zum Hauptinhalt
Brandenburgs Gerichte sind überlastet, sagt die Opposition. Justizminister Stefan Ludwig (Linke) sieht das nicht so.

© Arne Dedert/dpa

Entlassung eines verurteilten Mörders: Justizminister Ludwig weist Verantwortung zurück

Ein verurteilter Mörder wird freigelassen, weil sich ein Protokoll verspätet. Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linke) nimmt das zuständige Potsdamer Landgericht in Schutz. Und nun?

Potsdam - Nach der Freilassung eines wegen Mordes an seiner Ehefrau verurteilten Mannes aus Potsdam hat Justizminister Stefan Ludwig (Linke) jegliche Verantwortung zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg habe in der Begründung zur Haftentlassung festgestellt, dass die Verzögerung seines Verfahrens wegen eines verspäteten Protokolls vermeidbar gewesen wäre, unabhängig von der Belastung des Potsdamer Landgerichtes, sagte Ludwig am Freitag in einer Sondersitzung des Rechtsausschusses im Landtag. Dieser Fall tauge nicht als Beleg für eine Unterbesetzung der Gerichte.

Auch OLG-Präsident Klaus-Christoph Clavée stützte diese Darstellung. Vorher hatte der rechtspolitische Sprecher der CDU, Danny Eichelbaum, von einem „Justizskandal“ und von „Staatsversagen“ gesprochen. Was hätte anders laufen müssen und können, das konnten weder Clavée noch Ludwig sagen. Ludwig machte in der Sitzung keinen Hehl daraus, dass es ähnliche Fälle geben könnte – auch wegen mit Altverfahren aus früheren Jahren überlasteter Gerichte.

Keine Unterbesetzung am Potsdamer Landgericht

In dem Fall aber habe es sich aber um einen „individuellen Fehler“ gehandelt, eines sehr „erfahrenen, tüchtigen, geachteten Kollegen“, so der Minister. „Die haben einen riesigen Berg an Verfahren abgearbeitet, dabei ist offensichtlich ein Fehler unterlaufen.“ 

Verurteilter Mörder ist wieder frei: Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig weist die Verantwortung zurück.
Verurteilter Mörder ist wieder frei: Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig weist die Verantwortung zurück.

© Ralf Hirschberger/dpa

Am Potsdamer Landgericht gebe es so viele Stellen, wie das bundesweite System auch vorsehe, also keine Unterbesetzung. Allerdings sind die Strafkammern – im Gegensatz zu Zivilkammern – völlig überlastet. Für die innere Gerichtsorganisation ist nicht das Justizministerium, sondern die Justiz als unabhängige dritte Gewalt selbst zuständig. Und diese hat bisher offenbar nicht die nötigen Instrumente, um auf lange bekannte Defizite zu reagieren. „Es hätte nicht passieren dürfen“, sagte OLG-Präsident Clavée – und zeigte sich ratlos, was vorher in der  Gerichtsorganisation hätte anders gemacht werden können. „Da fällt mir auch nicht viel ein.“

Der Verurteilte steuerte seinen Wagen absichtlich gegen einen Baum

Der konkrete Fall hat schon damals Aufsehen erregt. Der 64-jährige Verurteilte hatte nach dem Urteil am ersten Weihnachtstag 2015 auf der Landstraße zwischen Güterfelde und Saarmund seinen Dienstwagen absichtlich gegen einen Straßenbaum gesteuert, um sich und seine neben ihm sitzende Ehefrau zu töten. Während er schwer verletzt überlebte, starb die 57-Jährige an den Folgen ihrer Verletzungen.

Das Landgericht Potsdam hatte den Mann im Februar 2018 zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das Urteil ist wegen der eingelegten Revision nicht rechtskräftig. Seine Freilassung aus der U-Haft hat der Potsdamer Anwalt Sven Oliver Milke erzwungen, der nun auch die Entlassung des ehemaligen NPD-Politikers Maik Schneider aus der U-Haft erreichen will, der wegen Brandstiftung an einer für ein Flüchtlingsheim vorgesehenen, völlig abgebrannten Turnhalle in Nauen verurteilt wurde. Schneider sitzt bereits seit März 2016 in Untersuchungshaft, das Verfahren ist am Landgericht Potsdam noch bis März 2019 terminiert. Das Landgericht will nächste Woche über die Entlassung entscheiden. Milke hat bereits angekündigt, er werde ebenfalls das OLG anrufen, falls Schneider nicht freigelassen werde.

Viele Altverfahren bleiben liegen 

In der Sitzung räumte Ludwig ein, dass Gerichte wegen des früheren Personalabbaus „verschiedener Landesregierungen“ hoch belastet seien, dort „Höchstleistungen“ vollbracht würden. In den vergangenen 20 Jahren seien 1850 Stellen in der Justiz gestrichen worden. Erst seit seinem Amtsantritt sei eine „Trendwende“ erreicht. Das Problem: Haftsachen werden vorrangig behandelt, so dass viele Altverfahren liegen bleiben. 

Trotz der neu bewilligten Stellen, so Ludwig, werde es noch lange dauern, bis alle Altverfahren tatsächlich abgearbeitet worden sind. Dafür müsste, so Clavée, vorübergehend extra Personal eingestellt werden. (mit dpa)

Zur Startseite