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Brandenburg: Die mysteriöse Frau mit langen Haaren

Polizei sucht intensiv nach der Mutter, die ihre drei Babys in Berlin und in Brandenburg ausgesetzt hat

Berlin - Manchmal, wenn sich Kriminaloberkommissar Schwarz abends im Fernsehen einen Film anschaut, schießt ihm der Gedanke durch den Kopf: „Welches kranke Hirn hat sich so etwas ausgedacht?“ Welche Mutter setzt drei Jahre in Folge ihre eigenen Babys unmittelbar nach der Geburt aus? Der Berliner Oberkommissar Schwarz, der seinen Vornamen nicht sagen möchte, gehört zu den Ermittlern, die Antworten auf diese Fragen suchen.

Viele Fragen sind ungeklärt, ein paar freilich sind beantwortet. Die drei Babys, drei Mädchen, haben die gleiche Mutter. Und diese Mutter, sagt Schwarz, „hat einen Bezug zum Nordosten von Berlin. Die Ablageorte liegen zu nahe beieinander, als dass dies ein Zufall sein könnte.“

2. September 2015: Ein Baby wird in einer Bushaltestelle in Berlin-Buch, in der Nähe einer Klinik, gefunden.

6. August 2016, 6.30 Uhr: Ein Baby wird in Berlin-Blankenburg, in einer Ein-Familien-Siedlung gefunden, bedeckt mit einem blutigen Handtuch.

27. August 2017: In der Abendstunden wird im brandenburgischen Schwanebeck im Landkreis Barnim ein Baby in einer Ein-Familien-Siedlung gefunden, auch diesmal mit einem blutigen Handtuch bedeckt.

Es gibt eine unscharfe Filmaufnahme der Mutter. In Buch geriet sie in den Bereich einer Videokamera auf dem Klinikgelände. Es war Abend, es war dunkel, zu sehen ist nur eine Frau mit langen Haaren, die einen Mantel oder eine lange Jacke trägt.

Alle drei Babys, sagt Schwarz, „haben ein mitteleuropäisches Aussehen. Sie sind nicht asiatischer und nicht afrikanischer Herkunft.“ Und sie wurde nicht fachgerecht abgenabelt.

Die Polizei hat DNA-Spuren der Mutter an beiden Handtüchern gefunden. Aufgrund eines Abgleichs mit der DNA des 2015 gefundenen Babys steht fest, dass dieses Kind die Schwester der anderen Mädchen ist. „Wir leiten vom DNA-Muster ab, dass alle Kinder den gleichen Vater haben“, sagt Schwarz. Aber hundertprozentig sicher ist das nicht. Und so vieles anderes ist unklar. Hat die Frau die Kinder freiwillig ausgesetzt, hat sie unter Zwang gehandelt? Auch intensive Ermittlungen in der jeweiligen Nachbarschaft der Orte, an denen die Babys gefunden wurden, ergaben bisher nichts.

Das Baby in Blankenburg lag auf dem Grundstück einer Familie. Auf Schwarz machte das Ganze den Eindruck, als wollte die Mutter sagen: „Hier liegt ein Baby, kümmert euch um das Kind.“ Andererseits legte die Frau ihre Neugeborenen in Gegenden ab, in denen die nicht automatisch sofort gefunden werden konnten. An der Bushaltestelle in Buch sind gegen 21.45 Uhr üblicherweise nur wenige Menschen, auch in Einfamilienhaus-Siedlungen sind Passanten frühmorgens oder am Abend eher selten unterwegs. „In Blankenburg ist das Baby nur durch viel Glück gefunden worden“, sagt Schwarz, „es hatte bereits eine abgesenkte Körpertemperatur, war aber noch nicht in lebensbedrohlichem Zustand.“ Inzwischen sind die Babys physisch stabil. Das Jugendamt hat die Vormundschaft übernommen. Ob alle drei in einer Pflegefamilie leben oder bei verschiedenen Eltern, weiß Schwarz nicht. Für die Polizei ist das Jugendamt Ansprechpartner.

Die Ermittler kümmern sich vor allem um die Suche nach der Mutter. „Wir wenden uns auch an Menschen, die beobachtet haben, dass eine Frau schwanger war, aber dann plötzlich kein Baby mehr hat.“ Gerade bei drei Babys, sagt Schwarz, „lässt sich das eigentlich schwer verbergen“. Eine Babyklappe gibt es nach Angaben von Schwarz im Nordosten von Berlin nicht. Die Kripo lässt keine Theorie aus. Vielleicht wird die Mutter ja zwangsweise festgehalten und versteckt. „Wir hoffen, dass wir keinen zweiten Fall Kampusch haben“, sagt Schwarz. 1998 wurde die damals zehnjährige Österreicherin Natascha Kampusch von einem arbeitslosen Nachrichtentechniker in Wien entführt und mehr als acht Jahre lang in seinem Haus gefangen gehalten. Als 18-Jährige konnte sie fliehen. Ermittler Schwarz ist „zuversichtlich, dass wir die Mutter finden“. Irgendwann. Bei einem anderen Punkt kann er nur beten. „Wir können nicht ausschließen, dass auch ein viertes Baby ausgesetzt wird.“

Einen Zusammenhang mit dem neugeborenen Mädchen, das kurz vor Weihnachten 2011 bei einem Garagenkomplex in Potsdam-West tot aufgefunden wurde, gibt es aber wohl nicht. Brandenburgs einzige Babyklappe ist gar nicht so weit von dem Fundort in der Landeshauptstadt entfernt. Sie befindet sich am St. Josefs-Krankenhaus im Potsdamer Westen. (mit mak)

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