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Brandenburg: „Die Jäger wurden verunglimpft“

Georg Baumann, Chef des Landesjagdverbandes, über die Generalkritik des Naturschutzbundes an der Jägerschaft

Herr Baumann, Brandenburgs Jäger machen nahezu alles falsch, hat Nabu-Landesvorstand Helmut Brücher in einem PNN-Interview gesagt. Fühlen Sie sich persönlich angegriffen?

Nein, persönlich fühle ich mich nicht angegriffen. Allerdings verunglimpft Herr Brücher die rund 12 000 Jäger in Brandenburg, von denen übrigens viele auch Nabu-Mitglieder sind. Zudem geht seine Kritik an der Sache vorbei. Seine Äußerungen offenbaren schlicht mangelnde Sachkenntnis. Ob er damit als Mitglied des Jagdbeirats in Teltow-Fläming haltbar ist, darf zumindest bezweifelt werden.

Unter anderem wirft Brücher Ihnen vor, ständig nur auf dem Hochsitz rumzusitzen und zu warten, bis mal ein Reh vorbeikommt. So könne man dem steigenden Hirsch-, Reh- und Wildschweinbeständen nicht Herr werden. Nötig wären sogenannte Bewegungsjadgen.

Das zeigt die eben erwähnte Unkenntnis des Herrn Brücher. Bewegungsjagden sind seit Langem gelebte Praxis in den meisten Revieren Brandenburgs. Nur die Kombination aus engagierter Einzeljagd und Bewegungsjadgen bringen solche Jagderfolge, wie sie sich auch in der aktuellen Streckenstatistik ausdrücken.

Dabei gehe es den Jägern aber nur um Trophäen, behauptet der Nabu-Vorstand.

Er liegt mit seiner Behauptung falsch. Das wird ebenfalls eindrucksvoll durch die Streckenstatistiken widerlegt. Von den knapp 100 000 erlegten Stücken Rot-, Dam-, Muffel und Rehwild waren deutlich weniger als die Hälfte männlich. Es ist also eine weitaus größere Anzahl weiblicher Stücke gestreckt worden, denen bekanntermaßen kein Geweih wächst. Im Übrigen werden die Abschusszahlen genau festgelegt. Brandenburg ist in fast 4000 Jagdbezirke eingeteilt. Die verantwortlichen Jagdausübungsberechtigten müssen jedes Jahr einen Abschussplan für Schalenwild vorlegen, dem auch die Grundeigentümer zustimmen müssen. Dieser Plan wird dann von der Unteren Jagdbehörde des jeweilgen Kreises genehmigt. Und da wird genau festgelegt, wie viele männliche und weibliche Tiere einer Art geschossen werden müssen.

Was passiert, wenn ein Plan nicht eingehalten werden kann?

Im Extremfall kann die Behörde Zwangsabschüsse anordnen und durchführen lassen. Aber in der Regel werden die Abschusspläne dank der sehr engagierten Jäger und Förster erfüllt.

Wenn Bauern und Förster zu hohe Wildbestände und zunehmende Ausfälle durch Fraßschäden beklagen, sind die Abschusszahlen vielleicht zu niedrig angesetzt.

Die Forderungen, mehr zu schießen, bezieht sich ja vor allem auf die Wildschweine. Hier werden aufgrund der hohen Bestände grundsätzlich sogenannte Mindestabschusspläne festgelegt. Die Jäger dürfen beziehungsweise sollen so viel erlegen wie möglich – natürlich immer im Rahmen der geltenden Regeln zum Beispiel zum Muttertierschutz und so weiter. Es gibt immer ein Spannungsfeld aus Grundeigentümern, Jagdausübungsberechtigten und Landnutzern. Jagdausübungsberechtigte und Grundeigentümer haben direkten Einfluss auf die Abschusspläne und können diese nach ihren Vorstellungen gestalten. Die Behörde segnet die Pläne dann ab oder nicht.

Laut Brücher haben die Jagdpächter aber angeblich ein besonderes Interesse an möglichst hohen Tierbeständen. Immerhin sind die Pächter doch darauf angewiesen, dass die Jäger bei ihnen etwas zum Schießen finden. Oder nicht?

Sie müssen aber auch bedenken, dass die Pächter letztlich für den Wildschaden aufkommen müssen. Schon aus diesem Grund haben die Jäger ein starkes Eigeninteresse, die Wildbestände den landwirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.

