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Georg Friedrich Prinz von Preußen steht in der Kritik.

© dpa

Entschädigungen und Kunstschätze: Historiker und Linke gegen Geheimverhandlungen mit Hohenzollern

Der frühere Hohenzollern-Gutachter Christopher Clark und Eva Schlotheuber, die Vorsitzende des deutschen Historikerverbandes, kritisieren gemeinsam mit Brandenburgs Linken die Abmahnpraxis von Georg Friedrich Prinz von Preußen gegen Wissenschaftler, Medien und Politiker. 

Potsdam - Für Georg Friedrich Prinz von Preußen, der von der öffentlichen Hand eine Millionenentschädigung für enteigneten früheren Immobilienbesitz der Hohenzollern durchsetzen will und Ansprüche auf tausende Kunstwerke aus Schlossmuseen der Hauptstadtregion erhebt, war dieser Mann einst ein durchaus wichtiger Beistand. Früher einmal. 

Sein Name hat Klang, über die Fachwelt hinaus: Die Rede ist vom Historiker Prof. Christopher Clark, der als einer der besten Preußen-Kenner überhaupt gilt, Bestseller schrieb, in Cambridge Geschichte lehrt. Einige Jahre ist es mittlerweile her, seit Clark in einem Gutachten im Auftrag des Preußenprinzen damals noch zum Schluss gekommen war, dass der frühere Kronprinz Wilhelm bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus "Unfähigkeit" unbedeutend gewesen sei. Das war 2014.

„Knäuel verschiedener Fragen“

Wie Clark, eine Instanz der Geschichtswissenschaft, es heute sieht? "Ich habe meine Meinung geändert, weil es mit neueren Forschungen ein viel nuancierteres Bild gibt", sagte der Wissenschaftler am Dienstagabend auf einer virtuellen, über den Kanal Youtube  verbreiteten Podiumsdiskussion "Brandenburg und der Streit mit den Hohenzollern", die die Oppositionsfraktion der Linken im Landtag Brandenburg. veranstaltet hat. 

Es ist ein Thema, das polarisiert, gerade auch in Potsdam. Es gehe beim Hohenzollern-Konflikt um ein „Knäuel verschiedener Fragen“, moralisch, historisch, rechtlich, um eine Komplexität, „die nicht auf eine einzige Logik zu reduzieren ist“, sagte Clark. Und die Auseinandersetzung damit habe auch eine "eigentümlich emotionalisierende Wirkung." 

In der Podiumsdiskussion zum Hohenzollernstreit herrschte großer Konsens.
In der Podiumsdiskussion zum Hohenzollernstreit herrschte großer Konsens.

© Thorsten Metzner

Dass er persönlich seine frühere Position zu den braunen Verstrickungen des Kronprinzen revidiert hat, begründete Clark vor allem mit neueren Arbeiten zu dessen Rolle vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Er hob dabei explizit die Forschungen von Stephan Malinowski hervor, der damals auf der anderen Seite stand: Zusammen mit dem Historiker Peter Brandt, dem Sohn des früheren Kanzlers, war Malinowski in zwei Gutachten für das Land Brandenburg zur Abwehr der Prinzen-Forderungen in der rot-roten Regierungszeit schon damals zum entgegengesetzten Fazit wie Clark gekommen, nämlich dem, dass die Hohenzollern der NS-Diktatur "in erheblichem Maße Vorschub" geleistet haben.

Kronprinz habe den Nazis geistig nahegestanden

Wenn genau das nachgewiesen werden kann, allerdings auch nur dann, so ist die Rechtslage in Deutschland, stehen dem in Potsdam lebenden Ur-Ur-Enkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. keine Millionen der öffentlichen Hand für in der sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 enteignete Immobilien zu. In dem Talk vertrat Clark die Position, dass der Kronprinz 1932 damals aktiv mit den Nationalsozialisten paktiert habe, ein „wichtiger Akteur“ gewesen sei, sich oft mit Hitler, Goebbels und Göring getroffen habe, das Ende der Weimarer Republik und die NS-Diktatur befördert habe. „Es war natürlich eine Vorschubleistung“, sagte Clark. 

Historiker Christopher Clark. 
Historiker Christopher Clark. 

