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Enquete-Kommission: Experte: Zu Alteigentümern war Brandenburg besser

In einem Gutachten für die Enquete-Kommission wird dem Land ein gutes Zeugnis ausgestellt

Potsdam - Brandenburg galt in der Ära unter Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) als „kleine DDR“. Doch anders als bei der nachgewiesen großzügigen Stasi-Überprüfungspraxis gab es nach 1990 beim Umgang mit Enteignungs-Unrecht der SED-Diktatur, der möglichen Rückgabe oder Entschädigung bei nach 1949 in Volkseigentum zwangsverstaatlichten Grund und Boden, Immobilien oder Unternehmen an frühere Eigentümer keine negativen Auffälligkeiten gegenüber anderen neuen Ländern. Das geht aus dem jüngsten noch internen Gutachten für die Enquete-Kommission des Landtags zur SED-Diktatur hervor, das den PNN vorliegt. Die 171-Seiten-Expertise des Landtages zur „Eigentumstransformation vor 1989 und nach 1989 in Brandenburg“, die Professor Rainer Schröder vom Lehrstuhl für bürgerliches Recht der Humboldt-Uni erstellt hat, wird in der Sitzung am Freitag erörtert. Im Gegensatz zu anderen Gutachten wie jüngst zu dem über das DDR-Bild von Parteien, um das es teils wegen gezielter Indiskretionen und Vorweg-Verurteilungen durch die SPD, teils wegen polemischer Passagen heftige Auseinandersetzungen gibt, dürfte wegen der unstrittigen Qualität des Eigentums-Gutachtens kein Zerwürfnis drohen.

Nach der dort aufgelisteten Gesamtbilanz brauchen sich die Ämter für offene Vermögensfragen und die Gerichte in Brandenburg, die für die Klärung der gerade im Umland wegen der hohen Immobilienwerte heiß umkämpften Vermögensstreitfälle zuständig waren, eine zudem juristisch durch Einigungsvertrag und unzählige Folgegesetze hochkomplizierte Materie, im Ost-Vergleich nicht zu verstecken. Zwar gab es immer wieder Vorwürfe von „alten Seilschaften“, auch einige zwielichtige Einzelfälle: Doch insgesamt fielen die Entscheidungen in der „kleinen DDR“ sogar stärker zugunsten von Alteigentümern aus als anderswo im Osten. Nach dem Gutachten wurden in Brandenburg Rückgabeansprüche auf 619 000 Flurstücke (und 14 000 sonstige Vermögenswerte) gestellt, wovon knapp 99 Prozent erledigt sind. „Brandenburg liegt im Gesamtschnitt“. Für den Restbestand werde man noch sechs Jahre brauchen, heißt es. Nirgendwo sonst im Osten gab es so viele Rückgabeanträge wie in Brandenburg mit 250 000. In Sachsen waren es 208 000, im größeren, ähnlich wie Brandenburg geprägten Mecklenburg-Vorpommern 75 000 Anträge, die 176 000 Flurstücke beanspruchten, ein Drittel der Brandenburger Zahl. Während im Ost-Schnitt jeder zweite Rückgabeanspruch (49 Prozent) abgelehnt wurde, lag die Nein-Quote in Brandenburg mit 44 Prozent darunter. Während im Ost-Schnitt 31 Prozent der Fälle mit Rückgabe, Entschädigung oder der Aufhebung der Staatsverwaltung zugunsten früherer Besitzer ausgingen, waren es in Brandenburg 33 Prozent.

Bei von der DDR verstaatlichten Unternehmen sind die Verhältnisse laut Gutachten ähnlich. Es regt an, die strafrechtliche Rehabilitierung von Bodenreform-Opfern in Brandenburg gesondert zu untersuchen. Hinter den Zahlen verbergen sich Dramen, tragische Schicksale, noch heute nachwirkende Prägungen für den Landstrich, für die Wirtschaftsstruktur. So listet das Gutachten auf, wie in den 70er Jahren hier Hunderte noch existierende Privatbetriebe und Genossenschaften in Staatseigentum überführt wurden, teils auf kaltem Wege. Danach sei der Mittelstand „praktisch nicht mehr existent“ gewesen, die durchschnittliche Entschädigungssumme habe in Brandenburg etwa bei 9000 Mark gelegen, heißt es. „Rechtlich hatte man sich – das ist ein Treppenwitz der Geschichte – feudalen Eigentumsstrukturen wieder angenähert“, so das Gutachten. Nur seien nicht die „Feudalherren“ die Obereigentümer des Bodens- und Vermögens gewesen, sondern im weitesten Sinne der Staat, der in der Händen der Partei und einer kleinen Gruppe von Personen lag.

Zur Gesamteinordnung der SED–Diktatur stellt das Gutachten jedoch einordnend fest: „Die DDR war kein System, das auf Massenmord hin angelegt war: Im Unrechtsgehalt bestand ein deutlicher, qualitativer Sprung zu den großen Mördersystem wie dem Dritten Reich, der Sowjetunion und dem von Pol Pot.“ Das Gutachten wirft im historischen Kontext die Frage auf, wie lange man Eigentums-Transformationen zurückdrehen kann. „Können die ’Indianer’, denen bis circa 1910 der Boden in Seattle gehörte“, auf dem 60 Jahre später Wolkenkratzer stehen, „diesen als Eigentum reklamieren?“ Das Fazit zur Problematik in Ostdeutschland, in Brandenburg: „An den großen Ungerechtigkeitslagen kann man nichts mehr ändern.“

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