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Blick auf das Terminal mit dem Vorfeld vom Flughafen Berlin Brandenburg Airport "Willy Brandt" (BER). Die Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER ist am 31.10.2020 geplant.

© Patrick Pleul/dpa

Finanzen im Sturzflug: Defizite beim BER höher als bisher bekannt

Der Haupstadtflughafen BER in Schönefeld braucht finanzielle Unterstützung. Viel mehr Geld als zunächst gedacht ist nötig – jährlich.

Schönefeld - Es läuft auf einen Dauerauftrag für den BER hinaus. Das Berliner Abgeordnetenhaus, Brandenburgs Landtag und der Bundestag müssen sich darauf einstellen, dem neuen Hauptstadt-Flughafen nach dem Start mindestens bis 2027 Jahr für Jahr Hunderte Millionen Euro zu überweisen.

Auch nach der Inbetriebnahme des BER, nun am 31. Oktober 2020 nach vierzehnjähriger Bauzeit mitten in der Corona-Pandemie, wird sich die Finanzkrise der hochdefizitären Flughafengesellschaft dramatischer verschärfen als bisher bekannt. Das geht nach Informationen dieser Zeitung aus dem mit Spannung erwarteten FBB-Wirtschaftsplan für 2021 hervor, den die von Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup geführte Geschäftsführung jetzt vorgelegt hat.

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Die Kalkulationen, die vom Corona-Einbruch im Luftverkehr geprägt sind, werden am Freitag im zwanzigköpfigen Aufsichtsrat beraten. Es ist die letzte Sitzung der BER-Kontrolleure vor der Eröffnung des Airports. Die Flughafengesellschaft, die 2020 bereits rund 300 Millionen Euro „Corona-Hilfe“ aus den drei Haushalten erhält, rechnet damit, dass nächstes Jahr Hilfen von Berlin, Brandenburg und dem Bund in Höhe von 540 Millionen Euro nötig werden. Das sind 126 Millionen Euro mehr als der Gesamtumsatz, den das Unternehmen 2019 machte, im Jahr vor der Corona-Krise. Um Probleme mit der EU zu vermeiden, soll das Geld als Eignerdarlehen ausgereicht werden, was wiederum die Bilanzprobleme der FBB erhöht. Die Lage ist so ernst, dass das Unternehmen wohl noch sieben Jahre auf finanzielle Hilfen der öffentlichen Hand angewiesen sein wird.

Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup.
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup.

© Annegret Hilse/RTR-Pool/dpa

Zwar war die FBB schon vor der Corona-Krise ein Sanierungsfall, infolge des Schuldendienstes für die BER-Milliardenkredite. Damals gingen Management, Aufsichtsrat und die Finanzverwaltungen Berlins, Brandenburgs und des Bundes davon aus, dass die FBB 2025 die Gewinnschwelle erreicht, der BER die Firma konsolidiert. Doch infolge der Kreditbelastungen und des Einbruchs im Luftverkehr droht dem Unternehmen nun die Gefahr eines wachsenden Insolvenzrisikos, wenn keine strukturelle Lösung gefunden wird. Noch ist es eine Abwärtsspirale. 

Unter dem Niveau anderer Flughäfen

Nach PNN-Informationen ergibt sich aus dem FBB-Wirtschaftsplan für 2021, dass das Eigenkapital der Flughafengesellschaft nach dem ersten vollen Betriebsjahr des neuen Airports – infolge der Konzernverluste 2020 und 2021, für die die FBB bislang allein die Corona-Krise verantwortlich macht – am 31.12.2021 wahrscheinlich nur noch 393 Millionen Euro betragen würde. In der Konzernbilanz für 2019, die dieses Jahr veröffentlicht wurde, waren es noch 1,196 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote, Gradmesser für die Bonität und Kreditwürdigkeit, wird damit 2021 auf unter zehn Prozent sinken – nach den Kalkulationen auf sieben Prozent. Zum Vergleich: Die Eigenkapitalquote lag 2019 noch bei 20 Prozent. Und schon das war nach einem internen FBB-Vergleich bereits deutlich unter dem Niveau großer deutscher und europäischer Flughäfen. Schon damals war klar, dass die FBB – und selbst das erst nach BER-Start beim damaligen Rekordwachstum an Passagieren – auf dem freien Kapitalmarkt allenfalls noch 400 Millionen Euro Kredite bekommen hätte, aber in den Kassen bis 2024 rund eine Milliarde Euro fehlen wird.

75 Prozent weniger Fluggäste

Und dann kam die Corona–Pandemie samt Lockdown, mit dem im April und Mai auch in Berlin der Flugverkehr vollständig zum Erliegen gekommen war. 2019, dem Rekordjahr vorher, waren 35,6 Millionen Passagiere in den Altflughäfen Tegel (TXL) und Schönefeld (SXF) abgefertigt worden. „Die Geschäftsführung der FBB rechnet zur Eröffnung mit einem Passagieraufkommen in der Höhe von rund 25 Prozent gegenüber dem Jahr 2019“, heißt es nun in einem aktuellen Bericht des Bundesverkehrsministeriums für den Verkehrsausschuss des Bundestages. „Für das Jahr 2021 geht die FBB in ihrem Management Case von einer Steigerung des Flugverkehrs auf 50 Prozent gegenüber 2019 aus, jedoch ist diese Plangröße mit großer Unsicherheit verbunden.“

Die Zahlen liegen dem Wirtschaftsplan 2021 zu Grunde, den der Aufsichtsrat billigen soll, und sie sind mit den Finanzverwaltungen Berlins, Brandenburgs und des Bundes abgestimmt. Um nächstes Jahr über die Runden zu kommen, benötigt die FBB demnach Gesellschaftermittel von 540 Millionen Euro, die in den Haushalten eingeplant werden. Im vorsorglich durchgerechneten „Bad Case“, dass der Luftverkehr weiter auf dem 30-Prozent-Niveau stagniert, bräuchte die FBB sogar 660 Millionen Euro – in einem Jahr. Entwarnung ist nicht in Sicht. „Auch für die Jahre ab 2022 sind weiterhin Covid-19 bedingte Erlösausfälle gegenüber dem ursprünglichen  Businessplan 2020 zu erwarten, die einen zusätzlichen Finanzbedarf begründen“, heißt es im Bericht des Bundesverkehrsministeriums. „Eine Rückkehr zum Passagieraufkommen von 2019 werde branchenüblich zwischen 2023 und 2027 erwartet.“ Und erst dann kann die FBB, die mit dem BER ihre Einnahmen verdoppeln wollte, wieder Umsätze von 416 Millionen Euro anpeilen.

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