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Brandenburg: Eine Stadt wird evakuiert

Ausnahmezustände und Krisenstäbe sind der Mühlberger Bürgermeisterin Brendel wohl vertraut

Von Sandra Dassler

Mühlberg - 2002 ein Jahrhunderthochwasser, 2006 das nächste, 2010 ein verheerender Tornado und 2013 ein Hochwasser, das noch schlimmer werden und ganz Mühlberg überfluten könnte. Was sagt man der Bürgermeisterin einer solchen Stadt? Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wusste es. „Ich soll Ihnen schöne Grüße von meiner Frau ausrichten“, sagte er Mühlbergs Bürgermeisterin Hannelore Brendel. „Und Sie sollen nicht aufgeben: Die Besten prüft der Herr am härtesten.“

Platzeck weiß natürlich, dass er damit offene Türen einrennt. Hannelore Brendel arbeitete auch schon 2002 und 2006 im Rathaus, wenn auch noch nicht als hauptamtliche Bürgermeisterin. Nach dem Tornado 2010 hatte sie monatelang zu tun, um Fragen und Anträge der Einwohner zu den Schäden zu bearbeiten oder Firmen und Hilfskräfte zu koordinieren. Ausnahmezustände und Krisenstäbe sind der Bürgermeisterin wohl vertraut, auch die manchmal ungerechte Kritik, mit der viele Menschen ihre Angst und Frustration abreagieren.

So muss Hannelore Brendel in diesen Tagen immer wieder erklären, warum so „spät und kurzfristig“ zur Evakuierung aufgerufen wurde. „Die alten und hilfsbedürftigen Einwohner sind von Helfern persönlich informiert worden“, sagt sie. „Die würden doch vor Schreck gar nicht wissen, was zu tun ist, wenn sie nur per Lautsprecherdurchsage benachrichtigt würden.“

Und die anderen Einwohner? Am Mittwochabend, als die ersten Aufforderungen zum freiwilligen Verlassen der Stadt aus den Lautsprechern der Polizeifahrzeuge ertönten, waren viele irritiert. „Heute früh hieß es noch, wir müssen nicht raus“, sagten viele. Manche Supermärkte schlossen, andere blieben zunächst geöffnet. „Mein Chef hat die Kaffeemaschine und die Tiefkühlschränke in Sicherheit gebracht“, erzählte die Angestellte eines Backshops: „Wahrscheinlich wird hier ab morgen geschlossen sein.“

Viele Einwohner verlassen auch am Donnerstag noch Mühlberg, das langsam zur Geisterstadt wird. Für Fremde ist der Ort schon seit Mittwoch gesperrt – vor allem der gaffenden Katastrophentouristen wegen. Hannelore Brendel ist froh darüber. Sie hat genug zu tun. „Wenn ich nicht solche tollen Mitarbeiter hätte“, sagt sie, „und nicht so viel Zuspruch von den Bürgern erfahren würde, könnte ich das nicht durchhalten.“

Dann richtet sich die eher kleine Frau, die meist Hemdblusen mit aufgekrempelten Ärmeln trägt, energisch auf. „Aber ich komme aus dem Erzgebirge, ich bin ein Kämpfer, wir schaffen das auch diesmal.“

22 Zentimeter höher als beim Jahrhunderthochwasser soll die Elbe nach bisherigen Schätzungen steigen. Nur wenn die Dämme halten und die Stadt nicht überflutet wird, hat das Wunder von Mühlberg Bestand.Sandra Dassler

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