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Exklusiv: Vermerk entlarvt Brandenburg Justizminister: Markov tritt sich zurück

Ein Vermerk des Finanzministeriums widerlegt die Aussagen des Justizministers zu seiner Dienstwagen-Affäre. Ministerpräsident Woidke schweigt vorerst. Der Druck auf ihn wächst, eine Entscheidung über Markovs Zukunft zu treffen.

Potsdam - Brandenburgs rot-roter Landesregierung droht erneut der Verlust eines Kabinettsmitglieds. Denn die Dienstwagen-Affäre um Justizminister Helmuth Markov (Linke) wird inzwischen zu einer Belastung für Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). In Kreisen der rot-roten Regierungskoalition verdichteten sich am Mittwoch die Signale, dass Markov seinen Hut nehmen muss. Woidke selbst wollte am Mittwoch bei einer Veranstaltung in Frankfurt (Oder) keinen Kommentar abgeben.

Am Vortag hatte Woidke noch umfassende Aufklärung in der Affäre gefordert, die nach einem Auftritt Markovs im Landtag neue Dynamik bekam. Dort hatten Markov, aber auch Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski (Linke) am Dienstagabend die Ausleihe eines Transporters aus dem Landesfuhrpark durch Markov, dessen Rechnung von 435,30 Euro das vom ihm geführte Finanzministerium beglichen hatte, als legal und legitim verteidigt. „Ich habe keine Fehler gemacht“, sagte Markov. Er habe nicht gegen Gesetze verstoßen. Markov argumentiert, dass die Fahrt in seiner privaten Steuererklärung abgegolten worden sei.

Vertritt Woidke dieselbe Rechtsauffassung wie Markov und das Finanzressort?

CDU-Oppositionschef Ingo Senftleben fordert den Rücktritt des Justizministers. Dessen Auftritt sorgte selbst in den rot-roten Reihen für blankes Entsetzen. Nun steht die Frage im Raum, ob Ministerpräsident Woidke und seine Staatskanzlei die Rechtsauffassung von Markov und des Finanzministeriums teilen, dass sich Brandenburgs Minister und Staatssekretäre im Fuhrpark des Landes – neben dem ihnen zustehenden Dienstwagen – auch bei Privatbedarf bedienen dürfen. Ein entsprechender PNN-Fragekatalog an Woidke blieb am Mittwoch unbeantwortet. Die Koalition ist aktuell aber nur eingeschränkt handlungsfähig, da Linke-Parteichef, Finanzminister und Vizeregierungschef Christian Görke, im Urlaub ist. Er wird erst am Wochenende aus der Türkei zurückerwartet.

Nach PNN-Informationen ist der Regierungschef höchst verärgert, vor allem wegen des desaströsen Krisenmanagements und der Unbelehrbarkeit des Ministers. Die Dienstwagenaffäre hatten die PNN Ende vergangener Woche publik gemacht.

Markov zahlt Spende - gesteht aber keine Schuld

Markov selbst war bisher nicht zu dem Eingeständnis fähig, dass die Privatfahrt mit dem Transporter nicht im Einklang mit der Dienstwagenrichtlinie des Landes steht – was auch ein Rechtsgutachten im Auftrag der CDU-Fraktion ergeben hat. Nach der Dienstwagenrichtlinie dürfen Minister allein ihre Dienst-Limousinen auch privat nutzen, aber keinen weiteren Wagen aus dem Fuhrpark des Landes.

Markov selbst ruderte am Mittwoch erstmals zurück, aber nur scheinbar. Das Justizministerium teilte schriftlich mit, dass Markov am Mittwoch 1000 Euro an die Hoffnungstaler Stiftung Lobetal gespendet hat, die sich um Behinderte und Suchtkranke kümmert, Kitas und Jugendhilfeeinrichtungen betreibt sowie Hospizarbeit leistet. Nicht vergessen werden darf dabei – auch im Unterschied zu einer Rückzahlung der Transporterkosten an die Landeskasse – dass Markov die Spende von der Steuer absetzen kann.

