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Der Brandenburger Linken-Abgeordnete Peer Jürgens steht unter Betrugsverdacht.

© promo

Fahrtkosten-Affäre: Anklage gegen Linke-Politiker

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat Anklage gegen den Ex-Landtagsabgeordneten Peer Jürgens erhoben. Der Vorwurf lautet auf Betrug bei der Abrechnung der Fahrtkostenpauschale. Der Schaden soll sich auf 87 000 Euro belaufen.

Potsdam - Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat Anklage gegen den früheren Landtagsabgeordneten Peer Jürgens (Linke) erhoben. Erneut geht es um eine Fahrtkosten-Affäre. Die Staatsanwaltschaft wirft Jürgens nach PNN-Informationen Betrug bei der Fahrtkostenpauschale des Landtags vor. Der 35-Jährige soll den Landtag über seinen tatsächlichen Wohnsitz getäuscht und damit überhöhte Fahrtkostenpauschalen und Zuschüsse für eine Zweitwohnung erschlichen haben. In der Anklageschrift wird der Schaden nach PNN-Recherche auf 87 000 Euro beziffert – aus Steuergeldern. Zu Beginn der Ermittlungen waren die Ermittler noch von 24 000 Euro ausgegangen.

Die Tatzeit soll sich über zehn Jahre erstrecken. Bereits seit 2004, als er erstmals ein Landtagsmandat errang, und bis ins Jahr 2014, soll Jürgens bei der Abrechnung der Fahrtkosten die Parlamentsverwaltung getäuscht haben. Er soll, statt in Erkner und dann in Beeskow, hauptsächlich in Potsdam gewohnt haben. Sollte Jürgens Hauptwohnsitz de facto stets Potsdam gewesen sein, hätte er auch nicht im Landkreis Oder-Spree zur Kreistagswahl antreten und nicht Abgeordneter im Kreistag sein dürfen, wo er eine monatliche Aufwandsentschädigung von 250 Euro und Sitzungsgelder kassierte. Daher geht es in dem Verfahren nun auch um Wahlbetrug.

Das Amtsgericht muss über die Prozesseröffnung entscheiden

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte die Ermittlungen gegen Jürgens im Sommer 2014, wenige Monate vor der Landtagswahl, aufgenommen, bei der er nicht erneut ein Mandat erringen konnte. Er bekam aber einen Job als wissenschaftlicher Referent in der Landtagsfraktion der Linken. Zudem ist er weiter Kreischef der Linken in Oder-Spree. Am Wochenende will er sich beim Landesparteitag der Linken in Potsdam erneut um einen Sitz im Bundesausschuss seiner Partei bewerben.

Derzeit liegt die Anklage der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Potsdam. Dort muss jetzt aber noch über die Zulassung der Hauptverhandlung entschieden werden. Darauf verwies auch Jürgens und wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Auslöser für das Verfahren war eine anonyme Anzeige gegen Jürgens.

Ermittlungen auch gegen Büroleiter von Sozialministerin Golze

Brandenburgs Landtagsabgeordnete konnten mit der nach der Landtagswahl 2014 abgeschafften Regelung ihre Fahrtkosten zum Hauptwohnsitz bei der Parlamentsverwaltung pauschal abrechnen. Bei einem Wohnsitz in Potsdam gab es eine Monatspauschale von 169 Euro, je 30 Kilometer Entfernung vom Landtagssitz kommen je 169 Euro hinzu.

Jürgens ist nicht der erste Landespolitiker, der wegen Fahrtkosten ins Visier der Strafjustiz geriet: Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt auch gegen Torsten Krause, bis zur Landtagswahl im Herbst 2014 Abgeordneter der Linken und seit November Büroleiter bei Sozialministerin Diana Golze (Linke). Krause wird beschuldigt, in den Jahren 2005 bis 2012 bei der Landtagsverwaltung nicht seinen tatsächlichen Wohnort angegeben zu haben. Statt an seiner offiziellen Meldeadresse im uckermärkischen Lychen soll Krause vor allem in Potsdam gelebt haben. Dadurch soll er sich über die Jahre eine Fahrtkostenpauschale vom Landtag erschlichen haben. Bislang ging es in den Ermittlungen um 70 000 Euro aus Steuergeldern. Die Landtagsverwaltung erwägt, nach Abschluss der Verfahren die Pauschalen zurückzufordern.

Verfahren gegen CDU-Politiker Eichelbaum gegen Geldzahlung eingestellt

Gegen den CDU-Landtagsabgeordneten Danny Eichelbaum waren die Betrugs-Ermittlungen Anfang 2014 gegen Zahlung einer Geldauflage von 20 000 Euro eingestellt worden. Eichelbaum soll mit falschen Angaben zu seinem Hauptwohnsitz überhöhte Fahrtkostenpauschalen des Landtags in Höhe von 20 305 Euro in Anspruch genommen haben – er gab Jüterbog als Hauptwohnsitz an, wohnte aber in Potsdam. Eichelbaum zahlte neben der Geldauflage auch den Schaden an den Landtag zurück – insgesamt also 40 000 Euro.

Bei dem Verfahren war Eichelbaum zugutegehalten worden, dass es damals im Landtag keine Kontrollen zur Angabe der Wohnsitze von Abgeordneten gab und die Praxis lax war. Die wurde mit dem neuen Abgeordnetengesetz verschärft. Nun müssen die Parlamentarier jede Fahrt einzeln aufzeichnen und abrechnen.

Weitere Verfahren gegen Rupprecht, Kosanke, Mächtig

Gegen Brandenburger Landespolitiker hat es in den vergangenen Jahren mehrfach Strafverfahren gegeben. Gegen SPD-Landtagsabgeordneten Holger Rupprecht, der Anfang 2011 als Minister wegen einer Dienstwagenaffäre zurückgetreten war, wurde das Verfahren wegen Vorteilsannahme gegen Zahlung von 12 000 Euro eingestellt. Erst im August zahlte Rupprecht noch einmal eine Geldauflage von 5000 Euro für die Einstellung eines anderen Strafverfahrens. Die Staatsanwaltschaft hatte Rupprecht vorgeworfen, als langjähriger Präsident des Handballvereins VfL Potsdam Sozialversicherungsbeiträge für Spieler und Vereinsmitarbeiter vorenthalten zu haben.

Gegen den SPD-Landtagsabgeordneten Sören Kosanke, gegen den wegen Verdachts des Wahlbetrugs bei der Kommunalwahl 2008 ermittelt wurde, war das Verfahren 2013 gegen eine Auflage von 3000 Euro eingestellt worden. Und erst Anfang 2015 zahlte die Linke-Landtagsabgeordnete Margitta Mächtig in einem Prozess um Fahrerflucht 2000 Euro.

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