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Brandenburg: Die Familienpartei

Bei der Versorgung von Genossen mit Posten ist die Linke nicht besser als andere Parteien. Nur fehlt ihr das Handwerk. Ein Sittengemälde

Potsdam - Potsdam - Keine andere Personalentscheidung in der rot-roten Landesregierung hat derart viel Entrüstung ausgelöst. Justizminister Volkmar Schöneburg und Umweltministerin Anita Tack (beide Linke) müssen sich derzeit wegen der geplanten Versetzung zweier Abteilungsleiter harte Kritik anhören. Ihnen wird unrechtmäßige Amtsführung vorgeworfen. Die Vorgänge in beiden Ministerien werfen auch ein Schlaglicht auf die Personalpolitik, die die Linke seit 2012 betreibt.

Dass Regierungsparteien insbesondere vor Wahlen Posten an die ihrigen verteilen, ist nicht neu. Das war auch bei der CDU 2009 vor der Landtagswahl so, nach der sie in die Opposition ging. In Brandenburg erstaunt aber das Tempo, mit dem die Linken Genossen – und auch Familienangehörige von Genossen – unterbringen. Erstaunlich ist auch, wie handwerklich ungeschickt die Linke dabei vorgeht. Beim Koalitionspartner SPD ist man seit dem Eklat um die Rochade des Zentralabteilungsleiters im Umweltressort mit der Abteilungsleiterin im Justizministerium hochnervös. Führende Sozialdemokraten fürchten, dass auch andere Personalentscheidungen thematisiert werden. Ein Überblick:

Linke Familienbande

Als 2009 in Brandenburg die Linke in Regierungsverantwortung kam, gab es auch in Berlin noch eine rot-rote Koalition. In Brandenburg aber fehlte Personal mit Erfahrung von Regierungsverwaltung. Als 2011 die Linke Regierungsverantwortung verlor, wurden in Brandenburg von der Linken eingesetzte Parteilose aussortiert.

Seither werden in Brandenburgs Landesverwaltung vermehrt Genossen aus Berlin eingestellt und mit Posten versorgt. Und mit näher rückendem Ende der Wahlperiode in Brandenburg, wo im September 2014 der Landtag gewählt wird, wird in den Hausspitzen an weiteren Personalentscheidungen gebastelt. Bei einigen Personalien scheint es, dass die Linke an ihrem Profil als Familienpartei arbeitet. Zum Beispiel Stephan Schulz: Er ist Referent für Bundesratskoordination im Büro von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, fand den Weg aus dem Umfeld der Berliner Linken nach Potsdam. Schulz war Pressesprecher des Linken Berliner Wirtschaftssenators Harald Wolff und ist der Lebensgefährte von Carola Blum (Linke), die bis zur Berlin-Wahl 2011 Berliner Arbeitssenatorin war.

Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) stellte ohne öffentliches Ausschreibungsverfahren eine Verwandte in seinem Umfeld ein – zunächst als Mitarbeiterin in der Pressestelle, später als seine Persönliche Referentin. Der Mann von Diana Golze, Linken-Bundestagsabgeordnete und Spitzenkandidatin der brandenburgischen Linken zur Bundestagswahl, wurde 2012 persönlicher Referent von Justiz-Staatssekretär Ronald Pienkny. Sven S., ein aufstrebender junger märkischer Richter, wurde 2012 im Justizministerium Referatsleiter. Das Referat war erst wenige Monate zuvor gegründet worden. In einer ordentlichen Ausschreibung hatte sich ein Richter vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg durchgesetzt. Er kam und wollte bleiben, durfte aber nicht. Statt seiner wurde Sven S. eingesetzt – ein Ausschreibungs- oder Interessenbekundungsverfahren gab es bisher nicht. Sven S. war der Ehemann von Anne S., der Büroleiterin von Finanzminister Helmuth Markov (Linke). Der höher qualifizierte Berliner OVG-Richter ist noch immer entsetzt über den Umgang mit ihm im Brandenburgischen.

