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Brauner Spuk. Über Jahre – wie hier 2003 – hielten Rechtsextremisten auf dem Soldatenfriedhof ihr sogenanntes Heldengedenken ab.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Die Lehre von Halbe

Demokratiefest an Kriegsgräberstätte – das erste nach einem Urteil, wonach Neonazis mitfeiern dürfen

Königs Wusterhausen - Der Ort zieht Neonazis an. Die Rede ist vom Waldfriedhof in Halbe, auf dem knapp 23 000 Opfer der Kesselschlacht südlich von Berlin in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges im April 1945 ruhen. Es ist die größte Kriegsgräberstätte Deutschlands. Es gab Zeiten, in denen Rechtsextremisten aus der ganzen Bundesrepublik regelmäßig am Vortag des Volkstrauertages im Ort Halbe aufmarschierten, von 1990 bis 2007 war das so. Seitdem nicht mehr – auch wegen einer präventiven Gegenveranstaltung für Toleranz, die sich etabliert hat. Auch am heutigen Samstag findet in der Gemeinde (Kreis Dahme-Spree) wieder das Demokratiefest des Amtes Schenkenländchen statt, unter dem Motto: „Vielfalt tut gut“, ein Familienfest mit Bigband, Lesungen, Wildschwein am Spieß und Glühwein. Und diesmal kann es sein, dass die rechtsextreme NPD, die in Dahme- Spree besonders aktiv ist, jüngst gegen das Flüchtlingsheim in Pätz mobilisierte, demonstrativ Präsenz zeigt – und unbehelligt bleibt. Das Landgericht Potsdam hatte im Sommer ein Hausverbot gekippt, mit dem ein NPD-Kreistagsabgeordneter beim Halbe-Fest vor zwei Jahren des Platzes verwiesen wurde.

In zweiter Instanz hob das Landgericht einen anderslautenden Beschluss des Amtsgerichtes Königs Wusterhausen auf, ließ auch keine Revision zu. Die NPD triumphiert seitdem, forderte Landrat Stephan Loge (SPD) sogar zum Rücktritt auf. Und die Urteils-Begründung, nicht das Urteil, löste Irritationen bei den demokratischen Parteien aus: „Das Hausverbot ist wohl aufgrund der politischen Anschauung des Klägers ergangen und ist mithin diskriminierend“, heißt es im Beschluss.

Gleichwohl haben alle Beteiligten ihre Lehren daraus gezogen, um den Neonazis nicht erneut Steilvorlagen und juristische Siege zu liefern. Das damalige Hausverbot allein wegen der Anwesenheit des NPD-Funktionärs sei ein Fehler gewesen, sagt Schenkenländchen-Amtsdirektor Thomas Koriath heute. „Wenn sie nur anwesend sind, müssen wir das ertragen.“ Es sei zu befürchten, dass gerade diesmal Rechtsextreme beim Demokratiefest auftauchen. „Man muss mit Fingerspitzengefühl damit umgehen.“

Ähnlich äußert sich Kathrin Veik-Feldt vom lokalen „Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche“ in Halbe. „Wir hatten immer Besucher aus dem rechten Spektrum. Wir sind gewappnet, dass sie auch diesmal aufkreuzen. Wir können aber damit umgehen“, sagte Veik-Feldt. Es seien genügend Leute vor Ort, der Verfassungsschutz sei mit seinem Infomobil präsent. Und klar bleibe auch, dass man auch ordnungsrechtliche Maßnahmen ergreife, wenn es Störungen der Veranstaltung gebe. Allerdings, eine Konsequenz, aus dem Urteil des Potsdamer Landgerichtes, eben auch nur dann. Ob und in welcher Form sich die NPD in Halbe zeigt, ist unklar. Der Verfassungsschutz des Landes hat nach Auskunft von Ingo Decker, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums, „keine Erkenntnisse über konkrete Aktivitäten der rechtsextremen Szene in Vorbereitung der Veranstaltung in Halbe.“ Auch die Polizei hat keine, es gibt keine angemeldeten Demonstrationen. Und militante Provokationen „passen derzeit eigentlich nicht in deren Konzept, sich bürgernah zu präsentieren“, sagt etwa Veik-Feldt. Auf der anderen Seite beobachtet Landrat Stephan Loge (SPD), hochsensibel für rechtsextreme Aktivitäten in seinem Kreis, seit geraumer Zeit eine „Strategie der Einschüchterung durch Präsenz“ bei der NPD.

Das Landes-Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit hat ebenfalls auf das Urteil des Potsdamer Landgerichts reagiert. Im Internet wurde Mitte Oktober ein Leitfaden mit juristischen Hinweisen veröffentlicht: „Wie können wir verhindern, dass Rechtsextreme Veranstaltungen stören.“ Verfasser ist Anwalt Peer Stolle (Kanzlei Hummel Kaleck, Berlin), der auch NSU-Opfer vertritt. Auch er weist klar darauf hin, dass bei Veranstaltungen unter freiem Himmel eine Beschränkung des Teilnehmerkreises – also ein Ausschluss von Rechtsextremen – „rechtlich nicht möglich“ ist. Auch Teilnehmer, die ein Anliegen ablehnten, diese Haltung durch Zwischenrufe oder Transparente zeigten, müssten grundsätzlich geduldet werden. Gegen gröbliche Störungen dürfe eingeschritten werden, allerdings nicht vom Veranstalter - nur von der Polizei. Und die ist in Halbe natürlich präsent. (mit axf)

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