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Brandenburg: Ermittlungen gegen Antifa-Bündnis

Weil das Antifa-Bündnis in Oranienburg Informationen über einen Anwalt der Rechtsextremen veröffentlichte, wird nun gegen die Linken ermittelt

Oranienburg – Fast ist es eine Posse. Für das Antifa-Bündnis in Oranienburg aber endete es in der vergangenen Woche mit einer Hausdurchsuchung und einer verwüsteten Wohnung. Es geht um eine Broschüre über rechtsextremistische Strukturen und Neonazis im Landkreis Oberhavel und um einen kurzen Absatz in dem 40-seitigen Papier. Darin wird ein Berliner Jurist als Neonazi-Anwalt bezeichnet.

Der Anwalt hatte im März 2011 Strafanzeige gestellt. Er vertrete weder „in Menge“ Neonazis, noch sei er „in dieser Richtung politisch gebunden“, die Broschüre bausche nur auf, sagte er. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt wegen Verleumdung, übler Nachrede und wegen des Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz gegen zwei Mitglieder der Antifa Oranienburg, einen 26-Jährigen und eine 22-Jährige. Dabei geht es nicht nur um die Titulierung des Juristen als Neonazi-Anwalt, sondern auch um einen Screenshot seiner Internetseite, der in der Broschüre „Blickpunkt“ abgedruckt ist.

Erschienen ist das kostenlose Papier bereits Anfang 2011, in Oberhavel hat es einiges Aufsehen erregt. Detailliert haben die Autoren zusammengetragen, wer sich in Oberhavel am äußersten rechten Rand tummelt. Der Süden des Landkreises war lange Zeit ein ruhiger Rückzugsraum für Größen und hochrangige Funktionäre neonazistischer Organisationen, darunter der 2009 vom Bundesinnenministerium verbotene Verein „Heimattreue Deutsche Jugend“. Es bestehen zahlreiche personelle Überschneidungen zu anderen Gruppen, darunter zur JN, die Nachwuchsorganisation der rechtsextremistischen NPD. Daneben haben die Autoren sich ausgiebig mit der NPD in Oberhavel befasst, die dort im Kreistag sitzt. Akribisch werden in der Broschüre Mitglieder und Aktionen der sogenannten „Freien Kräfte“ aufgelistet. Daneben haben die Autoren erstmals benannt, in welchen unscheinbaren Kneipen und Klubs sich die rechtsextreme Szene trifft.

Für die lokalen Bündnisse gegen Rechts ist die Broschüre seither das wichtigste Nachschlagewerk. Für einige Antifa-Mitglieder gab es sogar einen Ehrenamtspreis vom Landkreis. In Oranienburg führten die Recherchen der Antifa dazu, dass ein Neonazi-Treff schließen musste. Inzwischen gibt es ein Register im Internet, wo rassistische, antisemitische und neonazistische Vorfälle in Oranienburg verzeichnet werden.

Oranienburgs Linke-Ortschef Enrico Rossius nennt die Gruppe deshalb einen „verlässlichen Partner“, dessen Arbeit eine wichtige Basis für das Bürgerengagement gegen Rechts sei. Zur Hausdurchsuchung sagt Rossius: „Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“. Die NPD Oberhavel dagegen jubelt. Mit der Razzia und „der Beschlagnahme des Hetzblattes“ hätte die Behörden endlich darauf reagiert, „dass in diesem Blatt Amtsträger und Mitglieder der NPD Oberhavel quasi zu Jagd freigegeben wurden“.

Juristisch zählt das alles nichts. Es gibt einen gültigen Durchsuchungsbeschluss. Nach der Strafprozessordnung können alle Maßnahmen ergriffen werden, um Beweismittel sicherzustellen. Und das taten zwei Brandenburger Staatsschutzbeamte in der Berliner Wohnung der beiden Antifa-Mitglieder. Berliner Beamte hinterließen verwüstete Räume.

Martin Henselmann, der Anwalt der Betroffenen, legte gegen die Durchsuchung Beschwerde ein. Diese sei völlig unverhältnismäßig, geradeso, „als wären meine Mandanten Schwerverbrecher“. Anhand verschiedener Fälle hätte die Antifa belegt, dass der Anwalt Neonazis und Mitglieder der NPD Oberhavel verteidigt hat. Überdies sei die Broschüre seit Monaten öffentlich. In Oranienburg herrscht ohnehin der Eindruck, die Antifa sei über die rechte Szene besser informiert als Staatsschutz und Verfassungsschutz. Hinter vorgehaltener Hand wird gemutmaßt, mit der Durchsuchung wollten die Behörden einfach wichtige Informationen abgreifen. Alexander Fröhlich

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