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Experten zum Schwangeren-Mord: "Abstechen, verbrennen - das ist sadistisch"

Erst zwei Stiche in den Unterleib, dann bei lebendigem Leib angezündet: Die Tötung der hochschwangeren Frau schockiert in ihrer Brutalität auch Psychologen, Polizeiexperten und Richter.

Von Sandra Dassler

Selbst erfahrene Psychologen sind entsetzt über die schreckliche Tat in Adlershof. „Einer jungen Frau ihr ungeborenes Kind gezielt abzustechen und sie dann noch bei lebendigem Leib zu verbrennen – das ist sadistisch“, sagt Isabella Heuser. Sie ist Psychologin und Psychiaterin und leitet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité am Campus Benjamin Franklin. Auch wenn sie bisher nur wenige Informationen über das Geschehen habe, stehe für sie fest, dass der oder die Täter völlig entmenschlicht sein müssten.

„Dass man hilflose kleine Kinder und schwangere Frauen nicht tötet, sondern schützt, ist eigentlich in unseren Genen verankert“, sagt sie. Gerade dass die Frau ja bereits sichtbar schwanger war, würde die Hemmschwelle bei jedem normalen Menschen noch einmal hinaufsetzen: „Die Täter müssen überhaupt nicht zur Empathie, zum Mitgefühl fähig sein und sind daher vielleicht nicht polizeilich, aber in ihrem familiären oder schulischen und beruflichen Umfeld bestimmt schon einmal auffällig geworden.“

Auch ein Polizeiexperte sagt, er könne sich an eine ähnlich grausame Tat nicht erinnern. „Da muss viel Hass und Verachtung und Verrohung im Spiel gewesen sein. Da geht es um eine bestialische Form der Machtausübung.“ Das vermutet auch Isabella Heuser. Obwohl Polizei und Staatsanwaltschaft sich aus ermittlungstaktischen Gründen bislang nicht zum Motiv der Tat geäußert hätten, spreche alles dafür, dass man es mit einer ungeheuren Selbstüberschätzung der Täter zu tun habe, sagt sie: „Da hatte die Frau selbstbestimmt entschieden, dass sie ihr Kind bekommen wollte – und das hat dem oder den Tätern wohl nicht gepasst. So wurde offenbar beschlossen, dass Mutter und Kind sterben mussten – welch eine Machtanmaßung. Gott sei Dank sind die wenigsten Menschen so böse!“

"Was haben die Täter in Kita, Schule, Vereinen gelernt?"

Stephan Kuperion, Jugendrichter am Amtsgericht Tiergarten, hat schon oft erlebt, dass junge Menschen überfordert sind, wenn sie plötzlich Verantwortung für Kinder übernehmen sollten. „Da geht es oft um Unterhalt, den man nicht zahlen will oder man ist zu faul, sich um einen anderen Menschen zu kümmern“, sagt er. Die meisten würden jedoch mit Gleichgültigkeit reagieren – „so eine grausame Tat ist die absolute Ausnahme“.

„Als ich davon hörte, war ich total entsetzt“, sagt der türkischstämmige Psychologe Kazim Erdogan, der zahlreiche Integrationsprojekte initiiert hat. „Auch wenn es, wie die Polizei sagt, keinen Zusammenhang gibt, bin ich doch auch sehr traurig darüber, dass zumindest einer der mutmaßlichen Täter türkische Wurzeln hat. Aber beide wurden in Berlin geboren, sind hier aufgewachsen – was haben sie gelernt in der Kita, in der Schule, in den Vereinen?“

Kazim Erdogan will die nach der Bluttat von Adlershof entstandenen Fragen in sein neuestes Projekt einbeziehen. Unter dem Motto „Meine Zukunft ist in meinem Kopf“ sollen zunächst einige Neuköllner Schwerpunktschulen Arbeitsgemeinschaften bilden, in denen Jugendliche mit Experten über Themen wie Identität und Selbstwertgefühl reden können, sagt er: „Und darüber, dass niemand – aus welchen Gründen auch immer – das Recht hat, anderen Menschen das Leben zu nehmen.“

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