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Ex-IHK-Präsident in Potsdam vor Gericht: Der Mann der tausend Pöstchen

Ex-IHK-Präsident Stimmung tanzte auf vielen Hochzeiten – ums Geld sei es ihm dabei nicht gegangen, betont er vor Gericht. Allerdings hat er mit Präsidiumsmitgliedern eine Entschädigung für das Ehrenamt beschlossen - unter Umgehung der IHK-Vollversammlung.

Potsdam - Staatsanwalt Ralf Roggenbuck braucht ein paar Minuten, um alle Pöstchen aufzuzählen. ADAC, Arabische Handelskammer, Denkmalstiftung, DLRG, ICC, TLG ... Insgesamt 16 Institutionen listet der Anklagevertreter beim zweiten Prozesstag im Untreueverfahren gegen Victor Stimming vor dem Amtsgericht Potsdam auf. Bei diesen Institutionen saß der damalige Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam in Gremien. Ehrenamtlich, als Botschafter der IHK, bei der er seinen Posten ebenfalls ehrenamtlich ausführte.

Ums Geld sei es ihm nicht gegangen, betont der 67-Jährige wie schon beim Prozessauftakt vor zehn Tagen. Er habe nichts haben wollen für sein ehrenamtliches Engagement. Für keinen der Posten. Eigentlich. Denn laut Anklage soll Stimming bewusst unter Umgehung der eigentlich zuständigen IHK-Vollversammlung im September 2009 gemeinsam mit anwesenden Präsidiumsmitgliedern eine Richtlinie zur Entschädigung für das Ehrenamt beschlossen haben. Auf deren Grundlage seien ihm von der IHK für seine Tätigkeiten als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Zukunfts-Agentur (ZAB) Brandenburg sowie der Bürgschaftsbank des Landes Entschädigungen in Höhe von insgesamt 120 250 Euro gezahlt worden. Weitere Anklagepunkte: Er habe eine von der IHK bezahlte Sekretärin für seine Firma eingesetzt und sich eine Spaßreise nach Malta auf Kosten der Kammer gegönnt – was Stimming zurückweist.

„Ich dachte an eine immaterielle Entschädigung“

Auch bei der Ehrenamtsrichtlinie lägen die Dinge anders, als die Staatsanwaltschaft annehme. „Ich dachte an eine immaterielle Entschädigung“, sagt Stimming. Nicht für sich, sondern für Kleinunternehmer, die ihr Ehrenamt ausüben. Eine Ehrennadel als Anerkennung, das hätte er gut gefunden.

Doch durch die Richtlinie wurde eben auch möglich, dass Stimming Bezüge für seine Aufsichtsratstätigkeit bei der Bürgschaftsbank von jährlich 30 000 Euro pro Jahr bekommen habe und von der ZAB Sitzungsgeld. Ein Drittel der Brandenburger habe einen Jahresverdienst unter 30 000 Euro, hält Roggenbuck dem Angeklagten vor. Was wohl die Vollversammlungsmitglieder gesagt hätten, wenn er ihnen auch mitgeteilt hätte, dass die Richtlinie ihm nutze, will der Staatsanwalt wissen. „Ich glaube, dass sie es als angemessen empfunden hätten“, sagt Stimming. Er sei schließlich nicht Hartz-IV-Empfänger. Die Entschädigung sei für den Aufwand – einen Tag pro Woche habe er sich nur seinen beiden Aufsichtsratsjobs gewidmet, die eigene Firma vernachlässigt – nicht ungebührlich. Stimmings Anwalt Robert Unger ergänzt: Die Tätigkeiten für die ZAB und die Bürgschaftsbank unterschieden sich von den anderen zahlreichen Gremienarbeiten, für die Stimming, wie er mehrmals betont, nie Geld bekommen habe. Bei diesen beiden Firmen sei die IHK unternehmerisch beteiligt gewesen. Als Aufsichtsratsmitglied habe Stimming also ein hohes privates Risiko getragen.

Für eine Prüfung durch den Landesrechnungshof sei Stimming immer offen gewesen

Dass an der Regelung etwas nicht in Ordnung sei, könne er sich nicht vorstellen, so Stimming. Schließlich habe nicht er sie erfunden, sondern das Hauptamt, sprich der Hauptgeschäftsführer. Zudem seien die Bücher der Kammer, in denen die Zahlungen auftauchen, durch die zentrale Rechnungsprüfungsstelle der Industrie- und Handelskammern kontrolliert worden, der Bericht wurde schließlich dem Brandenburger Wirtschaftsministerium vorgelegt – ohne Beanstandung. Allerdings, so die Vermutung der Staatsanwaltschaft, wurde nur die Wirtschaftlichkeit geprüft. Ob die Zahlungen auf einem rechtmäßigen Beschluss beruhten, sei wohl nicht Gegenstand der Prüfung der gewesen.

In diesem Zusammenhang erklärt Stimming, dass er für eine Prüfung durch den Landesrechnungshof immer offen gewesen sei. „Wir haben hier nichts zu verbergen“ – das sei sein Credo gewesen. Aktuell gibt es einen Gesetzentwurf der Grünen, die bereits zum dritten Mal die bisherige Passage im IHK-Gesetz streichen wollen, wonach der Rechnungshof kein Prüfrecht für die Kammer hat. Am 24. Mai gibt es dazu eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Landtages.

Der damalige, im Zuge der Affäre zurückgetretene Hauptgeschäftsführer René Kohl habe schließlich zuvor selbst beim Rechnungshof gearbeitet, erwähnt Stimming noch. Überhaupt habe er auf Kohl vertraut, versucht Stimming die Verantwortung abzuschieben. Die Ermittlungen gegen Kohl wurden eingestellt. Am 6. Juni soll er als Zeuge gehört werden.

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