Auch das Finanzministerium gerät in Erklärungsnot

Noch am Vortag hatte er eine solche Spende oder eine Rückzahlung der Summe an die Landeskasse im Landtag abgelehnt, obwohl ihm dies selbst Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers nahegelegt hatte. Zur Sache äußerte sich Markov nunmehr so: „Zwar habe ich nicht unrechtmäßig gehandelt, aber ich habe verstanden, dass in der Öffentlichkeit nicht alles, was juristisch legal ist, auch als moralisch legitim angesehen wird.“ Deshalb habe er „keine Überweisung an den Fiskus vorgenommen, weil man mir das dann als Schuldanerkenntnis auslegen würde.“ Nach dieser Darstellung des Justizministers liegt das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung.

In der Affäre gerät auch das von Parteichef Görke geführte Finanzministerium noch weiter in Erklärungsnot – und zwar wegen des Umgangs mit der Affäre und der Krisenkommunikation. Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski, die schon 2010 Amtschefin im Finanzressort unter Markov war, beharrte im Finanzausschuss darauf, dass die private Nutzung eines weiteren Dienstwagens aus dem Landesfuhrpark erlaubt war. Und zwar wegen einer angeblich entscheidenden „Fußnote“ eines Rundschreibens aus dem Bundesfinanzministeriums zur Lohnsteuer bei private Dienstwagen-Touren.

Vermerk des Finanzministeriums belegt: Die Transporter-Tour war nicht erlaubt

Nach einem den PNN vorliegenden Vermerk hat das Finanzministerium aber 2012 selbst noch eine andere Rechtsauffassung vertreten. Der Landesbetrieb BLB, der den Fuhrpark betreut und sich intern gegen Markovs Motorrad-Transport im Jahr 2010 gewehrt hatte, stellte danach einen Katalog mit 37 Fragen an das Finanzministerium, um sich für künftige Anfragen von Markov rückzuversichern.

Die Dienstwagenrichtlinie, um die es darin geht, wurde zwar 2011 leicht geändert, die Rechtssystematik blieb aber erhalten. In der siebenseitigen Antwort des Ministeriums, unterschrieben von einem Abteilungsleiter, also von der höchsten Ebene der Ministerialbeamten unterhalb der Staatssekretärin, heißt es: „Wenn der Berechtigte auf ein personengebundenes Dienstkraftfahrzeug verzichtet, kann er für Dienstfahrten ein Dienstkraftfahrzeug vom Fuhrpark des BLB beantragen und nutzen. Dieses Fahrzeug darf für private Fahrten nicht genutzt werden.“ Zwar hat Markov auf seine Dienst-Limousine Audi A4 nicht verzichtet. Doch das Ministerium erklärt deutlich: Normale Dienstwagen aus dem Fuhrpark dürfen nicht privat genutzt werden, auch nicht von einem Minister.

Mehrere Fahrzeuge für Minister - laut Ministerium nicht möglich

Der BLB hatte auch ausdrücklich danach gefragt, ob Minister mehrere Fahrzeuge privat nutzen dürfen, Anlass war Markovs Transportertour: Doch das bemerkte das Finanzministerium nicht und erklärte voller Unverständnis für die Frage: Regierungsmitgliedern „stehen personengebundene Dienstkraftfahrzeuge zur uneingeschränkten Nutzung zu. Sinn und Zweck der Regelung lässt sich entnehmen, dass den Berechtigten jeweils nur ein personengebundenes Dienstkraftfahrzeug (und nicht mehrere) zusteht.“ Das Wort „ein“ ist in der Passage sogar unterstrichen. Weiter heißt es: Es „dürfte unwahrscheinlich sein“, dass die Regierungsmitglieder zusätzliche Dienstwagen nutzen. „Die Frage erscheint deshalb unverständlich.“

Im Klartext: Markov hätte auch nach Ansicht des Finanzministeriums den Transporter nicht privat nutzten dürfen. Obendrein war er der einzige Minister überhaupt, der sich jemals einen Wagen aus dem Landes-Fuhrpark für Privatzwecke auslieh, wie BLB-Geschäftsführer Volker Bargfrede nun erklärte.

