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Brandenburg: Fahrstuhlfahrt für Schiffe

Das neue Hebewerk in Niederfinow nimmt Gestalt an. 400 000 Kubikmeter Erde müssen für den imposanten Bau bewegt werden

Eberswalde - Nur einen Steinwurf entfernt ist die Zukunft übermächtig zu sehen: das neue Schiffshebewerk in Niederfinow (Barnim), ein Bauwerk mit riesigen Ausmaßen, nimmt immer mehr Gestalt an – direkt neben der traditionellen Anlage. „Rund 300 Millionen Euro werden in das Projekt durch den Bund investiert“, sagt Klaus Winter, Bauleiter Neues Schiffshebewerk bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

65 000 Kubikmeter Beton und Stahlbeton und 8900 Tonnen Bewehrungsstahl werden verbaut. 400 000 Kubikmeter Erde müssen bewegt werden. 2008 begannen die Arbeiten. Im kommenden Sommer soll die Anlage – 55 Meter hoch, 46 Meter breit und 135 Meter lang – an den Start gehen. Erstmals bewegt sich dann der Trog, in dem die Schiffe wie in einer gigantischen Badewanne rauf oder runter schweben.

Noch weitere fünf Jahre werden das alte und das neue Bauwerk dann nebeneinander arbeiten. „Die einzigartige neue Maschine wird sich dann einspielen“, sagt Winter. Als technisches Denkmal bleibt das alte Werk aber weiter erhalten. Bereits jetzt steigen 250 000 Besucher im Jahr die Treppen hoch bis zu dem Aussichtspunkt. Dort kann die Fahrstuhlfahrt der Schiffe live erlebt werden.

Der 134 Kilometer lange Havel-Oder-Kanal verbindet mit dem Schiffshebewerk beide Flüsse. 36 Meter macht der Höhenunterschied samt Gefälle bei Niederfinow aus. „Ganz einfach gesagt: die Havel liegt unten, die Oder oben. Das Schiff muss von unten nach oben kommen oder umgekehrt“, sagt Winter. Einst wurde eine Schleuse an der Stelle dafür genutzt, 1934 kam dann das Schiffshebewerk.

Ein weiteres gibt es in Scharnebeck bei Lüneburg, 1974 gebaut. Es verbindet die Elbe mit dem Mittellandkanal. Das Schiffshebewerk in Henrichenburg vom Ende des 19. Jahrhunderts am Dortmund-Ems-Kanal ist seit 40 Jahren stillgelegt und heute Museum. An der Elbe bei Magdeburg arbeitet eines in Rothensee.

Schiffshebewerke funktionieren nach zwei Prinzipien. Das Schiff schwimmt in den Trog und verdrängt durch sein Gewicht Wasser. Dann geht alles schwimmend nach oben, gezogen von Gegengewichten mit einem Gesamtgewicht von fast 10 000 Tonnen. Sie werden senkrecht von fast armdicken Seilen bewegt. „Das Ganze läuft wie eine normale Seilwinde“, sagt Winter. Wenn der Trog zu voll laufe oder Wasser verliere, greife ein spezielles Sicherungssystem. Eine Fahrt dauert in der Regel 20 Minuten.

In einer Schleuse fährt das Boot in die Kammer. Dann wird geflutet oder Wasser herausgelassen – je nachdem, ob es hoch- oder runtergehen soll. Nach Angaben des Leiters des Wasserstraßen-Neubauamtes Berlin, Rolf Dietrich, passieren das alte Schiffshebewerk jährlich 14 000 Wasserfahrzeuge – jeweils ein Drittel Güter-, Fahrgast- und Kabinenschiffe sowie Sportschiffe. Die drei Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter Eberswalde, Berlin und in der Stadt Brandenburg/Havel betreiben für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in Berlin und Brandenburg knapp 1500 Kilometer Wasserstraßen. Dazu gehören das Schiffshebewerk in Niederfinow, 71 Schleusen, 77 Wehre und rund 300 Brückenanlagen. Pro Jahr werden 50 Millionen Euro in Erhalt und bedarfsgerechten Ausbau investiert.

Nach über 80 Jahren Nutzungsdauer musste eine planmäßige Ersatzinvestition für das alte Hebewerk erfolgen. Neben der Materialalterung entsprechen auch die Antriebs- und Steuerungstechnik mit dem Stand der Technik von 1934 nicht mehr heutigen Anforderungen. Im Zuge des Ersatzneubaus werden die Abmessungen der Anlage auf den europäischen Standard der Wasserstraßenklasse Va angepasst, heißt es offiziell.

Bislang ist nur die Passage von Schiffen bis zu einer Länge von maximal 84 Metern und einer Durchfahrtshöhe von vier Metern möglich. Mit der neuen, nun 115 Metern langen „Wanne“ können auch Fahrzeuge mit bis zu 110 Metern Länge und größere Flusskreuzfahrschiffe auf der wichtigen Wasserverbindung von Berlin nach Szczecin über die Havel zur Oder fahren.

Die neue Durchfahrtshöhe von 5,25 Meter gestattet es, dass Containerschiffe künftig bis zu 104 Container in zwei Lagen übereinander transportieren können. Der Vorteil des neuen Schiffsgebewerks liegt auf der Hand: Während das Ladungsaufkommen im Güterverkehr aktuell bei etwa 1,3 Millionen Gütertonnen pro Jahr liegt, ist das neue auf ein Transportvolumen von bis zu 4 Millionen Gütertonnen ausgelegt. (dpa)

Gudrun Janicke

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