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Ermittlungen wegen Kinderpornografie: Schulfahndung soll Suche nach Missbrauchsopfern verbessern

Nach dem Fund von kinderpornografischen Bildern im Netz gestaltet sich die Ermittlung für die Polizei oft schwierig. Nun werden Schulen bei der Suche nach den Opfern einbezogen. In Brandenburg bereits mit Erfolg.

Potsdam - Wenn der Revierpolizist in der Gemeinde Nuthe-Urstromtal 50 Kilometer südlich von Potsdam mit einer Mappe in die kleine Grundschule „Am Pekenberg“ kommt, weiß Schulleiterin Christina Schröder schon, was sie gleich zu sehen bekommen wird. Der Polizist wird ihr Fotos von Kindern zeigen, die Opfer von Pornografie geworden sind oder vermisst werden. Schröder und ihre Kollegen werden dann von den Ermittlern gebeten, sich die Bilder anzuschauen, um gegebenenfalls die Kinder zu identifizieren. Kriminelle, so hofft die Polizei, sollen mithilfe von Lehrern gefasst werden.

Seit 2014 wird in Brandenburg die sogenannte „Schulfahndung“ zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen durchgeführt, in anderen Bundesländern sogar schon etwas länger. Doch erst am Montag wurde die Schulfahndung von Innenminister Karl-Heinz-Schröter und Bildungsministerin Britta Ernst (beide SPD) bei einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei vorgestellt. Anschließend wurde das Mittel, welches einer richterlichen Anordnung bedarf, in einem erneuerten Runderlass zur Partnerschaft zwischen Polizei und den Brandenburger Schulen schriftlich festgehalten. 

„Die Opfer werden dadurch besser geschützt“

„Die Opfer werden dadurch besser geschützt“, sagte Schröter. Die Schulfahndung sei ein „milderes Mittel“ als die übliche Öffentlichkeitsfahndung über die Medien. „Die Ermittler müssen immer die Gratwanderung zwischen Fahndungserfolg und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte bewältigen. Eine Öffentlichkeitsfahndung ist aber immer die Ultima Ratio“, so Schröter, der offen ließ, ob man die Maßnahme in Zukunft auch auf Kitas ausweite. Der Innenminister äußerte sich überzeugt, dass die Persönlichkeitsrechte der missbrauchten Kinder bei der Schulfahndung gewahrt bleiben: „Ich rechne mit absoluter Verschwiegenheit der Lehrkräfte, sollten sie ein Kind erkennen.“

An der Schule von Christina Schröder ist es dazu noch nie gekommen. Wenn der Polizist mit einer neuen Mappe komme, sei das aber immer eine Belastung. „Wir wissen, um was es sich bei den Fotos handelt, aber wir sehen nur den Kopf des Kindes. Aber allein der Hintergrund ist schon sehr erschreckend“, sagte Schneider. Als Hilfspolizistin sehe sie sich deshalb aber nicht. „Wenn man ein Fahndungsbild in der Zeitung sieht, ist man bei einem Wiedererkennungseffekt als ganz normaler Bürger auch aufgefordert, einzuschreiten.“ 

Es ist wichtig, ein Netz zum Schutz von Kindern aufzubauen

Auch Hartmut Stäker, Präsident des Brandenburgischen Pädagogen-Verbandes (BPV), bewertet die Schulfahndung positiv: „Alles, was der Vermeidung oder Aufklärung von Kindsmissbrauch dient, unterstützen wir.“ Gleichwohl brauche es für die Lehrkräfte entsprechende Hilfsangebote, wenn diese unter psychischen Folgen litten. Momentan sei die noch stark von der jeweiligen Schulleitung abhängig. „Ich kenne Schulleiter, die sagen, dass ein echter Lehrer solche Bilder ohne Hilfe aushalten müsse – das geht nicht“, sagte Stärker den PNN. Immerhin habe das Bildungsministerium als Folge der gestiegenen Fallzahlen von Gewalt gegen Lehrkräfte 2016 beschlossen, dass auch Lehrer die Hilfe von Schulpsychologen in Anspruch nehmen dürfen. Zuvor hatten sich die lediglich um die Schüler gekümmert.

Bildungsministerin Ernst betonte die Wichtigkeit der Schulfahndung. „Das Thema darf nicht tabuisiert werden.“ Es sei wichtig, ein Netz zum Schutz von Kindern aufzubauen. Erst in der vergangenen Woche hatte Ernst gemeinsam mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, das Präventivprogramm „Schule gegen sexuelle Gewalt“ gestartet. 

2012 wurden bundesweit insgesamt 18 Verfahren durch die Schulfahndung gelöst und abgeschlossen

Wie oft die Schulfahndung in Brandenburg seit 2015 tatsächlich durchgeführt wurde, wissen weder Innenministerium noch das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden. „Etwas über 30 Fahndungen“ habe es bundesweit seit 2006 gegeben, sagte BKA-Sprecherin Marianne Falasch auf PNN-Anfrage. In den letzten Jahren sei das Mittel immer häufiger angeordnet worden. „Die Länder mussten für die Umsetzung erst einmal die Strukturen schaffen“, sagte Falasch als Erklärung. Mit Erfolg: Dem brandenburgischen Innenministerium zufolge wurden seit 2012 bundesweit insgesamt 18 Verfahren durch die Schulfahndung gelöst und abgeschlossen. Darunter auch Fälle in Brandenburg. 

Den Runderlass gibt es bereits seit 2002 und er wird regelmäßig evaluiert, aktualisiert und ausgebaut. Allein im Schuljahr 2016/17 hat die Polizei rund 5000 Veranstaltungen an den Schulen organisiert und damit mehr als 122 000 Schüler erreicht. Bei den Vorträgen und Workshops geht es schwerpunkartig um Gewaltdelikte wie Mobbing, Drogen, Cybercrime und das Verhalten gegenüber Fremden sowie Verkehrsschulung.

Die Grundschule von Christina Schneider hat bereits seit 1995 eine Kooperation mit der lokalen Polizeidirektion. Mindestens einmal im Monat komme immer derselbe Beamte in die Grundschule, berichtet die Schulleiterin. „Die Schüler vertrauen sich dem Polizisten an. Das war früher nicht so.“

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