© ZDF / Phoenix

Wie erheblich die gewesen sei, ob dies ausreiche, um die Ansprüche abzuwehren, sei aber allein "eine juristische Frage." Klar sei, dass der Kronprinz den Nazis geistig nahegestanden habe. „Er wollte seit seiner Jugend die gesamte deutsche Linke ausschalten, auf brutalste Weise“, sagte Clark. Und mit Linken habe Kronprinz Wilhelm nicht allein Kommunisten gemeint, sondern die gesamte linke Demokratie, also auch Linksliberale, die in seiner Denkwelt alle an die Wand gestellt gehörten. 

Der Kronprinz habe dazu beigetragen, die monarchischen royalistischen Eliten der Weimarer Republik an dieses NS-System zu binden, lautete dann auch ein Zwischenfazit des Historikers Professor Jürgen Angelow, der die Veranstaltung moderierte.  "Man kann feststellen, dass es darüber keinen echten Historikerstreit gibt", betonte die Historikerin Prof. Eva Schlotheuber, die Vorsitzende des deutschen Historikerverbandes. „Über die allgemeine Forschungs- und Quellenlage herrscht ein breiter Konsens.“ Einen Befund, den Clark teilte: Der Stoff zu einem neuen Historikerstreit sei nicht da.  

Kritik an juristischem Feldzug

Schlotheuber, die mittelalterliche Geschichte in Düsseldorf lehrt und dem Interessenverband der deutschen Historiker vorsteht, war neben Clark der zweite hochkarätige Gast dieser Linke-Veranstaltung. Ihre Teilnahme hatte sehr viel mit dem Agieren des „Hauses Hohenzollern“ zu tun, nämlich mit dem juristischen Feldzug, den Georg Friedrich Wilhelm von Preußen über einen Abmahnanwalt gegen Historiker, Journalisten, Politiker von Linkspartei und Grünen führte und führt. 

Die Kritik daran fiel einhellig aus, von Linke-Politikern wie Historikern. „Ein solches Vorgehen ist einzigartig“, auch im „systematischen“ Ansatz nach Abmahnkomplexen, sagte Schlotheuber, die es inzwischen mit einer Unterlassungsforderung an ihren Verlag zu ihrem Artikel selbst erwischt hat. Sie hatte in einem Beitrag für die in Anspruch genommene FAZ aus einer Antwort des Berliner Senats zum Hohenzollernkonflikt zitiert. 

Normalerweise würde man, so die Chefin der deutschen Historikerzunft, gegen die der Preußenprinz nun auch vorgeht, in so einem Fall schreiben, telefonieren, eine öffentliche Klarstellung fordern. „Das sind alles Instrumente, die gar nicht vorher ausprobiert werden.“ Doch in der Causa Hohenzollern komme bei bestimmten öffentlichen Aussagen prompt das Schreiben eines Anwaltes. 

Klare Forderung an die Hohenzollern und die öffentliche Hand

"Es ist eine echte Entscheidung von Georg Friedrich, so vorzugehen", so Schlotheuber. „Wir befürchten, dass das ein Präzedenzfall ist.“ Nämlich, dass auch in anderen Konflikten um Geschichte gegen Aussagen von Historikern juristisch vorgegangen werde, es gebe erste Fälle. Zufällig sei auch da der Anwalt aktiv, der die Hohenzollern vertrete. Das sei „sehr bedenklich.“ 

Denn die Fähigkeit zur Kontroverse sei für eine Gesellschaft etwas Zentrales. „Wir müssen diesen Erfahrungsraum pflegen.“ Schlotheuber stellte eine klare Forderung an Hohenzollern und öffentlich Hand: "Die juristischen Schritte gegen Historikerinnen und Historiker, gegen Medien und Politiker müssen sofort zurückgezogen werden, damit man an einem Tisch sitzen kann“ sagte sie. Die Rücknahme sei Voraussetzung für alles andere. „Ich bin auf keinen Fall für Vergleichsverhandlungen hinter verschlossenen Türen, wo auch keine Expertise von außen dabei wäre.“ Dennoch denke sie, dass am Ende die komplexe Lage in dem Vermögensstreit nicht allein juristisch zu lösen sein werde.  

