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Tausendsassa. Wilfried Bergholz ist Journalist, Kinderpsychologe, Schriftsteller, Künstler und Hobbypilot.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Fliegen mit Willi

Wilfried Bergholz wohnt in einem „Flugzeug“ – und das mitten in der Uckermark

Angermünde - Dass Wilfried Bergholz gern in die Luft geht, liegt auf der Hand. In seiner zweiten Heimat, der Uckermark, düst der Berliner gern mit seinem 30 Jahre alten, knallroten Ultraleichtflieger umher und fotografiert den Landstrich von oben. Seine Aufnahmen sind in der Region populär, in Form von Kalendern und Büchern. Wenn er nicht gerade fliegt, wohnt der 63-Jährige, den alle nur Willi nennen, am Rande von Gellmersdorf (Uckermark) in einem 34 Meter langen Gebäude, das auf den ersten Blick wie ein Flugzeug aussieht.

„Ich wollte dem deutschen Flugzeug 152 ein Denkmal setzen“, erzählt der gebürtige Greifswalder. Die fragenden Blicke seiner Gäste ist der dreifache Vater schon gewohnt. Denn kaum jemand kennt das erste deutsche Düsenflugzeug für Passagiere, von dem ab 1958 nur zwölf Maschinen in Dresden gebaut worden waren, bevor die Produktion aus Kostengründen wieder eingestellt wurde. „Ich habe mit 14 Jahren mit dem Segelflug begonnen und mich für alles rund ums Fliegen interessiert, so auch für diese ingenieurtechnische Meisterleistung und Legende“, erzählt Bergholz. Wer mehr dazu wissen möchte, kann durch die kleine Ausstellung im Inneren des Gellmersdorfer „Flugzeuges“ gehen.

Ab 2010 hatten Bergholz und der Flugsportverein Crussow ihr Flugsportinformationszentrum aus einem ehemaligen Schweinestall gezaubert. „Es war seine Idee und er hat das durchgezogen“, sagt Wolfgang Hesse vom Flugsportverein anerkennend, der Bergholz als ausgesprochenen „Gutmenschen“ charakterisiert. Der Verein hat in dem Bauwerk seinen Sitz, Willi lebt hier, wenn er in der Uckermark ist. Im Ausstellungsraum stehen ein paar Stuhlreihen vor einem riesigen Flachbildfernseher. „Der Gellmersdorfer Dorfverein macht hier auch Veranstaltungen“, sagt Bergholz.

Als er Mitte der 1980er-Jahre erstmals in der Uckermark auftauchte, ging er auf die Nachbarn zu, half bei der Ernte, mistete aus und war so ganz schnell nicht mehr der Zugereiste. Jedes einzelne Gehöft in dem 120-Seelen-Ort hat er inzwischen von oben fotografiert und die Bilder den Bewohnern geschenkt. „Ich wollte schon immer andere an meiner Vogelperspektive teilhaben lassen“, begründet Bergholz, warum er mit dem Fotografieren aus der Luft begann. Den Steuerknüppel hält er auf seinem Fluggerät mit den Knien fest, die Blende an der Kamera wird nachjustiert und los geht es. Allerdings gelingen die Luftbildaufnahmen nur bei strahlend blauem Himmel. „Wolken werfen Schatten“, sagt er.

Endlose Buchenwälder, herrliche Seen, sanfte Hügel – die Uckermark sei so vielfältig und eine der schönsten Landschaften Deutschlands, sagt der 63-Jährige überzeugt. „Selbst im Urlaub fahren wir nirgends woanders hin.“ Seine Aufnahmen seien wunderschön, Willi habe einfach einen Blick für die Natur, sagt Beate Blahy vom Biospärenreservat Schorfheide-Chorin begeistert. „Von oben hat er auch eine ganz andere Sicht auf die sich vermehrenden Windräder und kämpft gegen die Vergrößerung dieser Bereiche“, sagt sie.

Ursprünglich hatte sich Bergholz ebenso wie andere Künstler aus dem Ostteil Berlins im Oderbruch ansiedeln wollen. „Wegen der Kinder wollte jeder raus aus der Großstadt. Ich habe dort aber nichts Passendes gefunden“, bekennt der Mann mit dem wirren Haarschopf. Damals arbeitete er als Journalist, schrieb seine ersten Kurzgeschichten, Kinderbücher und die Texte für das Kindermusiktheater von „Ulf und Zwulf“. Ein Freund nahm ihn mit nach Gellmersdorf, zusammen bauten sie sich eine frühere Kita zum Doppel-Wohnhaus aus.

Dort begann er, in seinem studierten Beruf als Kinderpsychologe zu arbeiten. „Zwölf Jahre lang habe ich mich um verhaltensauffällige Mädchen und Jungen gekümmert, einige lebten mit auf unserem Hof, wuchsen zusammen mit meinen Kindern in Gellmersdorf auf“, erzählt Bergholz, der stolz darauf ist, zu den meisten noch heute Kontakt zu haben. Inzwischen ist er mit der Familie zurück nach Berlin gegangen, hat wieder mit dem Schreiben begonnen. Doch so ganz kann „Willi, der Dichter“ oder „Willi, der Flieger“, wie er von den Nachbarn genannt wird, nicht von seiner zweiten Heimat lassen. „Als der 1992 mit seiner knallroten Maschine erstmals hier landete, war das ein großes Ereignis“, erinnert sich Annegret Frick, Frau des Gellmersdorfer Ortsvorstehers.

Inzwischen erkennen die Nachbarn den Flieger schon am Brummen. „Der Willi ist wieder in der Luft“, heißt es dann über den 63-Jährigen, der aus Sicht von Frick „schon ein bisschen verrückt“ ist. Bergholz sei halt ein typischer Künstler, etwas eigen, aber durchaus bodenständig, ergänzt Hesse. „Wir als Verein haben immerhin den einzigen Flugplatz in der Uckermark gebaut“, betont Bergholz. Stolz sind Hesse und er auf die Flugzeug-Illusion der Maschine 152, eines der beliebtesten Foto-Objekte rings um Angermünde. (dpa)

Jeanette Bederke

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