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Auf Tuchfühlung. Der syrische Künstler Manaf Halbouni wünscht sich, dass Passanten die Botschaft seiner Installation am Brandenburger Tor verbreiten – etwa mit Fotos, die sie im Netz unter dem Hashtag #Monument posten. Über Selfies am nahe gelegenen Holocaust-Mahnmal gibt es immer wieder Diskussionen.

© John MacDougall/AFP

Brandenburg: Drei Busse für Aleppo

Vor dem Brandenburger Tor steht seit Freitag ein Mahnmal für den syrischen Bürgerkrieg. Am vorherigen Standort in Dresden gab es dagegen Proteste

Frontscheibe nach oben, Reifen Richtung Siegessäule, Dach zum Brandenburger Tor. 13 Meter ragen die drei Busse am Platz des 18. März seit Freitagmittag in den Berliner Himmel. Das Brandenburger Tor ist, ohne Quadriga, nur sieben Meter höher.

Das Kunstprojekt „Monument“ des deutsch-syrischen Künstlers Manaf Halbouni soll bis 26. November dort stehen bleiben. Die Eröffnung ist für Samstagnachmittag geplant. Die Installation soll an den Bürgerkrieg in Syrien erinnern. Inspiriert ist das Ganze von einer Barrikade, die in Aleppo zum Schutz vor Scharfschützen errichtet worden war: Drei zerschossene Busse, senkrecht aufgestellt zwischen Gebäuden in einer Häuserschlucht.

Die Busse hat Halbouni aber nicht aus Aleppo, sondern von einem deutschen Händler. Das sieht man auch an der Werbung für die Sparkasse Bayreuth und der Anzeigenschrift „Betriebsfahrt“ an der Seite eines der Fahrzeuge. „Wenn sie das schon da hinstellen, dann sollten es aber auch die echten Busse sein“, meint ein Mann, der sich die Installation in seiner Mittagspause ansieht. Was aus den Barrikaden in Aleppo geworden ist und ob sie dort immer noch stehen, weiß aber auch der Künstler nicht.

Die meisten Touristen, die sich am Freitag rund um das Brandenburger Tor tummeln, kennen den Kontext des Kunstwerks nicht. Egal, denn „Berlin ist verrückt“, sagt ein Mädchen, das mit ihren Eltern vorbeiläuft und den Kopf schüttelt. Ein junger Mann aus Düsseldorf positioniert sich vor der Installation, streckt die Arme aus und tut so, als würde er die Busse stützen – wie es viele Touristen beim Schiefen Turm von Pisa tun. Seine Freundin macht Fotos. Ob sie wissen, wofür die Busse stehen? „Keine Ahnung“, sagen die beiden. Julie Costantini und Leonarda Pitassi, zwei Englischlehrerinnen aus Italien, blättern verwirrt im Reiseführer. Über die Busse steht da nichts.

„Man sollte für jeden Krieg Mahnmale errichten und sich nicht nur mit seiner eigenen Geschichte befassen“, sagt Aysel Yildirim. Die 50-Jährige arbeitet in Baden-Württemberg ehrenamtlich mit Flüchtlingen. Auch sie musste sich erst über die Bedeutung der Busse vor dem Brandenburger Tor informieren. „Es gibt ja oft so abstruse Kunstwerke, die man nicht versteht. Das finde ich aber gut“, lautet ihr Fazit.

Von Februar bis April stand Halbounis „Monument“ vor der Dresdener Frauenkirche, es gab massive Proteste von Pegida-Anhängern und Rechtsextremen. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bekam Morddrohungen und die Polizei musste die Bus-Skulptur schützen.

Bei den Protesten ging es etwa darum, wer die Bus-Barrikade von Aleppo errichtet hat. Nach Angaben des Kunsthauses Dresden handelte es sich um eine Straßensperre, „die Zivilisten während der Kampfhandlungen in der Stadt errichteten, um das Leben von Menschen zu schützen“. Danach tauchten Hinweise auf, dass sie von einer islamistischen Rebellengruppe aufgebaut wurde, die vom Verfassungsschutz der Bundesrepublik als „terroristische Vereinigung“ eingestuft wird. Halbouni findet diese Kritik „sinnlos“. Es gehe nicht darum, wer es war, sondern darum, „dass die Barrikade da war, um die Zivilbevölkerung zu schützen“. Seine Kunst sei ein Mahnmal gegen Krieg.