Juristische Kampagne "ein schrecklicher Fehler"

„Die juristische Kampagne gegen über einhundert Historiker und Journalisten, darunter die besten des Landes, ist ein schrecklicher Fehler gewesen", kritisierte auch Clark. "Das hat die Atmosphäre vergiftet. Es ist mit einer freien Debatte über diese öffentlichkeitswichtigen Themen einfach nicht vereinbar." 

Dennoch handle die Familie damit nicht illegal, sondern rechtskonform. „Was man braucht ist eine Rechtsreform, um die Freiheit der Debatte zu schützen“, sagte Clark. "Es ist extrem bedauerlich, dass diese Kampagne überhaupt geführt wurde - und meines Erachtens wahrscheinlich kontraproduktiv." 

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Die Linke-Kulturpolitikerin Isabell Vandrè (MdL) stellte die Frage, ob der Preußenprinz angesichts dieser Abmahn-Verfahren, dieses Umgangs mit Diskurskultur, überhaupt Verhandlungspartner für die öffentliche Hand sein könne, auch für Brandenburgs Regierung - aus Sicht der Linken nicht. Die Politik sollte vielmehr Grenzen aufzeigen, auch als Landtag und klar sagen, so Vandré: „So geht es nicht!“ 

Auseinandersetzung gehöre in die Öffentlichkeit

Sie erinnerte daran, dass der frühere Finanzminister Christian Görke (Linke) 2019 den Verhandlungstisch mit den Hohenzollern verlassen hatte, um eine juristische Klärung zu forcieren, die jetzige brandenburgische Finanzministerin Katrin Lange (SPD) inzwischen aber in der Strategie  umschwenkt sei. „Ich halte das für fatal.“ 

Die Auseinandersetzung über die  Forderungen von Georg Friedrich Prinz von Preußen gehöre in die Öffentlichkeit, sagte Vandrè. "Die Verhandlungen sollten nicht in Hinterzimmern geführt werden." Das Gerichtsverfahren um eine Entschädigung liegt seit der Entscheidung Langes jedenfalls wieder auf Eis, damit der Bund, Berlin und Brandenburg mit dem Haus Hohenzollern doch noch eine neuen Anlauf für eine gütliche Einigung beim Inventar, bei der Eigentumsfrage tausender Kunstwerke in Schlossmuseen der Hauptstadtregion, nehmen können. 

Kulturausschuss befasst sich Forderungen des Preußenprinzen

Dort ist die Rechtslage nicht so eindeutig, was wohl der Hintergrund war, weshalb in Federführung der Bundeskulturministerin etwa ab 2015 der Bund, Brandenburg und Berlin jahrelang Geheimverhandlungen mit dem „Haus Hohenzollern“ dazu führten, was dies PNN und der „Spiegel“ 2019 dann enthüllt hatten. Auch Clark sieht solche Ansprüche auf Museummsobjekte generell kritisch. "Ich sehe es sehr ungern, wenn Objekte aus Museen verschwinden und am privaten Kamin landen", sagte Clark. "Das ist ein Desaster." 

Der Hohenzollern-Konflikt kommt wieder auf die Agenda der Politik, nach dem Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus nun auch in Brandenburg. Mit dem Talk, bei dem ein großer Konsens zwischen Historikern und Linken herrschte, ging es los. Das Timing war kein Zufall. Am heutigen Mittwoch befasst sich der Kulturausschuss des Brandenburger Landtages in einem Fachgespräch mit den Forderungen von Prinz Georg Friedrich von Preußen. 

Richtigstellung: In einer vorherigen Fassung des Artikels hatten wir berichtet: „Die Kritik daran fiel einhellig aus(…), sagte Schlotheuber, die es inzwischen mit einer Unterlassungsforderung selbst erwischt hat. Sie hatte in einem Beitrag für die FAZ aus einer Antwort des Berliner Senats zum Hohenzollernkonflikt zitiert.“ Hierzu stellen wir richtig, dass nicht Frau Schlotheuber selber sondern der Verlag der FAZ für deren Artikel vom Prinzen zu Preußen in Anspruch genommen wurde. Wir haben den Text korrigiert. Die Redaktion und Thorsten Metzner

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