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Vorerst geschlossen. Die Mängelliste zur Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt ist lang. Unter anderem kritisieren die Unfallkasse Brandenburg und das Landesamt für Arbeitsschutz, dass automatische Brandmelder und eine Brandmeldeanlage fehlen. Nun müssen kurzfristig Alternativen gefunden werden.

© Matthias Balk/dpa

EXKLUSIV: Mängel bei Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt: Abschiebehaft fällt beim Sicherheitstest durch

Die Unfallkasse und das Landesamt stellen massive Mängel beim Brandschutz und bei der Sicherheit in der Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt fest. Brandenburgs Innenminister Schröter drängt nun auf eine kurzfristige Lösung.

Potsdam - Brandenburgs Abschiebehaftanstalt in Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) kann vorerst nicht mehr genutzt werden. Am Montag musste Frank Nürnberger, Chef der Zentralen Ausländerbehörde des Landes, die Haftanstalt dicht machen. Denn die hatte zuvor mehrere Sicherheitschecks nicht bestanden. Entsprechende PNN-Informationen bestätigte am Donnerstag ein Sprecher des Innenministeriums in Potsdam.

Gravierende Mängel beim Brandschutz

Zuvor hatte die Unfallkasse Brandenburg ein Gutachten zu der Einrichtung vorgelegt, auch das Landesamt für Arbeitsschutz war eingeschaltet. Bei der Untersuchung stellten die Experten gravierende Mängel fest, etwa beim Brandschutz. Nach Angaben des Arbeitsministeriums in Potsdam fehlten automatische Brandmelder und eine Brandmeldeanlage. Die vorhandenen nicht automatischen Brandmelder waren aus Sicht der Experten nicht geeignet. Was ebenfalls fehlte und nun auf Weisung des Landesamtes erarbeitet werden muss: ein Alarmplan, ein Flucht- und Rettungsplan, eine Brandschutzordnung und ein Notfallplan. Und eine Alarmanlage muss her.

Auch bei Sicherheitstechnik sahen Unfallkasse und Landesarbeitsschutz gravierende Probleme – wegen der „Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten“. Etwa bei der Sicherheitsschleuse. „Das erforderliche Wechselschließprinzip der Türen kann derzeitig ausschließlich über die Verständigung per Funk aufrecht erhalten werden“, teilte das Arbeitsministerium mit. Es gebe weder Spiegel noch Kamerasysteme, mit denen die Mitarbeiter prüfen könnten, ob andere Kollegen zugleich andere Türen der Schleusen öffnen. Auch gebe es „ kein interaktives, aktiv kommunizierendes System zwischen den Türen untereinander zur Verhinderung von Doppelöffnungen der Türen“, hieß es. Die Installation eines Kamerasystems könnte die Gefährdung minimieren.

Personal nicht ausreichend ausgebildet für Abschiebehaft

Aber auch das Personal selbst ist aus Sicht der Experten von der Unfallkasse nicht ausreichend ausgebildet für den Job in der Abschiebehaft. Denn im Gegensatz zu den Justizvollzugsanstalten im Land werden in Eisenhüttenstadt keine Vollzugsbeamten, sondern Verwaltungsmitarbeiter eingesetzt. Sie müssten zusätzlich qualifiziert werden, forderte die Unfallkasse. Am vergangenen Freitag stand fest: Das Gebäude kann nicht weiter als Abschiebehaft betrieben werden. Dort Menschen gefangen zu halten, sei nicht weiter zu verantworten, hieß es.

Noch am Montag hat Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) an seine Fachleute den Auftrag erteilt, kurzfristig Alternativen zu der Abschiebehaftanstalt zu prüfen. Im Klartext: Der Minister macht Druck. Geprüft werden soll auch, ob das Gebäude zumindest in Teilen weiter betrieben werden kann.

