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Ermittlungen im Landtag: Fehde im Hohen Haus

Die Landtagspräsidentin hat die Staatsanwaltschaft gegen ihren Vize eingeschaltet. Eine Analyse über die Sprengkraft des Vorgangs.

Potsdam - Es geht um 259,40 Euro für Tickets einer Fähre im wasserreichen Havelland. Um solche Summen sind in Brandenburg schon Minister gestürzt, weil sie kein Einsehen hatten, dass sie Unrecht getan haben. Der Vize-Präsident des Landtags Brandenburg, Dieter Dombrowski (CDU), hatte die Tickets beim Landtag eingereicht – offenbar zu Unrecht. Zurückgezahlt hat er alles, der Steuerzahler ist nicht belastet. Und doch ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen ihn.

Für das politische Gefüge in Brandenburg ist der ganze Vorgang höchst brisant. Wenn nach einem Hinweis der Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) die Staatsanwaltschaft das Büro ihres Vize-Präsidenten durchsuchen lässt, gegen den CDU-Politiker wegen Betrugsverdachts ermittelt wird. Immerhin handelt es sich beim Landesparlament um das sogenannte Hohe Haus. Stark ist als Präsidentin der Volksvertretung die oberste Repräsentantin der Verfassungsorgane in Brandenburg und damit des Landes. Protokollarisch steht sie – und in ihrer Vertretung Dombrowski – über dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD).

In Brandenburg genießen die Angeordneten des Landtags keine Immunität

In seiner Funktion ist Dombrowski also nicht nur ein einfacher Abgeordneter. Aber im Gegensatz zum Deutschen Bundestag und zu anderen Landesparlamenten genießen die Abgeordneten in Brandenburg keine Immunität. Der Landtag kann sie erst per Beschluss herstellen und Strafverfolgungsmaßnahmen und Haft unterbinden, wenn durch diese „die parlamentarische Arbeit des Landtages beeinträchtigt wird“, wie es in der Landesverfassungen  heißt.

Britta Stark sah dies im Fall ihres Vizepräsidenten nicht so. Die Parlamentsverwaltung hatte ihr Ende Mai einen Vermerk vorgelegt, in dem von möglichen strafbaren Handlungen die Rede ist. Die Landtagspräsidentin prüfte die Vorgänge offenbar nicht noch einmal selbst und sprach auch mit Dombrowski nicht noch einmal darüber. Ihre Fachleute rieten ihr, nicht untätig zu bleiben, weil sie sonst selbst Strafvereitelung im Amt beginge. Zumindest ein Rechtsanwalt sollte sich zur Absicherung die Akten anschauen.

Nach dem PNN-Bericht über diesen Fall hat Dombrowski reinen Tisch gemacht

Stark legte dann der Staatsanwaltschaft den Fall Ende Juni zur Prüfung vor – allerdings anonymisiert. Die Staatsanwaltschaft sah einen Anfangsverdacht auf Betrug – wie ihn Landtagsmitarbeiter in ihre Vermerke geschrieben haben. Ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, das Amtsgericht Potsdam erließ auf Antrag der Behörde einen Durchsuchungsbeschluss. Am Mittwoch vergangener Wochen, am 30. August, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, durchkämmten dann Ermittler des Landeskriminalamtes das Büro des Landtagsvizepräsidenten, beschlagnahmten Akten und Daten.

Nur muss Dombrowski für einen Betrug zunächst eines nachgewiesen werden. Paragraph 263 des Strafgesetzbuches beginnt mit dem Halbsatz: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen ...“

Diese Absicht jedenfalls ist nach den bisher vorliegenden Fakten fraglich, aus Sicht der Landtagsverwaltung zu vermuten. Nach einem PNN-Bericht über den Fall machte Dombrowski am Donnerstag reinen Tisch und ließ als Vize-Landtagspräsident eine umfangreiche, von der Parlamentsverwaltung nochmals überprüfte Erklärung abgegeben. Die Staatsanwaltschaft befand, dass die Darstellung „mehr oder weniger deckungsgleich“ mit dem der Behörde vorliegenden Sachverhalt sei, wie der „Prignitzer“ berichtet.

Landespräsidium wird sich nun in einer Sondersitzung mit den Abrechnungen befassen

Es geht um drei Fälle: Dombrowski soll Fährtickets einer Autofähre im Havelland auch für Fahrten abgerechnet haben, die er nicht im dienstlichen Auftrag unternahm. Als Vize-Präsident hat er einen Dienstwagen. Um sich das Fahrtenbuch zu sparen, rechnet er den Wagen über die sogenannte 1,5-Prozent-Regelung ab, versteuert den geldwerten Vorteil pauschal – das sind pro Jahr mehrere Tausend Euro, die er draufzahlt. Dombrowski wohnt aber auf einer Art Halbinsel, muss die Autofähre nehmen. Diese Tickets wiederum muss er einzeln abrechnen. 2015 und 2016 waren das rund 100 Tickets. „Ich habe die Tickets gesammelt und in unregelmäßigen Abständen zur Erstattung eingereicht“, so Dombrowski. Als er im Frühjahr wieder Tickets für 70 Euro einreichte, prüfte der Landtag und stellte bei 27 Tickets Probleme fest: Weil Dombrowski da nicht auf Dienstfahrt gewesen sein kann oder es Tickets für Mopeds, Pferd, Achsanhänger oder Traktor waren. Er habe sich darauf verlassen, dass die Verwaltung gewissenhaft prüfe und im Zweifel nachfrage. Wegen des Aufwands, ein Fährfahrtenbuch zu führen, zahle er künftig alles selbst, teilte er im Mai dem Landtag mit. Das Geld für die 2015 und 2016 erstatteten Tickets zahlte er zurück.

Die Verwaltung vermutet wegen weiterer Fälle Absicht. Als Beweis führte sie andere Fälle an, die aber längst abgeschlossen sind. Er wollte im Herbst 2016 ein 900 Euro teures Abendessen der CDU-Kreistagsfraktionen des Havellandes und aus Siegen-Wittgenstein zum 25-Jährigen Bestehen der Kreis-Partnerschaft über seinen Repräsentationsfonds abrechnen. Die Verwaltung lehnte ab, Dombrowski zog den Antrag zurück und zahlte selbst. Die Verwaltung wirft ihm vor, nur die Fraktionen, nicht aber die CDU genannt zu haben. Zudem soll er Zuschüsse für die Nutzung einer Wohnung in Potsdam beantragt haben, in der neben ihm auch seine Tochter wohnte. Insgesamt 750 Euro für drei Monate im Frühjahr 2015 bekam er vom Landtag. Der sieht sich getäuscht, weil Dombrowski die Tochter verschwiegen habe, was nur durch Zufall, seinen Fahrer, bekannt wurde. Er sollte deshalb genaue Angaben zur Kostenaufteilung der Wohnung machen. Dombrowski verzichtete, zahlte das Geld zurück.

Nun wird sich auf Antrag der Grünen das Landtagspräsidium in einer Sondersitzung damit befassen, die SPD unterstützt das. Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher sagte: „Die Angelegenheit birgt enormen politischen Sprengstoff. Sie könnte die Zusammenarbeit zwischen der Landtagspräsidentin und ihrem Vize schwer beeinträchtigen und damit die Handlungsfähigkeit des Landtags in Mitleidenschaft ziehen.“

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