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Digitalisierung und Fachkräftemangel: Unternehmer fordern Digitalminister für Brandenburg

In Sachen Digitalisierung hängt Brandenburg zurück. Ein Digitalminister soll Brandenburg in Richtung digitaler Zukunft führen, fordern jetzt die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg.

Von Matthias Matern

Potsdam - Die Botschaft der Wirtschaftsfunktionäre war klar: Brandenburg hat in den vergangenen Jahren viel erreicht: Um mehr als drei Prozent sei die Arbeitslosenquote seit 2014 gesunken, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs im gleichen Zeitraum um 6,7 Prozent gestiegen und das Bruttoinlandsprodukt um über elf Prozent gewachsen. Doch wenn das Land jetzt bei den wichtigen Zukunftsthemen Digitalisierung und Fachkräftemangel nicht aus dem Knick kommt, werden viele Erfolge wieder verspielt. Was eine neue brandenburgische Landesregierung machen muss, damit es nicht soweit kommt, haben die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) am Montag in Potsdam in Form einer sieben Punkte umfassenden Ideenliste vorgelegt.

Was sich aus Sicht von UVB-Chef Christian Amsinck nach der Landtagswahl am 1. September vor allem ändern muss, ist das Tempo, mit dem die Digitalisierung vorangetrieben wird. „Bis 2030 sollte ein flächendeckendes Hightech-Netz möglich sein.“ Sofort nach Antritt einer neuen Regierung müsse es hierfür einen klaren Fahrplan geben, forderte er. Damit der Kurs stimme, brauche es einen entsprechenden Kapitän. Deshalb wünscht sich Amsinck im neuen Kabinett, angesiedelt bei der Staatskanzlei, einen eigenständigen Digitalminister. „Der Ministerrang ist wichtig, damit das Thema auf Augenhöhe vorangetrieben werden kann.“ Auch Hessen sei bereits diesen Schritt gegangen, so der UVB-Chef.

Große Schwierigkeiten drohen

Den Handlungsbedarf machte der UVB auch mit Zahlen deutlich. Gerade einmal 69,9 Prozent aller Haushalte im Land würden über einen Internetanschluss mit mehr als 50 Megabit pro Sekunde verfügen. Im Bundesdurchschnitt seien es aber 82,9 Prozent. Priorität bei der Anbindung an das Glasfasernetz müssten die Wirtschaftszentren und Ballungsräume haben, heißt es in der Ideensammlung. Doch: „Wenn die ländlichen Regionen nicht vernünftig ans Netz angeschlossen sind, haben wir auch da große Schwierigkeiten“, so Amsinck. Dem UVB zufolge sieht es vor allem noch in der Prignitz, im Spree-Neiße-Kreis und im Landkreis Elbe-Elster mau aus. In Letzterem verfügen sogar weniger als 40 Prozent der Haushalte über einen entsprechend schnellen Internetanschluss.

Ähnliche Bedeutung misst der UVB dem Thema Fachkräftemangel bei. „Ein Mittelständler aus der Prignitz hat neulich zu mir gesagt, das ist sein größtes Geschäftsrisiko“, sagte der Verbandschef. Dem UVB zufolge ist in vielen Branchen die Zeitspanne, die es braucht, um einen neuen Mitarbeiter zu finden, deutlich größer geworden. In der Pflege etwa um 71 Prozent, im Hochbau sogar um 189 Prozent. Um die Lage zu verbessern, muss eine neue Landesregierung aus Sicht des Verbandes gleich an mehreren Stellschrauben drehen.

Bessere Ausstattung für Berufsschulen

Zum einen wünscht sich der UVB eine bessere und intensivere Berufs- und Studienorientierung an den Schulen. Die Zahl der Jugendlichen, die eine Schule ohne Abschluss verließen, sei immer noch zu hoch, heißt es. Gleichzeitig müsse die duale Ausbildung aufgewertet, die Berufsschulen besser ausgestattet werden, auch mit Personal. Zuletzt seien immerhin landesweit 1865 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben, über 42 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren, gibt der Verband zu bedenken. Verbesserungsbedarf sieht Hauptgeschäftsführer Amsinck auch an den Hochschulen. Mittlerweile stagniere die Zahl der Studierenden in Brandenburg bei rund 50.000, während sie bundesweit deutlich gestiegen sei. Die Universitäten und Fachhochschulen müssten unbedingt wieder ihr jeweiliges Profil schärfen, um attraktiver zu werden. Gleichzeitig müsse eine neue Landesregierung die Möglichkeiten eines dualen Studiums, also die Verbindung von akademischer Ausbildung und praktischer Arbeit in einem Unternehmen, noch stärker fördern.

Deutlich größere Anstrengungen fordert der UVB im öffentlichen Nahverkehr – und zwar von Brandenburg und Berlin. Die Nahverkehrsstrecken zwischen beiden Ländern müssten beschleunigt saniert und ausgebaut werden. Dazu müssten sowohl Brandenburg als auch Berlin ihre Planungskapazitäten erhöhen. Und speziell an Brandenburg gerichtet: Potsdam, Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) bräuchten eine bessere Anbindung an das Fernnetz der Deutschen Bahn. Analog zu den Semestertickets für Studierende sollte sich Brandenburg zudem ernsthaft Gedanken machen, wie sich die Mobilität von Auszubildenden fördern lasse. „Vielleicht in Form eines Tankgutscheins“, regte Amsinck an.

Verbesserte Willkommenskultur erwünscht

Letztlich fordert der UVB-Chef noch Erleichterungen bei der Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter und in diesem Zusammenhang eine verbesserte Willkommenskultur im Land. „Schon heute werden sechs von zehn neu geschaffenen Stellen mit ausländischen Arbeitnehmern besetzt“, sagte Amsinck. Die meisten davon kämen aus Mittel- und Osteuropa, aber auch aus der EU. Zudem seien inzwischen 4700 Geflüchtete in festen Jobs untergebracht. Um das Potenzial noch besser gegen den Fachkräftemangel zu nutzen, wäre die Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde, die alle Entscheidungen zu Aufenthaltsstatus und Arbeitsgenehmigung trifft, wünschenswert. Da es dabei relativ viele Ermessenstatbestände gebe, so der UVB-Chef, würden manche Sachverhalte in den Landkreisen unterschiedlich bewertet.

Auf die Frage, ob er sich angesichts der jüngsten Prognosen für die AfD zur Landtagswahl um die Willkommenskultur im Land Sorgen mache, hielt sich Amsinck erwartungsgemäß zurück. Allerdings wundere es ihn, dass sich die etablierten Volksparteien vielerorts von der AfD thematisch so treiben ließen, statt die wirklich entscheidenden Weichen für die Zukunft zu stellen. Die entsprechenden Ideen dafür habe er ja nun vorgelegt, so der Wirtschaftsfunktionär.

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