Kritisiert wird auch, dass Rehböcke nur bis zum Herbst geschossen werden dürfen.

Es gibt Bestrebungen, die derzeitige Jagdzeit bis Ende Januar auszudehnen. Aus unserer Sicht ist dies nicht notwendig oder sogar kontraproduktiv, denn es besteht die Gefahr, dass überproportional viele Böcke erlegt werden, weil dann die Jagdsaison für Böcke länger wäre als die für weibliche Rehe.

Warum werden Hirsche, Rehe und Wildschweine von den Jägern zusätzlich gefüttert? Heißt es nicht immer, das ohnehin vorhandene Nahrungsangebot sei schuld an der rasanten Vermehrung?

Eine Fütterung ist nur in Notzeiten, die von den Behörden ausgerufen werden, und dann auch nur als Erhaltungsfütterung zulässig. Das, worauf Herr Brücher anspielt, sind sogenannte Kirrungen, wo in sehr geringem Maße Futter ausgebracht wird, um das Wild anzulocken und zu erlegen. Diese Mengen sind irrelevant und werden durch den teilweise nur so zu erzielenden Jagderfolg mehr als kompensiert.

Sie halten das übermäßige Futterangebot der Landwirtschaft, etwa durch den Anbau von Mais für die Energiegewinnung, für den Hauptgrund der steigenden Schalentierbestände. Was muss sich ändern?

Es ist nicht nur das Nahrungsangebot. Auch die Rückzugsmöglichkeiten. Das Wild kann sich in den großen Kulturen sehr gut verstecken. Wir müssen tatsächlich die Strukturen auf den Äckern ändern. Dies geht aber nur, wenn Landwirte, Jäger und andere Naturschützer an einem Strang ziehen und gemeinsame Sache machen. Wir engagieren uns zum Beispiel im Netzwerk Lebensraum Feldflur. Das ist ein Zusammenschluss zahlreicher Akteure aus der Jagd, des Naturschutzes und der Energiewirtschaft. Ziel ist es, die Mischung aus verschiedenen Wildpflanzenarten als eine ökologisch sinnvolle und ökonomisch tragfähige Ergänzung zu konventionellen Energiepflanzen zu etablieren. Dies schafft wertvolle Lebensräume, von denen alle Arten profitieren.

Wie einsichtig sind die Landwirte?

Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Landwirten. Auch sie haben Interesse daran, die Schäden zu verhüten. Die Zusammenarbeit ist in vielen Fällen sehr gut. An anderen Stellen ist noch mehr Kommunikation zwischen Jägern und Landwirten gefragt.

Ein Thema, das vor allem zwischen Naturschützern auf der einen und Landwirten und Jägern für Konflikte sorgt, ist der Wolf. Was haben Jäger gegen den Wolf?

Grundsätzlich begrüßt der Landesjagdverband die Rückkehr des Wolfes, allerdings muss man aufpassen, nicht nur das Märchen vom lieben Wolf vorbehaltlos zu verbreiten. Gerade die ländliche Bevölkerung ist von der Anwesenheit des Wolfes stark betroffen. Konflikte existieren und müssen auf sachlicher Basis gelöst werden. Wir vom Landesjagdverband beteiligen uns am Monitoring und schulen unsere Mitglieder zu speziellen Wolfskundigen. Diese liefern dem zuständigen Amt objektive Hinweise, die zu einer realistischen Bestandsaufnahme der Wölfe in Brandenburg beitragen.

Könnte der Wolf nicht, quasi als Kollege, den Jägern dabei helfen, die Wildbestände zu regulieren?

Dafür gibt es derzeit einfach zu wenige Erkenntnisse über den Wolf. Tatsache ist, dass die Bejagung von Reh und Co. in Wolfsgebieten deutlich erschwert wird. Einerseits sind die Rehe, Hirsche und Wildschweine viel vorsichtiger geworden. Zum Beispiel kommen sie nur noch nachts heraus. Vor allem das Rotwild schließt sich außerdem zu sehr großen Rudeln von bis zu 80 Tieren zusammen. Bei so großen Rudeln ist jedoch ein tierschutzgerechter Schuss äußerst schwierig. Das alles führt zu der paradoxen Situation, dass der Wildschaden in Wolfsgebieten sogar steigen kann.

Das Gespräch führte Matthias Matern

Georg Bauman (38), seit Januar 2013 hauptamtlicher

Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Brandenburg.

Baumann hat seit rund 22 Jahren den Jagdschein.

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