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Im Aufwind. Immer mehr Menschen kommen zu rechten Demonstrationen in Cottbus.

©  Hannibal Hanschke/Reuters

Brandenburg: Dresdener Verhältnisse

Rechtspopulisten, Neonazis und Pegida-Aktivisten nutzen Cottbus als neue Bühne für den Kampf gegen die Flüchtlingspolitik

Cottbus - Ein breites Bündnis von Rechten hat nach den jahrelangen, aber abflauenden Pegida-Märschen im sächsischen Dresden nun die südbrandenburgische Stadt Cottbus als neue Kampfzone gegen die Flüchtlingspolitik auserkoren. Trotz Appellen von höchster Stelle, verschärften Sicherheitsmaßnahmen und einem von der Landesregierung verhängten Zuzugsstopp für Flüchtlinge infolge mehrerer Messerattacken minderjähriger Syrer haben die Rechten in Cottbus wachsenden Zulauf.

Am Samstag demonstrierten bei einer Kundgebung des rechten Vereins „Zukunft Heimat“ im Zentrum der Stadt rund 4000 Menschen. Und damit deutlich mehr als bei ähnlichen Veranstaltungen zuvor. Der Verein hatte im vergangenen Jahr jeweils mehrere Hundert Menschen auf die Straße in Cottbus gebracht. Am 21. Januar, einige Tage nach den Messerattacken von drei minderjährigen Syrern auf Deutsche, waren es noch 1500 Teilnehmer bei der Kundgebung des Vereins, bei der auch Journalisten bedroht wurden. Seither wächst der Zuspruch.

Bei einer Gegendemonstration protestierten am Samstagmittag derweil rund tausend Menschen in der Stadt gegen Angst und Hass, für ein weltoffenes und tolerantes Cottbus. Organisiert war der Protest von Flüchtlingen als Reaktion auf die Messerattacken von Syrern – aber auch und auf fremdenfeindliche Angriffe von Deutschen auf Flüchtlinge.

Die Sicherheitsbehörden sehen die Gefahr, dass Cottbus von einem rechten Bündnis aus AfD, Pegida, der rechtsextremistischen Identitären Bewegung, dem völkischen Netzwerk „Ein Prozent“ und der örtlichen Szene aus Hooligans und Neonazis zu einem neuen Dresden hochstilisiert und als neue Bühne für deren Kampf auf dem Weg nach Berlin auserkoren wird. Der Lausitzer Verein „Zukunft Heimat“ biete dafür die Gelegenheit, die Sicherheitsbehörden stufen ihn klar als „rechte Plattform“ ein.

Auch Pegida-Initiator Lutz Bachmann sprach am Samstag in Cottbus. Mit ihm waren weitere Vertreter der Pegida-Bewegung aus Dresden gekommen. Fakt ist auch: Nicht wenige Demonstranten kamen gar nicht aus Cottbus, sondern waren von außerhalb angereist – zumeist aus Sachsen, Sachsen-Anhalt, aber auch aus Berlin und anderen Regionen Brandenburgs. Auch Anna Spangenberg, Leiterin des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, warnte, „Zukunft Heimat“ agiere seit Monaten als Plattform für rassistische Mobilisierungen in der Lausitz – und habe sich Cottbus als zentralen Ort ausgesucht. „Von hier aus soll ein politisches Fanal ausgehen“, sagte Spangenberg am Sonntag dieser Zeitung.

Das am häufigsten skandierte Wort bei der rechten Demonstration am Samstag galt denn auch der Flüchtlingspolitik: „Widerstand!“ Die Messerattacken – die auch von der Polizei zunächst als Einzelfälle gewertet wurden – waren der Anlass. Erneut waren Rechtsextremisten und Neonazi-Hooligans, aber auch Vertreter der AfD dabei. Am Samstag nahm die Polizei einen Demonstranten fest, der den Hitlergruß gezeigt hatte. Ansonsten verliefen beide Umzüge laut Polizei weitgehend friedlich.

Ministerpräsident Dietmar Woidke und Kulturministerin Martina Münch (beide SPD) hatten zuvor versucht, dem Bild von Cottbus als fremdenfeindlicher Stadt zu widersprechen. Woidke hatte in der vergangenen Woche in einem Beitrag für die Potsdamer Neuesten Nachrichten und den Tagesspiegel von einer sich selbst beschleunigenden Dynamik in Cottbus und rechtsextremistischen Hasspredigern gewarnt, die gezielt darauf hinarbeiteten, „eine Spirale aus Angst, Hass und Gewalt in Gang zu setzen, von der nur sie allein profitieren“.

AfD-Landeschef Andreas Kalbitz hingegen jubelte am Samstag: „Cottbus ist das neue Dresden.“ Und er erklärte, die aufgestaute Unzufriedenheit mit der Flüchtlingspolitik im Land und im Bund könne sich zu einem politischen Flächenbrand in Brandenburg ausdehnen.

Das andere Cottbus dagegen zeigte zwar Flagge, aber mit weniger Resonanz. Die von Flüchtlingen und dem Bündnis „Cottbus nazifrei“ organisierte, bunte Demonstration zog am Samstagmittag durch die Stadt. Sporadisch verteilten Flüchtlinge Blumen an Passanten als Geste für ein friedliches Zusammenleben. Neben Flüchtlingen und Familien waren auch Landespolitiker dabei, darunter Kulturministerin Münch, die in Cottbus lebt, aber auch der Chef der Linken-Landtagsfraktion, Ralf Christoffers, und die Grünen-Landeschefin Petra Budke. Der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) war nicht dabei – wegen langfristig geplanter Termine.

Kelch hatte nach den beiden Messerattacken wiederholt einen Zuweisungsstopp von der Landesregierung gefordert. Die Stadt mit ihren 100 000 Einwohnern sei mit dem Anstieg des Ausländeranteils binnen weniger Jahre von 2,5 auf 8,8 Prozent überfordert. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) lenkte ein: Es sollen vorerst keine Flüchtlinge mehr aus der zentralen Erstaufnahme des Landes nach Cottbus geschickt werden. Zudem wurden die Polizeistreifen aufgestockt, es werden mehr Sozialarbeiter in die Stadt geschickt.

Aber reicht das aus? Selbst der Trainer des Fußball-Regionalligisten FC Energie Cottbus, Claus-Dieter Wollitz, hatte sich in der „Lausitzer Rundschau“ damit zitieren lassen, seine Spieler würden die Vorgänge sehr beschäftigen, einige seien in der Stadt belästigt worden. Um sie langfristig an den Verein zu binden, könnte das ein echtes Hindernis für den Club sein. Wollitz im Interview: „Das Bild von Cottbus ist eine Katastrophe.“ Und Wissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg forderten in einem offenen Brief von der Stadt klare Zeichen gegen rechtsextreme Gewalt und Alltagsrassismus. Der Verein „Zukunft Heimat“ verbreite eine Stimmung von Hass und Gewalt und ein völkisches Weltbild.

Dabei gilt Cottbus mit der Lausitz ohnehin als Hochburg der rechten Szene in Brandenburg, hier werden die meisten rassistischen Gewalttaten im Land registriert. Erst am Neujahrstag wurden drei Flüchtlinge von Rechten durch die Stadt bis in ihre Unterkunft gejagt und dort verprügelt – unter den Augen des Wachschutzes.

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