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Brandenburg: „Die Stasi-Fälle werden Rot-Rot immer belasten“ Politikwissenschaftler Jochen Staadt hält

Matthias Platzecks Versöhnungsaufruf für vermessen

Herr Staadt, mittlerweile gelten sieben der insgesamt 26 Landtagsabgeordneten der Links-Partei als stasibelastet. Haben Sie die jüngsten Enthüllungen überrascht?

Nein, überrascht bin ich nicht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Details nur Stück für Stück ans Tageslicht kommen. Die betroffenen Personen geben erfahrungsgemäß immer nur so viel zu, wie in den bekannten Unterlagen steht. Zudem hoffen viele ehemalige MfS-Spitzel, dass ihre Akten vernichtet worden sind. Nur rund 60 Prozent der gesicherten Unterlagen gelten bis heute als ausgewertet. Das halte ich für ein großes Manko. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass es noch weitere Enthüllungen in der Brandenburger Landespolitik geben wird.

Wie ist es um die Vergangenheitsbewältigung in Brandenburg bestellt? Immerhin wollen sich die Abgeordneten jetzt freiwillig überprüfen lassen.

Das ist positiv, kommt aber deutlich zu spät. Bei der Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit ist Brandenburg eines der rückschrittlichsten Bundesländer. In Sachsen zum Beispiel ist die Überprüfung von Parlamentariern längst in der Geschäftsordnung verankert. Signifikant ist auch, dass es bis heute keinen Stasi-Beauftragten gibt. Bereits in der Diskussion um die vermeintliche Spitzeltätigkeit des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe wurden erhebliche Fehler gemacht. Auch von den Kritikern Stolpes. Es wurden alle möglichen Papiere vorgelegt, aber kein zuverlässig belastbares Material. Berichte, die von MfS-Offizieren, aber nicht von Stolpe selbst stammten. Das ist in den aktuellen Fälle anders.

Wie belastet sind Brandenburgs Parteien?

Einzelfälle hat es überall gegeben. Doch ehemalige Stasi-Mitarbeiter haben sich vor allem dort eingerichtet, wo sie in einem kollektiven Gefühl des „War doch alles gar nicht so schlimm“, oder „Ich habe doch nur das gemacht, was alle gemacht haben“ untertauchen konnten. Bei der Linkspartei, deren Wurzeln in die DDR reichen, gilt das Ministerium für Staatssicherheit nicht als feindliche Institution. Die Geschichte von Bündnis 90, oder die der SPD in Brandenburg, ist eine andere. Beide waren von Anfang an oppositionell geprägt. Dort gab es einfach kein Milieu, das die DDR beschönigt hätte. CDU und FDP haben sich ebenfalls immer deutlich von den Stasi-Machenschaften distanziert.

Im „Spiegel“ hat Ministerpräsident Platzeck zur Versöhnung mit den ehemaligen SED-Kadern aufgerufen. Ist er gescheitert?

Versöhnen kann sich nur, wer direkt durch ein geschehenes Unrecht miteinander verbunden war. Dazu braucht man keine Regierung bilden. Natürlich kann Platzeck bis zum bitteren Ende an der Koalition festhalten. Dafür gibt es genügend ähnliche Beispiele. Die nun bekannt gewordenen Stasi-Fälle aber werden dieser Regierung immer angelastet werden.

Das Gespräche führte Matthias Matern

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