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Ehrung der Flick-Stiftung: Preis für Cottbuser Toleranzbündnis

Die Potsdamer Flick-Stiftung würdigt das Engagement des Bündnisses "Cottbus ist bunt" für die Demokratie.

Potsdam - Das Bündnis „Cottbus ist bunt“ ist am Donnerstag in der Potsdamer Staatskanzlei mit dem Steh-auf-Preis für Toleranz und Zivilcourage ausgezeichnet worden. Der Preis wurde bereits zum vierten Mal von der in Potsdam ansässigen Flick-Stiftung verliehen.

„Es gibt Menschen, die unsere Demokratie bedrohen, die sich ihr immer offener entgegenstellen“, erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) als Schirmherrin. Es brauche Mut, dagegen aufzustehen und eine differenzierte Sicht der Dinge vorzutragen. Denn oft gebe es keine einfachen Antworten. Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff sagte in seiner Laudatio: „Sage keiner, Cottbus verändere sich nicht. Cottbus ist nicht grau, nicht braun. Cottbus, Chósebuz, ist bunt!“

Auszeichnung auch für die Bürger von Cottbus

Die Stadt Cottbus war in der Vergangenheit immer wieder wegen asylfeindlicher Demonstrationen in die Negativschlagzeilen geraten. Das Bündnis „Cottbus ist bunt“ setzt sich für ein friedliches Miteinander in der Stadt ein. Die Auszeichnung sei eine wichtige Anerkennung für die Bürger, Institutionen und Unternehmen, die sich in dem Bündnis gemeinsam für ein weltoffenes Cottbus einsetzen, erklärte Kulturministerin Martina Münch (SPD), die selbst in Cottbus lebt.

Geehrt wurden auch Sawsan Chebli (SPD), Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, sowie Benjamin Steinitz, Gründer der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin, für ihr Engagement im Kampf gegen Antisemitismus. Für den Wettbewerb hatten insgesamt 96 Teilnehmer, vorrangig aus den neuen Bundesländern und Berlin, ihre Projekte eingereicht.

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Die Laudatio von Tagesspiegel-Herausgeber Stephan-Andreas Casdorff im Wortlaut:

"Tun Sie mir einen Gefallen? Bitte stehen Sie auf. Danke!

So erweisen Sie mit mir, erweisen wir gemeinsam unseren Respekt – im Sinne des Steh-auf-Preises.

Und Respekt ist das, worum es hier geht. Respekt ist keine kleine Münze – es ist die Währung für Veränderung.

Sage keiner, Cottbus verändere sich nicht. Cottbus ist nicht grau, nicht braun. Cottbus, Chóśebuz, ist bunt!

Man muss nur hinsehen. Es sehen… wollen. Und das wollen wir.

Respekt buchstabiert sich darum so, im Blick auf Cottbus und darüber hinaus:

R – wie rücksichtnehmend. Und zwar auf das, was andere an Tempo vorgeben, an Energie aufbieten können. Überfahren und Überfordern sind keine guten Ratgeber. Wer erklärt, erklärt sich selbst - und wird belohnt von…

E – wie Engagement. Das hat schon seinen…

S – wie Sinn. Solidarisch sein ist hier der Sinn. Und Solidarität nicht nur ein Wort. Es ist eine Verpflichtung, auf die anderen, die weniger Schnellen zu achten. Sie im Handeln zu achten. Jedwedes…

P – wie Polarisieren ist von Übel. Logisch, nicht? Führt es doch die Menschen voneinander weg statt zueinander. Was da hilft?

E – wie Empathie. Und zwar nach innen wie nach außen. Man sollte Menschen mögen. Mag auch unser Herz unruhig sein, ohne

K – wie Konsens gibt es keine Initiative wie die, die wir heute feiern. Weil sie

T – wie transparent ist. Und T wie tolerant. Und T wie treu zu ihren, unseren Werten.

Welche Werte das sind?

Sie stehen in der Cottbuser Erklärung, ich zitiere:

„Ein sicht- und hörbarer Beleg ist hierfür unsere Sprache. Sie ist Ausdruck von politischer Kultur. Sie kann versöhnen, aber auch gesellschaftliche Spaltung befördern. Sich gegenseitig aussprechen zu lassen und dem Anderen zuzuhören sind Grundtugenden, die wir erhalten wollen und müssen. Egal ob auf der Straße, im Restaurant oder im Internet – überall gelten unsere Regeln eines fairen und respektvollen Miteinanders.

Herabwürdigenden und menschenverachtenden Äußerungen folgen oftmals Gewalttaten. Auch darum müssen wir solche Aussagen ächten und wollen zurück zu einem kulturvolleren Umgang.“

Die Cottbuser Erklärung vom 15. Oktober 2018. Die spricht eine eindeutige Sprache.

Es gibt Menschen, die sich immer angegriffen wähnen, wenn jemand eine andere Meinung ausspricht. Eine andere als ihre. Sagte Christian Morgenstern, der eingemeindete Brandenburger, über die Sprache.

Und ich hoffe, niemand fühlt sich angegriffen, wenn ich sage: Besser, wir sind hier einer Meinung, nämlich der, dass es im Falle des Respekts keine zweite gibt.

Sprache ist die Kleidung der Gedanken. Und ist die Sprache bunt, sind es die Gedanken.

Das ist die Bedeutung von „kulturvoll“.

Kultur – ein anderes Wort für pflegen.

Deswegen ist es so gut, dass „Cottbus ist bunt“ eine klare Sprache pflegt.

Es genügt doch nicht, zur Sache zu reden, man muss zu den Menschen reden.

Wer auf andere Leute wirken will, der muss erst einmal in ihrer Sprache mit ihnen reden.

Sagte Kurt Tucholsky. Auch er war, auf eine Art, seine Art Brandenburger.

46.603 Unterstützer, 100.219 Cottbuser, 2.511.917 Brandenburger – da kommt was in Bewegung. Wenn wir in ihrer Sprache mit denen reden, die wir erreichen müssen. „Cottbus ist bunt“ geht hier voran.

Und es geht voran. Wenn, zum Beispiel, beim Auftritt des „Flügel“-Stürmers der AfD die hinter ihm zu sehenden Farben der Vielfalt deie Einfalt seiner Rede dementieren.

„Cottbus ist bunt“ geht voran – warum?

Im Winter 2017/2018 erlebte Cottbus einen negativen, manche sagen: irrealen Medien-Hype. Auslöser war Gewalt von Rechtsradikalen gegen Flüchtlinge und von Flüchtlingen gegen Passanten in der Innenstadt. Das wiederum führte zu diesem Bündnis, das wir ehren wollen: Es will zeigen, dass Cottbus nicht gleichbedeutend mit dieser – in der Rückschau – allein abgebildeten Realität ist. Anliegen war und ist, ein anderes Gesicht von Cottbus zu zeigen, das vielen Menschen auch Mut machen soll.

So steht es in der Bewerbung zu diesem Preis. Es liest sich auch als Mahnung. An uns alle. Auch in den Medien.

„wenn ich in den spiegel sehe komme ich mir anders vor als die anderen ich gehe in den schatten wer ist glücklicher als ich mein schatten eilt mir voraus

er sucht in der schwärze was ich verbergen will dass ich anders bin“

Ein Gedicht von Albert Ostermaier.

Gehen wir den Weg für die, die anders sind – und gehen wir ihn, gemeinsam, weil wir auch anders sein wollen.

Mag es den anderen zu bunt werden. Dann ist es genau richtig. Genau so wie Sie.

„Cottbus ist bunt“ – ich danke Ihnen."

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