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Brandenburg: Die Platzangst fährt mit

Schulbusse in Brandenburg: Oft gibt es für viele Kinder nur Stehplätze und Anschnallgurte sind Mangelware

Von Matthias Matern

Meyenburg/Pritzwalk/Potsdam - Das Schulbusunglück bei Altlandsberg vor fast acht Jahren hat Birgit Petrat aus Süd-Penzlin bei Meyenburg (Prignitz) nicht vergessen. Im November 1999 raste ein mit 26 Schülern besetzter Bus gegen einen Alleebaum, vier Kinder und der Busfahrer starben. Petrat holt deshalb ihre Tochter viermal die Woche lieber selbst von der Schule ab. „Manchmal bringe ich sie auch hin“, erzählt die besorgte Mutter. Dabei zahlt Birgit Petrat jährlich ihren so genannten Eigenanteil für die Schülertransport des Landkreises. Seit vergangenem Sommer geht Tochter Anne auf die rund 15 Kilometer entfernte Ganztagsschule in Pritzwalk. Doch die beiden Linienbusse, die zwischen Meyenburg und Pritzwalk fahren, sind ihr viel zu voll. „Meine Tochter bekommt nie einen Sitzplatz und müsste somit rund 20 Minuten lang stehen.“

Petrat hat Angst, dass es auf dem langen Weg über die Dörfer zu einem ähnlich schweren Unfall wie in Altlandsberg kommen könnte. Aber selbst ein Sitzplatz würde Anne kaum Sicherheit garantieren. Denn Anschnallgurte gibt es nicht. Auch bei anderen Eltern ist die Unzufriedenheit groß. Seit im vergangenen Jahr die Oberstufe der Meyenburger Gesamtschule geschlossen wurde, hat sich das Problem verschärft. Die Busse sind noch voller geworden. „Meine Tochter hat mir erzählt, dass andere Kinder aus Platzangst sogar manchmal früher aussteigen“, berichtet Petrat. Eine dritte Linie aber wurde trotz Beschwerde nicht eingesetzt. Mehrfach habe er die kreiseigenen Verkehrsgesellschaft auf das Problem angesprochen, sagt Falko Krassowski, ehrenamtlicher Bürgermeister von Meyenburg. „Wenn sie selbst eine zusätzliche Linie finanzieren, ist das kein Problem“, habe ihm der Geschäftsführer gesagt. Also stehen die Kinder weiter, fahren noch immer Eltern früh morgens Kinder nach Meyenburg, von wo der Schulbus losfährt – nur, damit diese auf dem Weg zur Schule sicher sitzen können.

Und ein Einzelfall ist die Prignitz nicht. „Das ist ein Riesenproblem landesweit“, sagt Anita Tack, Präsidentin der Landesverkehrswacht und verkehrspolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion. Nach dem Unglück von Altlandsberg hätten viele gefordert, da muss etwas passieren, aber wenig sei seitdem geschehen, kritisiert Tack. Mehr als 95 Prozent der landesweiten Schülerbeförderung werde nach wie vor mit Linienbussen organisiert. Sicherheitsgurte seien nur in Reisebussen Pflicht, so Tack. In Linienbussen müssten nur Gurte angelegt werden, wenn welche vorhanden sind. Zudem seien Stehplätze zulässig. Wenn Passagiere stehen, dürfe der Bus allerdings nicht schneller als 60 Stundenkilometer fahren. „Das Risiko fährt immer mit“, meint Anita Tack. Gemeinsam mit dem Landeselternrat hat sie Ende 2006 das Land aufgefordert, die Gurtpflicht zu erweitern und Sitzplätze für alle Schulkinder zu garantieren. Passiert ist bis heute nichts.

Zuständig für die Schülerbeförderung seien seit 2003 aber alleine die Kreise und kreisfreien Städte, erklärt Stephan Breiding, Sprecher im Brandenburger Bildungsministerium. „Landeseigene Vorgaben über bestehenden Sicherheitsvorschriften hinaus gibt es nicht.“ Eine Gurtpflicht auch für Linienbussen könne zudem nur der Bund einführen.

Auch Manfred Prause, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Prignitz, sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Die Busse sind nicht überfüllt.“ Fahrgastzählungen hätten gezeigt, dass in der Regel nur rund 65 der insgesamt an die 100 Sitz- und Stehplätze belegt seien. „Für Änderungen gibt es deshalb keinen Anlass.“ Zudem würden so genannte Fahrtbegleiter in den Bussen für Ruhe und Ordnung sorgen, gegebenenfalls Sitzplätze an jüngere Schüler vermitteln. „Einen Sitzplatzanspruch gibt es aber nur in ausgewiesenen Schulbussen, nicht im Linienverkehr“, betont Prause. Außerdem sei eine viertel Stunde auf einem Stehplatz durchaus zumutbar.

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