Finanzstaatssekretärin Trochowski ist nun Teil der Affäre

Fest steht damit: Auch Trochowski hat sich von Markov in die Affäre hineinziehen lassen. CDU-Finanzexperte Steeven Breetz nannte es unerträglich, dass Trochowski eine „derart gebogene Rechtsauffassung vorgetragen“ hat. Mit dieser „parteipolitischen Charade“ habe Trochowski die Markov-Affäre zu einer Affäre von Finanzminister Görke gemacht. „Damit ist die Seriosität des gesamten Finanzministeriums schwer beschädigt worden.“

Obendrein ging auch Markovs Versuch, mit einer Prüfung des Falls durch die Staatsanwaltschaft einen Befreiungsschlag zu landen, schief. Am Dienstag hatte er dem Finanzausschuss erklärt, die Staatsanwaltschaft habe die Ermittlungen eingestellt. Doch die Staatsanwaltschaft Potsdam widersprach am Mittwoch: Es gab kein Verfahren. Die Behörde stieg gar nicht erst in Ermittlungen ein, nicht einmal ein Anfangsverdacht für Untreue und Betrug wurde geprüft, auch nicht die Dienstwagenrichtlinie: Schlicht deshalb, weil fragliche Straftaten verjährt sind.

Staatsanwaltschaft hat die Akten gleich geschlossen - wegen Verjährung

Wie lange Markov dem Druck standhalten kann, ist fraglich. Und der ist beachtlich, auch in der eigenen Partei. Von vielen Seiten, besonders aus der Justiz, fallen harte Worte. Peter Pfennig, Landeschef der Neuen Richtervereinigung (NRV) erklärte, der Justizminister stelle sich außerhalb des Rechts. Markovs Spende sei ein billiges Gutwerk. Dass er keine Fehler eingestehe, sei bezeichnend „für sein selbstgerechtes und leider auch hoffnungsloses Rechtsverständnis“. Ministerpräsident Woidke müsse Markov entlassen, der sei als Justizminister untragbar und eine Belastung für die gesamte Justiz und das Land Brandenburg. Markov ist in diesem Jahr Vorsitzender der Justizministerkonferenz, die im Juni in Potsdam tagt.

Claudia Odenbreit, Landeschefin des Richterbundes, sagte: „Es gibt viele Stimmen aus der Kollegenschaft, die empört sind über die Selbstbedienungsmentalität des Ministers. Das Vertrauen der Richterschaft ist erschüttert. Viele Kollegen scheuen sich, selbst Kugelschreiber von Sachverständigen anzunehmen, um jeglichen Anschein zu vermeiden, Vorteil aus dem Dienst zu ziehen. Da wird penibel drauf geachtet.“

Markov - der zweite Justizminister der Linken. Welcher Genosse ist der Dritte?

Auch die CDU pocht trotz Markovs Spende weiter auf dessen Entlassung. Die Einsicht komme zu spät und sei nicht glaubwürdig, sagte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Markov sei weiter nicht in der Lage, zu erkennen, dass er einen Fehler gemacht habe. „Und ein Minister der Justiz, der behauptet, er hätte keinen Fehler gemacht, obwohl Justizexperten ihm das vorgelegt haben – schwarz auf weiß – der ist keiner, der dieses Ressort führen und Brandenburg vertreten darf.“ Das Vertrauen in eine unabhängige Justiz und eine aufrichtige Finanzverwaltung werde nachhaltig beschädigt.

Jetzt ist es ein Frage der Zeit, wie lange Markov noch zu halten ist. In Potsdam wird bereits über mögliche Nachfolger spekuliert: Als Favorit gilt der frühere Landesparteichef Stefan Ludwig. Ein anderer Kandidat ist Justizstaatssekretär Ronald Pienkny. Beide sind Juristen. Es wäre der dritte Versuch der Linken mit dem Justizressort seit dem Starte von Rot-Rot 2009.

Update 21. April, 14.40 Uhr: Ministerpräsident Dietmar Woidke meldet sich doch zu Wort - und nimmt Markov in Schutz >>

Lesen Sie weiter: 

"Selbst bedient" - die exklusiven PNN-Recherchen zur Dienstwagenaffäre hier

"Das ist kein Justizminister" - Markov stellt sich außerhalb des Rechts und beschädigt so das Land Brandenburg. Ein Kommentar >>

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