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Brandenburg: Eine Tat und viele Fragen

Enthüllungen im Fall Amri: Viele ungeklärte Pannen

Berlin - Die neuen Enthüllungen über einen V-Mann des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts (LKA), der Anis Amri zum Terroranschlag von Berlin auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche angestiftet haben könnte, werfen ein weiteres Schlaglicht auf das Versagen der Sicherheitsbehörden. Ein Überblick über die anderen ungeklärten Pannen.

IDENTITÄTEN

Wer ist dieser Mann, großmäulig, gewalttätig, gewohnheitskriminell? Lange ist nicht klar, wer Anis Amri genau – und ob das sein richtiger Name ist. Amri kommt 2011 als 19-Jähriger aus Tunesien in Italien an, dort prügelt er, stiehlt, legt Feuer. Amri wird zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach der Entlassung wird er aber nicht abgeschoben, was nicht erst heute viele Experten wundert. Amri reist über die Schweiz im Juli 2015 nach Deutschland. In Freiburg, Karlsruhe, Dortmund, Münster und Berlin lässt sich Amri als Asylbewerber registrieren – unter lauter falschen Namen. Er kassiert parallel Sozialleistungen. Zwischenzeitlich soll Amri bis zu 14 verschiedene Namen genutzt haben.

DAUERSTRAFTÄTER

Im Sommer 2015 befassen sich die deutschen Behörden mit dem Mann. Amri lässt sich in Karlsruhe als Tunesier, in Dortmund als Ägypter registrieren; man fragt nach, ist bald überfordert – die Flüchtlingskrise bindet das Personal. Zumal Amri durch das Land fährt. Als „Ahmad Zaghoul“ bemüht sich Amri in Berlin um Unterkunft und Taschengeld. Amri greift Wachleuten „mit Faustschlägen ins Gesicht“ an. Ein paar Monate danach lässt er sich in Dortmund und Münster erneut registrieren, mal als Tunesier, mal als Ägypter. Im Dezember 2015 gibt es Hinweise eines V-Manns aus Nordrhein-Westfalen, Amri plane ein Attentat – auch wenn das wahrscheinlich der V-Mann ist, der sich nun laut RBB-Recherchen selbst als Anstifter entpuppt. Jedenfalls wird Amri in der Terrorabwehrzentrale GTAZ in Berlin zum Thema, er wird durch Schlägereien auffällig. Im Februar 2016 werden Kontakte zu IS-Männern auf Amris durchsuchtem Handy gefunden. Da ist der Asylbewerber bald als Dealer aktiv: Kokain, Cannabis, auch Hehlerware. Die Berliner Polizei oberserviert ihn als islamistischen Gefährder. Im Juli 2016 überfällt Amri in Neukölln eine Spelunke. Das Verfahren wurde wegen „vorübergehender Hindernisse“ eingestellt, auch weil gegen einen Anis „Amir“ ermittelt wurde. Amri fährt zum Bodensee, wird mit Drogen und falschen Papieren festgenommen, aber nach ein paar Tagen freigelassen.

ÜBERFORDERTE BEHÖRDEN

Kürzlich hat der Sonderermittler des Senats und Ex-Bundesanwalt Bruno Jost „schwere Fehler“ im Fall Amri dokumentiert – gerade bei Observation und Überwachung der Telekommunikation durch das LKA Berlin. Amri meist tagsüber zu folgen, sei bei „einem nachtaktiven Drogendealer“ problematisch. Jost:„Die Arbeitsbedingungen beim LKA waren katastrophal.“ Allein in Berlin gibt 100 offenkundig zu Terror bereite Islamisten.

AUSWEISUNG

Im Fall Amri haben die Behörden in Serie versagt – sie haben Gelegenheiten verstreichen lassen, den Mann, der das Attentat auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz mordete, abzuschieben. Das Werkzeug der „Gefährderabschiebung“ besteht seit 2005; Berlin macht bis heute nicht davon Gebrauch. Amri tötete am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen, 56 wurden verletzt. Es hatte zahlreiche Möglichkeiten gegeben, ihn loszuwerden. Berlin hat in diesem Jahr laut Innenverwaltung nur vier Gefährder abgeschoben, obwohl sich eine „hohe zweistellige Zahl“ von ihnen in der Stadt aufhalte, von denen aber die Hälfte die deutsche Staatsangehörigkeit habe. Hannes Heine, Fatina Keilani

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