnet. Nach Angaben des Innenministeriums kommen derzeit viele syrische Familien mit kleineren Kindern, am Wochenende waren es mehr als hundert Kinder unter acht Jahren. „Viele syrische Familien sind zunächst in die Türkei und in den Libanon geflohen und haben gehofft, dass sich die Lage zu Hause wieder beruhigt“, erläuterte Ministeriumssprecher Ingo Decker. „Wo sie jetzt sehen, dass diese Hoffnung vergeblich ist, kommen sie zu uns.“ Nach den Ereignissen des Wochenendes will Woidke nun eine Stabsstelle für den Umgang mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen einrichten. Dieser soll noch in dieser Woche seine Arbeit aufnehmen und „sich rund um die Uhr mit der Situation beschäftigen“.

„Wir müssen rund um die Uhr reagieren können“, meinte der Ministerpräsident. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte, das Land und die Kommunen müssten nun schnell und kreativ nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten suchen. „Wir haben jetzt die Notreserven aktiviert“, betonte der Minister.

Brandenburg soll kreative Lösungen gewähren

So waren für die Flüchtlinge aus Ungarn in einem Übungshaus der Landesfeuerwehrschule in Eisenhüttenstadt 200 Schlafplätze eingerichtet worden. Teilweise müssten die Menschen für die Erstaufnahme aber auch in Zelten oder Turnhallen untergebracht werden, sagte Schröter. Der Minister sprach von einer „echten Herausforderung“ für die Mitarbeiter in Eisenhüttenstadt, die ohnehin schon seit Wochen an ihrer Kapazitätsgrenze arbeiteten. Auch die Kommunen prüften jede Möglichkeit für neue Unterkünfte, etwa in leerstehenden Supermärkten oder Produktionsstätten. Die Landesregierung sei entschlossen, „alle möglichen Wege“ zu gehen, um das öffentliche Leben in Städten und Gemeinden nicht zu sehr einzugrenzen, sagte Schröter. Das Land sei aufgefordert, viele kreative Lösungen zu gewähren“. Er verwies dabei auf die Verhandlungen mit dem Betreiber eines Ramada-Hotels in Frankfurt an der Oder, das komplett für Flüchtlinge angemietet werden soll.

Aus Sicht von Woidke reichen die von der Bundesregierung zugesagten drei Milliarden Euro zusätzlich für die Unterbringung der Flüchtlinge in Ländern und Kommunen nicht aus. „Dies ist nur ein Viertel der Kosten, die für die Erstversorgung der Menschen derzeit im Jahr anfallen“, sagte Woidke, der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Die Verstärkung der Bundespolizei um 2000 zusätzliche Stellen wird Woidke zufolgfrühestens in drei Jahren Früchte tragen, da die Beamten erst ausgebildet werden müssten.

Woidke fordert vom Bund mehr Unterstützung

Aus seiner Sicht muss der Bund seinen Beitrag verdoppeln und mindestens die Hälfte der Kosten von Ländern und Kommunen übernehmen. Neben der Grundversorgung der Flüchtlinge müssten die Maßnahmen zur Integration der Menschen verbessert werden. Dies betreffe besonders den Sprachunterricht und eine schnelle Eingliederung in den Arbeitsmarkt. „An der Integration wird sich entscheiden, ob wir diese Situation als Chance nutzen können“, mahnte Woidke. Er sagte, Bund und Länder müssten sich damit befassen, „dass das, was 2015 passiert, im nächsten Jahr nicht aufhören wird“.

Nach Angaben des Bildungsministeriums wurden wegen des starken Zuzugs in diesem Schuljahr 124 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. Diese Zahl könne je nach Situation aber noch steigen, sagte Sprecher Florian Engels. Das Ministerium rechnet damit, dass rund 3000 Kinder aus Flüchtlingsfamilien in Brandenburg zur Schule müssen, hauptsächlich in den Grundschulen.

Die CDU-Opposition im Landtag begrüßte die Beschlüsse der Berliner Regierungskoalition als „wichtige Weichenstellung in der Asylpolitik“, etwa eine weitgehende Umstellung von Geld- auf Sachleistungen während der Asylverfahren, strikte Regeln für die Rückführung und die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer. Jetzt müsse die Landesregierung ihre Blockadehaltung im Bundesrat aufgeben. (dpa)

Anna Ringle, Klaus Peters, Johannes Süßmann

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