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Drei Morde in drei Stunden. Der Angeklagte (l.) im Dreifachmordprozess in Frankfurt (Oder) zeigte auch am letzten Verhandlungstag keine Reue. Die Schilderungen seiner brutalen Morde bezeichnete er lediglich als „Scheiß-Gelaber.“

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Drei Tote in drei Stunden: Höchststrafe für 25-Jährigen Ein Enkel tötet seine Großmutter und überfährt auf der Flucht zwei Polizisten.

Reue zeigt er nicht

Frankfurt (Oder) - Die Witwe des getöteten Polizisten ringt um Fassung. Sie wischt sich die Augenwinkel. Vor ihr steht das gerahmte Porträt ihres Mannes, als im Saal 7 des Landgerichts Frankfurt (Oder) am Freitag das Urteil gegen einen 25-Jährigen verlesen wird. Es ist ein klarer Schuldspruch: Lebenslange Haft für drei Morde in drei Stunden. „Von einer Minute auf die andere war alles anders und Leben zerstört“, sagt Richterin Claudia Cottäus. „Lücken werden bleiben, daran wird auch das Urteil nichts ändern.“

Vor fast einem Jahr raste der 25-Jährige mit viel zu hoher Geschwindigkeit eine Bundesstraße in Ostbrandenburg entlang – auf der Flucht vor der Polizei. Der Deutsche überfuhr zwei Beamte. Zuvor hatte er seine Großmutter erstochen.

Detailliert schildert die Richterin in ihrem Urteil über dreieinhalb Stunden grausige Details der Morde. Und sie betont, dass der Angeklagte am Mordtag trotz Drogen die Taten bewusst beging und nicht eingeschränkt schuldfähig war. Zugleich zeichnet sie ein bestürzendes Bild einer kriminellen Entwicklung mit Drogen, abgebrochenen Ausbildungen, Gewalt, Raub und Psychiatrie. Es ist still im Saal.

Es war am 79. Geburtstag seiner Großmutter Ende Februar 2017, als der Enkel im gemeinsamen Wohnhaus in Müllrose am Morgen ausrastete – aus Wut und Ärger über die vollgestellte Badewanne. Er beleidigte seine Oma, kippte ihr Honig über den Kopf und schlug die alte Frau dermaßen, dass ihr Gesicht zertrümmert wurde. Ein Splitter einer zerschmetterten Zuckerdose steckte in einer Augenbraue. Im Prozess sagte er, ihm hätten die Hände vom Zuschlagen weh getan. Dann nahm er laut Urteil das Lieblingsmesser seiner Oma und stach ihr in den Hals. Eigentlich hätte es ein schöner Geburtstag werden sollen: Die Rentnerin hatte sich laut Richterin schön frisiert und geschminkt.

Um einer Festnahme nach der „Gewaltorgie“ zu entgehen, flüchtete er mit dem Wagen seiner Oma. Der Enkel habe überlegt gehandelt, so die Richterin. „Er wollte sich auf keinen Fall von der Polizei schnappen lassen – er ging in einen regelrechten Kampfmodus.“

Die beiden Polizisten hatten keine Chance. Der 25-Jährige steuerte auf die Beamten am Straßenrand zu, als sie gerade dabei waren, ein Nagelbrett aufzubauen. Die Fahndung lief schon. Der Aufprall auf die 49 und 52 Jahre alten Männer war so heftig, dass sie sofort starben. „Sie rechneten nicht mit einem Angriff auf ihr Leben“, sagt die Richterin. Der Angreifer flüchtete weiter, wenig später konnte er gefasst werden. Der Verurteilte rutscht auf seinem Stuhl hin und her, schüttelt den Kopf. Immer wieder blickt er zu einer Wanduhr. Nach einer Weile kommen von ihm Zwischenrufe und Pöbeleien, wie so häufig während des Prozesses. „Dieses Scheiß-Gelaber“, sagt er.

In einem vorherigen Raub-Prozess am selben Landgericht sollte der 25-Jährige wegen Schizophrenie in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen werden – doch das wurde zur Bewährung ausgesetzt. Damit war der Mann auf freiem Fuß. War er eine tickende Zeitbombe?

Direkt sagt es die Richterin nicht. Aber sie spricht von einer dissozialen Persönlichkeit. Der Angeklagte habe auch keine Reue gezeigt. Er sei gefährlich für die Allgemeinheit. Als schizophren gilt er laut jetzigem Urteil aber nicht. Das Gericht stellte auch die besondere Schwere der Schuld fest – eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren zur Bewährung ist damit unwahrscheinlich.

Der Angeklagte bekommt die Höchststrafe, sein Verteidiger kündigt Revision an. Diese furchtbaren Straftaten seien vorauszusehen gewesen, sagt Anwalt Peter-Michael Diestel, der die Mutter des 25-Jährigen als Nebenklägerin vertrat. Zwei Aktenordner voll mit Beschwerden und Hinweisen habe sie an Behörden geschickt, um auf die Gefährlichkeit des Sohnes aufmerksam zu machen – „sie ist ausgelacht worden“. Er behalte sich weitere rechtliche Schritte vor. „Alle Strukturen haben versagt.“

Auch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat das Urteil als gerecht bezeichnet. „Das heute verkündete Urteil ist der Schwere und der Bedeutung der begangenen Straftaten angemessen“, sagte Schröter. Der Rechtsstaat habe in Gestalt des Landgerichts Frankfurt (Oder) deutliche Worte gefunden. „Das hohe Strafmaß macht klar, dass von diesem Menschen nie mehr eine tödliche Gefahr für andere ausgehen wird“, betonte er. „Das bringt den Hinterbliebenen der Opfer und den betroffenen Familien keinen Trost, aber zumindest die Gewissheit, dass diese unfassbar brutalen Taten gesühnt werden, soweit der Rechtsstaat dazu in der Lage ist.“ (dpa)

Anna Ringle, Jutta Schütz

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