Während Dresden für Halbouni vor allem ein Symbol des Wiederaufbaus nach dem Krieg war, komme in Berlin noch ein weiterer Aspekt dazu, wie er sagt. Berlin und das Brandenburger Tor stünden für Versöhnung – erst vom Krieg zerstört, dann durch eine Mauer geteilt und schließlich wiedervereinigt.

„Kunst soll verstören“, sagt Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bei der Pressekonferenz vor dem Brandenburger Tor und wünscht sich einen Diskurs mit den Berlinerinnen und Berlinern – aber „ohne die ekelhaften Nebenerscheinungen von Dresden“.

Drei Schwertransporter brachten die Busse in den frühen Morgenstunden am Freitag zum Platz des 18. März. Dort wurden sie mit Kränen auf ein vorgegossenes Fundament gestellt. In jedem Bus befindet sich eine von Architekten und Statikern ausgearbeitete Stahlkonstruktion, die mit dem Fundament verbunden wird. „Die Busse hängen an diesen Stahlträgern wie an einem Galgen“, erklärt der technische Leiter des Maxim-Gorki-Theaters, Thomas Kirsten. Jeder Bus wiegt zehn Tonnen, das Fundament kommt auf 36 Tonnen. Die Aufbauarbeiten dauerten sechs Stunden. Danach wurde das Kunstwerk von einem Prüfer abgenommen, derselbe, der auch schon in Dresden zuständig war.

Thomas Kirsten steht in ständigem Kontakt mit dem Deutschen Wetterdienst, Windböen bis 90 Stundenkilometer seien kein Problem. Bis 110 km/h könne man die Installation mit zusätzlichen Gewichten am Fundament stabilisieren. Danach wird es aber gefährlich. „Wenn Windböen mit mehr als 110 Stundenkilometern erwartet werden, gibt es einen Notfallplan“, sagt Thomas Kirsten. Die Kranfirma, die beim Aufbau geholfen hat, stünde auf Abruf bereit, um die Busse aus dem Fundament zu heben und auf die Räder zu stellen. Außerdem wird ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr die Busse bewachen. „Damit niemand darauf herumklettert“, erklärt Kirsten.

Die Installation kostet knapp 50 000 Euro, sagt Shermin Langhoff, Intendantin des Maxim-Gorki-Theaters. Die Kosten trägt das Theater. Langhoff verweist vor allem die auf historische Bedeutung des Platzes des 18. März. Hier fanden 1848 liberal-bürgerliche Aufstände gegen den preußischen König statt, begleitet von Barrikadenkämpfen und Schießereien, bei denen Hunderte Zivilisten ums Leben kamen. 1990 war die Gegend Schauplatz der ersten freien Wahlen der Volkskammer der DDR. Die Installation gehört zum Programm des „3. Berliner Herbstsalons“ am Maxim-Gorki-Theater.

Die Busse stehen auch in der Nähe des Denkmals für die ermordeten Juden Europas – immer wieder gibt es Diskussionen, wie angemessen mit Mahnmalen, die an Leid und Tod erinnern, umgegangen werden soll. Manaf Halbouni will, dass die Menschen ohne Scheu mit seiner Kunst umgehen. Bilder, Selfies, Videos seien erwünscht und sollen „mit dem Hashtag #Monument in den sozialen Medien“ geteilt werden, sagt der Künstler. „Es geht darum, eine Botschaft des Friedens in die Welt zu tragen.“

Wie es nach dem 26. November mit den ausrangierten Bussen weitergeht, sei noch unklar, erzählt der Künstler. Er selbst wünsche sich aber, dass das Kunstwerk in weiteren europäischen Städten ausgestellt wird – etwa in Coventry. Die britische Partnerstadt von Dresden wurde von den Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg zerbombt.

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