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Feuerwerk: Kein Verkaufskracher

Die gefährlichen Feuerwerksbatterien werden offenbar nur wenig gefragt. Riskant sind auch Polen-Böller, es gab bereits Opfer.

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Berlin/Potsdam - In Potsdam hat das diesjährige Silvesterfeuerwerk bereits Weihnachten zum ersten Unfall mit schweren Verletzungen geführt: Einem 21-Jährigen riss ein selbst gebastelter Böller die Hand ab, sie musste amputiert werden. Und am Freitag verlor der erste Berliner beim Experimentieren mit sogenannten Polen-Böllern einen Finger: Der 18-Jährige hatte in seiner Wohnung in der Friedrichsfelder Rhinstraße eine Detonation verursacht, bei der auch seine 19-jährige Lebensgefährtin und ihr einjähriges Kind verletzt wurden. Die beiden befanden sich in der Wohnung, erlitten ein Knalltrauma und mussten ambulant behandelt werden. Die drei jungen Menschen werden nicht die letzten Opfer der Spreng-, Schieß- und Knallorgien sein, befürchten Feuerwehrleute, Polizisten und Ärzte. Denn zu den ohnehin schon gefährlichen illegalen Böllern aus Polen oder China gesellen sich erstmals legale Produkte, die von Experten bei falscher Handhabung als sehr gefährlich eingestuft werden. Wie berichtet handelt es sich um sogenannte Batterien, die statt der bisher erlaubten 200 Gramm nun 500 Gramm Schwarzpulver enthalten, vor allem aber auch schräg im 30-Grad-Winkel abfeuern. Wer sich das nicht so recht vorstellen kann, für den hat die Berliner Feuerwehr auf ihre Homepage ein Demonstrationsvideo gestellt. Das macht zumindest zwei Dinge klar: Wer in der Silvesternacht seine Türen und Fenster nicht schließt, lebt gefährlich. Und: Bei der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM), die für die Zulassung der Batterien zuständig war, müssen ziemlich weltfremde Menschen sitzen. Die nämlich gehen – wie eine BAM-Sprecherin am Freitag sagte – davon aus, dass alle die Bedienungsanleitung lesen und sich daran halten. Das beginnt schon beim Mindestabstand von acht Metern. Wobei die Feuerwehr zu 20 Metern rät, um sicher zu sein. Hinzu kommt die – laut Bedienungsanleitung eigentlich nur für Pyrotechniker gedachte Möglichkeit – der Kombination von bis zu vier 500-Gramm-Batterien. Die Nachfrage nach den Batterien blieb aber seit Verkaufsbeginn am Donnerstag bislang gering. So wurden im temporären Geschäft „Feuerwerks-Vitrine“ an der Potsdamer Straße in Schöneberg nur rund ein Dutzend und in einem provisorischen Containerladen am S-Bahnhof Osdorfer Straße in Lichterfelde etwa 40 der größten Feuerwerksbatterien verkauft; die Preise dafür lagen zwischen 30 und 40 Euro. Viele Kunden sahen es anscheinend so wie zwei junge Männer in Lichterfelde, die „lieber mehr kleinere Raketen für den ganzen Abend“ kauften. Die Händler zeigten sich insgesamt zufrieden. Das sei kein Wunder, sagt Günter Päts vom Handelsverband Berlin-Brandenburg: „Der Verkauf von Silvesterfeuerwerk ist ein lukratives, weil völlig risikofreies Geschäft: Die Margen sind hoch, man hat keine langen Bevorratungszeiten und was man nicht verkaufen kann, muss zurückgenommen werden.“ Gerade in Berlin gibt es kleinere Läden, die mit dem Silvesterverkauf ein Drittel ihres Jahresumsatzes erzielen – und ohne Feuerwerk gar nicht existieren könnten. Auch Händler, die nur für die drei Verkaufstage Räume anmieten, verdienen offenbar gut. Obwohl ihre Zahl angesichts des inzwischen reichlichen Angebots bei den Warenhausketten und Discountern immer weniger wird. „Wir hatten dieses Jahr definitiv nicht so viele Neuanmeldungen solcher Händler beim Gewerbeamt wie in den Jahren zuvor“, sagt Charlottenburgs Stadtrat für Stadtentwicklung und Ordnungsangelegenheiten, Marc Schulte (SPD). Ein schlechtes Gewissen haben die Händler nicht, sagt Günter Päts: „Wir verkaufen ja nur legales, also zugelassenes Feuerwerk. Wenn das ordnungsgemäß gehandhabt wird, kann nichts passieren.“ Die Realität sieht leider anders aus, weiß Henrik Schierz, Leiter der Notfallmedizin bei Vivantes aus Erfahrung: „Ich denken da nur an einen 19-jährigen Gymnasiasten, der nach einer Rakete griff, die nicht gezündet hatte. Das tat sie dann in seinen Armen.“ Die Jacke brannte, der Oberkörper, das Gesicht – der junge Mann war für immer entstellt.

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