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Wo sind sie? Jedes Jahr werden in Deutschland – wie hier in Baden-Württemberg – von der Polizei zahlreiche Waffen beschlagnahmt. Was später aus ihnen wird, scheint zumindest in Brandenburg nicht immer nachvollziehbar.

© Uwe Anspach/dpa

Fehler der Polizei: Waffen verschwunden

Bei der Brandenburger Polizei sind von 2005 bis 2013 zahlreiche genehmigungspflichtige Waffen verschwunden – und deren Verbleib musste nachträglich mühsam kaschiert werden.

Potsdam - Für vier Waffen – eine Vogelflinte, einen Revolver, ein Kleinkalibergewehr und eine Kleinkaliberpistole – konnte nie geklärt werden, was damit passiert ist. Das belegen interne Unterlagen, die dieser Zeitung vorliegen.

Der Zentraldienst der Polizei, kurz ZDPol, sollte 2013 im Auftrag der Staatsanwaltschaft Neuruppin den Verbleib von Waffen prüfen, die in den Vorjahren von der Potsdamer Polizei beschlagnahmt worden waren. Damals war intern von Bezügen zum NSU-Terrortrio die Rede, ebenso von einem Polizisten, der mit den Waffen gehandelt haben soll.

Erhebliche Lücken

Der Zentraldienst stieß bei Stichproben auf erhebliche Lücken, es kam es zur kompletten Revision. Das Ergebnis: Für 1550 Waffen, darunter Messer und Schreckschusspistolen, war in Akten und Datenbanken der Verbleib nicht vermerkt. Darunter waren 219 erlaubnispflichtige Waffen.

Der ZDPol ist Dienstleister der Polizei, er verwahrt und zerstört auch beschlagnahmte Waffen. Dafür müssen zuvor die Waffen samt Marke und Registriernummer genau erfasst werden, gerade bei Pistolen und Gewehren, für die eine Waffenbesitzkarte nötig ist. Doch diese Angaben waren teils schon unvollständig, als die Polizei die Waffen an den Zentraldienst übergab: Scharfe, geladene Waffen waren als Spielzeug deklariert – und andersrum.

Verbleib der Waffen hätte geklärt werden können

Bei der Suche nach den Waffen im Sommer 2013 fand eine interne Untersuchungsgruppe zerrissene Waffenprotokolle, falsche Datensätze, „massive Probleme“ und „erheblich Defizite“ in der Dokumentation. Beteiligte berichten, dass versucht wurde, die Nachweise nachträglich zu erbringen. In internen Vermerken heißt es zwar, fehlerhafte Akten hätten binnen zwei Wochen rekonstruiert, Lücken in Datenbanken ergänzt oder berichtigt werden können, weshalb der Verbleib der meisten Waffen hätte geklärt werden können.

Doch tatsächlich sollen diese Waffen nachträglich einfach früheren Aktionen zur Vernichtung zugeschrieben worden sein. In einem Abschlussvermerk von September 2013 heißt es: „So wurden teilweise Kisten bei der Übergabe, abweichend von den Packlisten, überbeladen oder es fehlten Waffen.“ Intern wurde daher bezweifelt, ob für 219 erlaubnispflichtige Waffen überhaupt der Verbleib rekonstruiert werden könne – weil es „keine Papierbelege“ gab. Der Verdacht: Nachträglich könnte der Verbleib der Waffen einfach erfunden worden sein.

Arbeitsüberlastung und emotionale Gleichgültigkeit

Bei den am Ende der Prüfung festgestellten vier Waffen, die 2009 und 2010 in der Uckermark und Märkisch-Oderland beschlagnahmt worden waren, hieß es, sie seien unauffindbar. Sie könnten „nicht korrekt einem Verwertungsnachweis zugeordnet werden“. Es sei anhand der Akten und Aussagen der Mitarbeiter nur zu vermuten, dass sie vernichtet wurden, aber der Nachweis dafür fehle. Auch Gründe für das Chaos wurden benannt: Es gab keine Dokumentationsordnung. Wegen Amnestieregeln für illegale Waffen gab es mehr zu tun und daher Arbeitsüberlastung. Notiert wurde „emotionale Gleichgültigkeit“ der Mitarbeiter, weshalb der „Ernst der Lage verkannt wurde“.

Mit dem Fall befasst war auch der Beschaffungschef beim Zentraldienst. Nach der Prüfung hat er angewiesen, „dass nicht die Suche nach Schuldigen“ und „keine Befragung“ der zuständigen Mitarbeiter zu den vier verschwundenen Waffen „vorgesehen ist“. Gegen den bislang für den Kauf von Ausrüstung zuständigen Mann ermittelt die Staatsanwaltschaft inzwischen wegen Bestechlichkeit. Er soll seit 2012 im Gegenzug für die Beschaffung einzelner Fahrzeuge für die Behörde Rabatte bei Privatfahrzeugen von einem Potsdamer Lieferanten bekommen haben. Wenige Tage nach der Razzia in dem Büro des Beschaffers Mitte März wurde der seit 2012 amtierende Behördendirektor, 2013 auch mit den Waffen befasst, als Abteilungsleiter ins Innenministerium befördert.

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