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Die Folgen der Agrarreform der DDR: Von Vielfalt keine Spur

Die Agrarstrukturen der DDR sind in Brandenburg nie wirklich zerschlagen worden

Der Markt liegt gleich vor der Tür – und doch können Brandenburgs Landwirte die Nachfrage in Berlin nach Agrarprodukten wie Obst, Gemüse, Fleisch nicht decken. Denn die Agrarwirtschaft in Brandenburg hat ein Problem: Die Betriebe sind im Vergleich der Bundesländer relativ groß, sie beackern also riesige Felder, doch sie schaffen zu wenige Arbeitsplätze und bringen der Region wirtschaftlich zu wenig. Die Beschäftigungsquote liegt bei 1,7 Arbeitskräften pro 100 Hektar und damit weit unter dem Bundesdurchschnitt von 3,3 Arbeitskräften. Es sind jene Großbetriebe, die nach der Wiedervereinigung aus den früheren Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) hervorgegangen sind. Sie prägen mit ihren riesigen Ackerflächen bis heute das Land.

Die Situation ist eine direkte Folge von Bodenreform, Zwangskollektivierung und der Privatisierung nach 1989 – vor allem der Art und Weise, wie die Politik die sozialistischen Großbetriebe in die Marktwirtschaft retten wollte. Zwar sollte ursprünglich durch die Umwandlung der LPG-Betriebe „eine vielfältig strukturierte Landwirtschaft“ und Privateigentum im Osten Deutschlands wiederhergestellt werden. Doch die Vielfalt ist auf der Strecke geblieben – und das war politisch gewollt.

Das Ganze ist in Brandenburg inzwischen gut dokumentiert, durch eine Enquetekommission des Landtags Brandenburg zu den Nachwendejahren des Landes und zum Umgang mit dem DDR-Erbe. Für den Historiker Arnd Bauerkämper von der Freien Universität (FU) Berlin, der für die Kommission Gutachten erstellte, ist etwa die „Kontinuität agrarischer Eliten“ nach der Wende augenfällig.

LPG-Chefs hätten ihre Beziehungen und die Chance der chaotischen Zeit nach der Wende für sich genutzt. Das Land, das Bauern in der DDR zwangsweise ins Kollektiv der LPG einbringen mussten, wurde plötzlich Eigentum privatwirtschaftlich geführter Betriebe. Neubauern, die mit der Bodenreform Land mühsam erwerben konnten und über Jahrzehnte die Kredite abbezahlten, es dann aber an die LPG abgeben mussten, bekamen oft nichts zurück.

Der Thüringer Jurist und Gutachter Walter Bayer stellte für die Enquetekommission grobe Rechtsverstöße bei der Umwandlung der Betriebe fest. Zwei Drittel der Vermögensauseinandersetzungen seien unrechtmäßig verlaufen. Bei diesen vorgeschriebenen Verfahren sollte berechnet werden, welchem Bauern was an der LPG gehört und was seine Arbeitsleistung wert war. Stattdessen wurde bei den zwielichtigen LPG-Umwandlungen massiv Eigentum verschleiert, um einst zwangskollektivierte Bauern nicht entschädigen zu müssen.

Trotz offensichtlicher Rechtsverstöße sind die Betriebe bei den Registergerichten als Nachfolgeunternehmen eingetragen worden – nach Erkenntnissen Bayers wegen mangelnder Kontrolle der Behörden und der Registergerichte. Diese sollten zwar infolge der Enquetekommission besonders umstrittene Umwandlungen noch mal prüfen. Doch viele Firmen gibt es gar nicht mehr, andere verlegten ihren Sitz.

25 Jahre nach der Wiedervereinigung lässt sich das Unrecht kaum mehr heilen. Und die Landesregierung zeigt damals wie heute wenig Interesse. Der Bestand der früheren LPG sollte nicht gefährdet werden, skizzierte Bayer die Linie der Politik. Sie habe die DDR-Agrarstrukturen nie wirklich zerschlagen – zulasten von Landwirten, die aus den Genossenschaften austraten und es selbst versuchten.

Die Folge: Kleinbauern und Mittelstand haben kaum eine Chance gehabt, die Strukturen aus der DDR sind konserviert worden, Nachfolgebetriebe der LPG dominieren.

Eine direkte Folge dieser Politik lässt sich im ganzen Land beobachten. Landwirte klagen über explodierende Bodenpreise, die überwiegend kargen märkischen Äcker mit ihren Monokulturen aus Mais oder Raps für die Biomasse- Energie sind in Zeiten des Niedrigzinses zum Spekulations- und Anlageobjekt geworden. Großinvestoren interessieren sich für die Brandenburger Furche und kaufen sich in die früheren LPG-Betriebe ein. Einer der größten Agrarinvestoren im Land ist die Hamburger KTG Agrar Holding. Sie bewirtschaftet – hochtechnisiert und satellitengestützt – in Ostdeutschland rund 45 000 Hektar Fläche, vor allem in Brandenburg. Künftig ist die Holding mit Kapital eines chinesischen Fonds ausgestattet, um auf Einkaufstour zu gehen. Eines der Kerngeschäfte der Holding ist nach eigener Darstellung: „Kleine Flächen kaufen, arrondieren und mit Gewinn verkaufen.“ Alexander Fröhlich

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