Einzige Anstalt dieser Art in Ostdeutschland - und chronisch unterbelegt

Dass Brandenburg nun keine Abschiebehaft mehr hat, bringt vorerst keine gravierenden Probleme mit sich. Die in den 1990er-Jahren errichtete Einrichtung mit 110 Plätzen war chronisch unterbelegt, die Zahl der in Abschiebehaft sitzenden abgelehnten Asylbewerber war meist einstellig, in Ausnahmefälle auch zweistellig. Im Schnitt saßen im Jahr 2016 nur sechs Menschen zugleich und im Schnitt für 16 Tage in Eisenhüttenstadt ein. Es handelt sich aber um die einzige Abschiebehaft dieser Art in Ostdeutschland, die anderen Bundesländer, auch Berlin, ließen hier Ausländer für die Ausreise inhaftieren. Die Einnahmen dafür brechen der Brandenburger Landeskasse nun weg. Auch nach Entscheidungen der Ausländerbehörden in Brandenburgs Landkreisen und kreisfreien Städten sind die Betroffenen nach Eisenhüttenstadt gebracht worden.

Nun muss Brandenburg seine Abschiebehäftlinge in anderen Bundesländern unterbringen. Auch die anderen Ost-Länder müssen sich nun umsehen – vermutlich in den alten Bundesländern. Allerdings ist der Aufwand begrenzt. Denn mittels Haft erzwungene Abschiebungen sind eher die Ausnahme, die meisten Ausreisen im Land Brandenburg werden als freiwillig eingestuft. Zum Teil werden ausreisepflichte Ausländer von den Behörden auch mit finanziellen Zuwendungen zur Rückkehr in ihre Heimatländer bewegt. Erst jüngst hatte der Landtag mit rot-roter Mehrheit der Landesregierung aufgetragen, „dass die Abschiebungshaft nur als letztes Mittel zur Durchsetzung der Ausreisepflicht“ genutzt werden soll. Zudem soll die Landesregierung die psychosoziale Betreuung in der Abschiebungshaft verstärken. Im Jahr 2013 hatten mehrere Inhaftierte mit einem Hungerstreik gegen die aus ihrer Sicht unmenschliche Behandlung protestiert. Zuvor hatte sich dort ein Asylbewerber erhängt, ein anderer selbst verletzt.

Haft „wegen Fluchtgefahr aus Angst vor Abschiebung“ darf nicht mehr angeordnet werden

Überdies ist die Rechtsprechung verschärft worden, die Voraussetzungen für Abschiebehaft sind seit einem Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) 2013 höher. Daher gibt es auch weniger Inhaftierte, da weniger Haftanträge von Polizei und Ausländerbehörden vor Gericht bestätigt werden. Der BGH hatte eine jahrelange Praxis in Eisenhüttenstadt kassiert und entschieden, dass die Haft gegen einen Ausländer „wegen Fluchtgefahr aus Angst vor Abschiebung“ nicht angeordnet werden darf, um nach dem sogenannten Dublin-Verfahren seine Überstellung in ein anderes EU-Land zu sichern. Dafür fehle die Rechtsgrundlage. Die Grünen und Linke im Landtag hatten deshalb bereits mehrfach die Abschiebehaft – wegen geringer Belegung und hoher Kosten – grundsätzlich in Frage gestellt. Der Flüchtlingsrat fordert ohnehin, die Abschiebehaft zu beenden, weil diese unverhältnismäßig sei. Freiheitsrechte würden dort systematisch verletzt.

Die Zentrale Ausländerbehörde und Innenminister Schröter werden sich nun auf unangenehme Fragen im Landtag einrichten müssen. Denn in den vergangenen beiden Jahren hat das Land im Zuge der rasant gestiegenen Flüchtlingszahlen massiv in die Zentrale Erstaufnahme investiert und die Kapazitäten erhöht. Warum aber ausgerechnet die Mängel in der Abschiebehaft nicht von der Behörde selbst bemerkt wurden und der ohnehin bekannte Sanierungsbedarf beim Land nicht angemeldet wurde, blieb unklar.

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