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Brandenburg: Er hat noch eine Brille in Berlin

Bei einem Berliner Hehler sind Stücke aus John Lennons Nachlass aufgetaucht – wie die berühmte Brille

Berlin - John Lennons gestohlene Tagebücher in Berlin? Staatsanwaltschaft und Polizei überraschten am Montag mit der Nachricht, dass ein Hehler verhaftet worden sei, der mehrere Tagebücher, eine Brille und andere persönliche Gegenstände aus dem Besitz des Musikers in Berlin illegal zu Geld machen wollte. „Haftbefehl und Durchsuchungen wegen Hehlerei- und Betrugsverdachts“ war die Mitteilung überschrieben. Erst heute wollen die Behörden auf einer Pressekonferenz die Gegenstände zeigen und mehr Informationen preisgeben. Nach Informationen dieser Zeitung liegen bei der Staatsanwaltschaft neben Lennons Brille ein silbernes Etui mit Zigaretten, private Filme aus den 60er-Jahren und ein „Award“, also ein Musikpreis. „Da sind tolle Sachen dabei mit einiger Strahlkraft“, sagte ein Ermittler. Blättern dürfen Journalisten aber nicht in den Tagebüchern, diese bleiben zum Schutz der Persönlichkeit Lennons am Dienstag verschlossen.

Nach Darstellung der Justiz geschah bislang dies: Lennons Witwe Yoko Ono wurden 2006 in New York zahlreiche Gegenstände aus dem Besitz des 1980 ermordeten Ex-Beatles gestohlen. 2014 tauchten davon einige Tagebücher „in der Szene wieder auf“, wie es bei der Justiz hieß. Dem Vernehmen nach wurden die Bücher damals in einem Berliner Auktionshaus angeboten. Die Staatsanwaltschaft leitete aber erst in diesem Jahr ein Ermittlungsverfahren ein, die ersten Gegenstände wurden als Beweismittel Anfang 2017 sichergestellt.

Offen blieb, wieso drei Jahre verstrichen, bis die Ermittlungsbehörden tätig wurden. Der 58-jährige Hehler wurde Montagfrüh in Berlin verhaftet. Die Durchsuchungen verliefen erfolgreich, in seinem Auto konnten weitere versteckte Gegenstände sichergestellt werden, sie stammen mutmaßlich aus dem Nachlass Lennons. Der Verhaftete soll türkische Wurzeln haben. Ein weiterer Beschuldigter lebt in der Türkei und „ist derzeit für Strafverfolgungsmaßnahmen nicht greifbar“, teilte die Justiz mit. „Über eine Freigabe der sichergestellten Beweismittel kann derzeit noch nicht entschieden werden“, sagte Justizsprecher Martin Steltner. Lennons Erbin Yoko Ono, die sich der Pflege des Nachlasses des Musikers verschrieben hat, muss also noch warten.

Der Kriminalfall soll mit der Erpressung aus dem Jahr 2006 zusammenhängen, möglicherweise gibt es sogar personelle Überschneidungen. Der türkischstämmige Chauffeur Yoko Onos war damals in New York verhaftet worden, weil er sie bestohlen und erpresst haben soll. Er soll zwei Millionen Dollar gefordert haben, sonst würde er pikante Fotos und Details veröffentlichen. Auch Morddrohungen soll es damals gegeben haben.

Es war nicht das erste Mal, dass sich Yoko Ono solch einer – durch die Berühmtheit John Lennons ausgelösten – kriminellen Energie ausgesetzt sah. In den frühen 80ern waren fünf Tagebücher Lennons verschwunden, des Diebstahls beschuldigt wurde ein früherer persönlicher Assistent des Paares, der sich auch schuldig bekannte und vier Tagebücher zurückgab. Später warf Yoko Ono ihm vor, durch Veröffentlichung und Verkauf von Familienfotos, die Herausgabe eines Buches und Interviews gegen das Vertraulichkeitsabkommen verstoßen zu haben. Erst 2002 endete der daraus folgende Rechtsstreit – zugunsten von Lennons Witwe.

Dass Teile des Lennon-Nachlasses nun ausgerechnet in Berlin aufgetaucht sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie des Schicksals, haben es doch die Beatles gemeinsam nie hierher geschafft – und auch Lennon allein war, soweit bekannt, nie in Berlin. Und irgendwie hat diese Berlin- Abstinenz der Fab Four wohl ausgerechnet mit den Rolling Stones zu tun. Die hatten bekanntlich am 15. September 1966 einen legendären Auftritt in der Waldbühne, danach war das Rocktheater für gut ein Jahrzehnt nicht mehr zu gebrauchen: Randalierende Fans hatten es in kleine Stücke zerlegt.

Im darauffolgenden Sommer planten die Beatles im Rahmen einer Welttournee auch einige Konzerte in der Bundesrepublik – ihr erster Auftritt dort seit ihrer Hamburger Zeit. Die Jugendzeitschrift „Bravo“ hatte die Initiative ergriffen, bewarb den bevorstehenden Besuch extensiv als „Bravo-Beatles-Blitztournee“ – ein etwas heikler Titel, der „Blitzkrieg“ lag damals noch nicht allzu lange zurück.

Anfangs war auch Berlin als voraussichtlicher Auftrittsort genannt worden, es wurden aber doch München, Essen und Hamburg, wo im Juni 1966 die Fans mit je zwei Konzerten beglückt wurden. Aus Berlin bot man dafür Zug- und sogar Flugreisen an, doch das war den Fans häufig zu teuer.

Über die Gründe, warum Berlin damals leer ausging, gibt es unterschiedliche Versionen. Die Waldbühne war nicht bespielbar, so viel steht fest. Der Sportpalast in der Potsdamer Straße war durch die Abschiedsgala des Eiskunstlauf-Traumpaares Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler blockiert, ebenso die Deutschlandhalle, so hieß es jedenfalls – möglicherweise wirkte noch der Schrecken durch die Stones nach. Und das Olympiastadion? Angeblich wollten die Beatles diesmal nicht in großen Arenen spielen.

Woran auch immer es nun genau gelegen haben mag – die vier Liverpooler kamen nicht, jedenfalls nicht mehr zu viert. Erst 1972 ließ sich Paul McCartney mit den Wings hier blicken – und wurde im Tagesspiegel prompt verrissen. Auch Ringo Starr war mittlerweile hier, mehrfach auch Yoko Ono, Lennon mit den drei ehemaligen Gefährten immerhin als Wachsfigur bei Madame Tussauds, doch das Quartett ist dort längst nicht mehr zu sehen.

Die Stadt hat Beatles-Musicals und Ähnliches gesehen, es gibt die John-Lennon-Schule (siehe nebenstehendes Interview) – und es gibt das auf Rock-Memorabilia spezialisierte Hard Rock Café am Kurfürstendamm 224. Dort hängt eine beigefarbene, uniformartige Jacke, die Lennon 1965 bei einem Beatles-Konzert im Londoner Wembley-Stadion und im selben Jahr im New Yorker Shea-Stadion trug.

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