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Flüchtlinge in Brandenburg: Die Spur der Schleuser

Weder die Bundespolizei noch das brandenburgische Innenministerium haben Informationen, wo sich die 48 verschwundenen Flüchtlinge aufhalten. Dafür mehren sich die Hinweise auf neue Schlepper-Routen in Brandenburg.

Von Sandra Dassler

Eisenhüttenstadt/Potsdam - Vier Dutzend vermutlich aus dem Irak stammende Asylsuchende bleiben vorerst verschwunden. Weder die Bundespolizei noch das brandenburgische Innenministerium haben Informationen, wo sich die Flüchtlinge aufhalten, die wie berichtet am Wochenende in einem Lkw an der Anschlussstelle Müllrose der A12 entdeckt wurden. Insgesamt 51 Menschen, darunter 17 Kinder und 14 Frauen, wurden durch die Bundespolizei aus dem Laderaum befreit. Dort hatten sie mindestens anderthalb Tage unter beengten, unhygienischen und vor allem unsicheren Verhältnissen ausharren müssen.

Während der Fahrer und einer der im Lkw befindlichen Männer als mutmaßliche Schleuser verhaftet wurden, hatte man die Flüchtlinge gesundheitlich versorgt und dann in die Erstaufnahmestelle des Landes nach Eisenhüttenstadt gebracht. Dort waren aber – bis auf einen Mann und einen Jungen – schon am Sonntag alle wieder verschwunden. Einige sollen in Autos mit Bielefelder Kennzeichen eingestiegen sein, dort hat sich bisher aber kein Flüchtling gemeldet. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Menschen bei Verwandten untergekommen seien, sagte ein Sprecher des Flüchtlingsrates.

„Der Vorfall zeigt einmal mehr die Skrupellosigkeit der Schleuser"

Im brandenburgischen Innenministerium weist man darauf hin, dass es keine rechtliche Handhabe gebe, die Asylsuchenden in der Erstaufnahme festzuhalten. Zwar hätten sich die Erwachsenen der illegalen Einreise schuldig gemacht, deshalb könne man sie aber nicht einsperren. Man nehme an, dass sie sich bei anderen Ausländerbehörden melden würden. Sollte das nicht der Fall sein, werde man sie in einer Woche zwecks Aufenthaltsermittlung zur Fahndung ausschreiben.

Während in den sozialen Netzwerken teilweise hämische Kommentare über die „undankbaren Flüchtlinge“ kursieren, fordert der Europareferent der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, mehr Verständnis – wegen der Zustände auf dem Balkan. Außerdem seien die Männer, Frauen und Kinder wahrscheinlich traumatisiert gewesen. „Der Vorfall zeigt einmal mehr die Skrupellosigkeit der Schleuser. Da die Balkanroute so gut wie dicht ist, nutzen sie jetzt wohl die nicht weniger gefährliche Schwarzmeerroute.“

Bundespolizisten sehen Hinweise auf eine Routenverlagerung

Doch dafür gibt es keine gesicherten Belege, heißt es bei der Bundespolizei. Von Januar bis August 2017 wurden an der deutsch-tschechischen Grenze rund 2600, an der deutsch-polnischen Grenze rund 1400 unerlaubte Einreisen festgestellt. Ein signifikanter Anstieg sei nicht zu beobachten. Bislang lägen hier keine Erkenntnisse zu einer Routenverlagerung vor. Die Bundespolizisten vor Ort sehen das anders. Sie befürchten sehr wohl einen Trend zu mehr Schleusungen – vor allem in größeren Autos. Während früher Flüchtlinge in Personen- oder Lieferautos geschleust wurden, habe man in den vergangenen Wochen drei Mal größere Menschengruppen aufgegriffen: in Müllrose, in Frankfurt (Oder) und im sächsischen Bad Muskau. In allen Fällen gaben die Geflüchteten an, in Lkw an beziehungsweise über die Grenze gebracht worden zu sein.

„Natürlich wird die Dunkelziffer der Schleusungen aus Polen und Tschechien viel höher sein“, sagt Ernst Walter, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft: „Schon, weil wir viel zu wenig Beamte haben, die Personallage ist mehr als angespannt. Wir können nicht viel kontrollieren. Auch deshalb ist es ein Glück, dass unsere Kollegen die Menschen aus diesem Lkw befreien – und ihnen vielleicht sogar das Leben retten konnten.“

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