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Brandenburg: „Es geht um unsere Glaubwürdigkeit“

Der sächsische Linke-Politiker Heiko Kosel über die geteilte Kohlepolitik seiner Partei für die Lausitz

Herr Kosel, mit den Grünen hat sich Ihre Linksfraktion im sächsischen Landtag am Mittwoch gegen den neuen Braunkohletagebau Nochten des Energiekonzerns Vattenfall ausgesprochen. Warum?

Wir haben festgestellt, dass dieser Braunkohleplan gravierende Mängel enthält auf verschiedenen Politikfeldern, die in der Debatte des Regionalen Planungsverbandes nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Nicht zuletzt sind da die Auswirkungen auf das sorbische Siedlungsgebiet, das in Sachsen ähnlich wie in Brandenburg einem besonderen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Schutz unterstellt ist.

Was kritisieren Sie außerdem?

Ein anderer wesentlicher Punkt ist, dass bei solchen Planungsverfahren die Diskussion ergebnisoffen geführt werden muss. Da kann es nicht sein, dass Vertreter von Vattenfall und Planungsverband nicht über das Ob reden, sondern nur noch über das Wie. Die Planrechtfertigungslücke ist groß. Zentrale Fragen tun sich auf, wie zum Beispiel nach der Energiewende und den Auswirkungen auf den Klimawandel. Braunkohlekraftwerke gehören schließlich zu den größten Emittenten von Kohlendioxid. Und natürlich geht es auch um die Auswirkungen auf die Region als Ganzes beim Wasserhaushalt oder der Verockerung der Spree.

Als Sorbe und minderheitenpolitischer Sprecher haben Sie zuerst den Schutzstatus der Sorben angesprochen. Inwiefern ist der durch die Tagebaupläne gefährdet?

Es geht darum, ob Tagebaufolgeflächen überhaupt wieder zu nutzen sind. Wir haben den Tatbestand, dass 35 000 Hektar in der Lausitz nicht betreten werden dürfen. Es gibt immer wieder Rutschungen, der Zugang zu Seen wird gesperrt. Wenn eine Fläche in dieser Größenordnung nicht mehr nutzbar ist, die überwiegend im sorbischen Siedlungsgebiet liegt, dann stellt sich die Frage, ob damit nicht eine Verletzung des Schutzgutes sorbisches Siedlungsgebiet gegeben ist. Bei dem sorbischen Dorf Horno in Brandenburg ist noch festgestellt worden, dass der Eingriff durch die Abbaggerung eines einzelnen Dorfes den Schutzstatus noch nicht verletzt. Bezogen auf die Gesamtzahl der Dörfer in Sachsen, in denen das Sorbische präsent ist, muss sich hier das sächsische Innenministerium, das den Gesetzen und nicht den Interessen einzelner Unternehmen wie Vattenfall verpflichtet ist, die Frage neu stellen, ob die Schutznorm bei solch einem Eingriff in das Siedlungsgebiet verletzt ist.

Wie viele Dörfer sind durch den Tagebau Nochten bedroht?

Drei ganze Dörfer und Teile von zwei Dörfern, darunter Schleife. Gerade die Schleifer Region verkörpert innerhalb des sorbischen Siedlungsgebiets auf originelle Weise die sorbische Kultur. Es gibt einen Schleifer Dialekt des Sorbischen, es gibt ein spezielles Schleifer Liedgut, einen Schleifer-Sorbischen Dudelsack und eine eigenständige Trachtentradition innerhalb der sorbischen Kulturregion.

Nach all dem, was sie sagten, müssten Sie auch die Tagebaupläne in der Lausitz auf brandenburgischer Seite ablehnen, wie den Tagebau Welzow Süd II, oder?

Meine Aufgaben liegen in Sachsen. Aber selbstverständlich ist meine Position, was die Auswirkung der Braunkohle auf die Sorben betrifft, grenzüberschreitend. Ich sehe die Pläne in Brandenburg genauso kritisch wie in Sachsen. Genauso kritisch wie ich CDU und FDP in Sachsen die Rechtsnorm zum Schutz der Sorben vorhalte, genauso mache ich es gegenüber meinen Kollegen bei den Linken in Brandenburg. Weil Minderheitenschutz unteilbar ist, egal welche Regierungskonstellation wir gerade haben.

Was sagen Sie Ihren Genossen in Brandenburg zu deren Tagebauplänen?

Es gibt in Brandenburg viele Mitglieder, auch Landtagsabgeordnete, die das Problem genauso sehen wie wir. Die Frage ist nur, wie und wie schnell gelingt es, diese Position gegenüber dem Koalitionspartner erfolgreich vertreten zu können. Wir unterstützen unsere Brandenburger Kollegen in dem Bemühen, das Thema ständig mit auf dem Schirm zu haben.

Ihre Genossen haben ein Problem: den Spagat zwischen der kohlefreundlichen SPD und der eigenen Position. Noch 2009 unterstützte sie das Volksbegehren „Keine neuen Tagebaue“. Jetzt könnte es sein, dass Linke in der Regierung den Braunkohleplan für Welzow Süd II mittragen müssen. Die Glaubwürdigkeit wäre dahin.

Unsere Glaubwürdigkeit könnten wir stärken, wenn es bis zur Landtagswahl 2014 gelänge, deutlich zu machen, dass man zwar mit der SPD im Koalitionsvertrag eine Basis der gemeinsamen Arbeit finden muss, aber gleichzeitig unumstößlich die Braunkohleverstromung eine Brückentechnologie mit absehbarem Ende ist, die sich nicht zu einer neuen Autobahn in weite Ferne auswachsen darf. Vor dieser Aufgabe stehen wir gemeinsam. Es geht um die Glaubwürdigkeit der gesamten Partei Die Linke. Wir bemühen uns, glaubwürdig zu sein für die Wähler, man muss auch Kompromisse schließen. Aber es gibt Grundsätze der Partei, die man nicht aus dem Auge verlieren darf.

Das gilt in Braunkohlefragen auch für die Sorben? Proschim, das Dorf, das Welzow Süd II weichen soll, ist sorbisches Siedlungsgebiet.

So wie die sächsische Staatsregierung die sächsische Rechtsordnung zum Schutz der Sorben und ihres Siedlungsgebietes berücksichtigen muss, gilt das genauso für die brandenburgische Landesregierung bezüglich der brandenburgischen Rechtsordnung. Ich gehe davon aus, dass meine Genossen in Brandenburg sich rechtstreu verhalten.

Das Gespräch führte Alexander Fröhlich

Rund 80 Prozent der Stromproduktion des Energiekonzerns Vattenfall stammen aus Braunkohlekraftwerken. Diese sind sehr rentabel, zugleich aber für Brandenburgs hohen Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) verantwortlich. Der Ausstoß stieg in den vergangenen Jahren sogar. In Brandenburg betreibt Vattenfall zwei Braunkohlekraftwerke (Jänschwalde und Schwarze Pumpe) und drei Tagebaue. Gleich fünf Tagebaue will Vattenfall ausbauen lassen. Für Welzow Süd und Jänschwalde Nord laufen bereits die Verfahren. Sie sind umstritten, da Ortschaften abgebaggert und deren Einwohner umgesiedelt werden müssten. Allein in Welzow wären 800 Menschen davon betroffen. (axf)

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