Verbeamtete Staatssekretäre

Eigentlich hatte die Linke stets etwas gegen den Status von Staatssekretären als politische Beamte. Für die Linke entspricht dies einem veralteten Staatsverständnis. Dennoch wurde Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski (44) Mitte 2012 – nach zweieinhalb Jahren im Amt – verbeamtet. Für den Fall, dass es nach der Landtagswahl 2014 keine Neuauflage des rot-roten Regierungsbündnisses gibt und Trochowski ihren Job verliert, ist sie gut versorgt. Der Beamtenstatus sichert ihr Versorgungsbezüge und Ruhegehälter, wenn sie aus der Regierung ausscheidet. Die zweieinhalb Jahre als Angestellte werden ihr bei der Berechnung der Versorgungsbezüge angerechnet. Nach fünf Jahren und beim Ausscheiden aus dem Dienst bekommt sie sechs Monate lang Übergangsgeld und dann jeden Monat ein Drittel ihres früheren Verdienstes, also etwa 3000 Euro – und das bis zur Pensionierung. Ronald Pienkny, bis Mitte 2012 Büroleiter von Justizminister Schöneburg, ist mit seiner Ernennung zum Staatssekretär verbeamtet worden. Er selbst hatte auf den Beamtenstatus Wert gelegt – von Rechts und der hoheitlichen Aufgaben wegen. Das Justizressort sei ein Verfassungsministerium und die Vorgaben für Staatssekretäre eindeutig. Da spiele es keine Rolle, was die Partei sagt, erklärte Pienkny damals. 

Überhaupt die Staatssekretäre: Die Linken waren gleich mit drei parteilosen Spitzenbediensteten hinter ihren Ministern gestartet: Daniel Rühmkorf diente Umwelt- und Gesundheitsministerin Tack. Justizminister Schöneburg war mit Sabine Stachwitz angetreten. Und Wirtschaftsminister Christoffers hatte mit Henning Heidemanns überrascht, der bislang eher als SPD-nah galt und Abteilungsleiter im Finanzministerium und der Staatskanzlei war. Vom parteilosen Trio ist nur einer noch im Amt. Rühmkorf, bis 2009 tätig als Referent in der Linksfraktion des Bundestags, aber parteilos, wurde 2012 unsanft von Tack abserviert – und durch ein Parteimitglied ersetzt: Almuth Hartwig-Tiedt, bis Ende 2011 im früheren rot-roten Berliner Senat Staatssekretärin (damals hieß sie noch Almuth Nehring-Venus) von Wirtschaftssenator Wolff. Nach dem Koalitionswechsel in Berlin war sie für neue Aufgaben frei. Brandenburgs Linke schaffte Platz für sie. Rühmkorf ist noch immer wütend über den Umgang mit ihm.

Rühmkorf wurde von Linksfraktionschef Christian Görke angedichtet, er orientiere sich jetzt neu: Ihm blieb schlicht nichts anderes übrig. Denn während die Linken-Staatssekretäre Trochowski und Pienkny verbeamtet wurden, bekam er noch drei Monate sein Gehalt – dann war es das mit der Fürsorge aus Brandenburg. Görke ist übrigens auch Haushaltsexperte der Linksfraktion – und liiert mit Anne S., der Büroleiterin von Finanzminister Markov, deren Ex-Mann bei Justizminister Schöneburg die schöne IT-Stelle bekam.

Verwundert ist auch noch immer Ex-Justizstaatssekretärin Stachwitz, die durch einen bis dahin unauffälligen Kommunalbeamten aus Oberhavel ersetzt wurde: Roland Pienkny, bis dahin Amtsleiter in Birkenwerder (Oberhavel). Bei Stachwitz, damals gerade 68 Jahre alt, hieß es, sie gehe aus Altersgründen. Sie selbst ließ durchblicken, dass sie auch noch zwei weitere Jahr geschafft – und gewollt – hätte.

Dass es noch einen parteilosen Staatssekretär bei den Linken gibt, ist auch nur Zufall: Wirtschaftsstaatssekretär Henning Heidemanns sollte nach dem Willen der Linken 2012 zusammen mit Rühmkorf und Stachwitz abserviert werden – sein Minister stellte sich aber vor ihn. Wohl weil er fürchtete, bald selbst dran zu sein. Doch die Loyalität zu Heidemanns hielt nicht lang: Im Sommer entschied Christoffers, dass es mit dem 55-jährigen Heidemanns nicht mehr geht. Er sollte in den vorläufigen Ruhestand versetzt werden. Dann ging viel schief. Die Personalie wurde bekannt – weil Christoffers sie ungeschickt nach dem krankheitsbedingten Rücktritt von Regierungsschef Matthias Platzeck (SPD) platzierte. Die Versetzung eines Beamten in den vorläufigen Ruhestand bei ordentlichen Versorgungsansprüchen wäre die erste Personalentscheidung des neuen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke gewesen. Seitdem ist Christoffers Haus führungslos: Heidemanns ist krankgeschrieben, bis zum Jahresende rechnet man im Ministerium nicht mehr mit dem Chef der Verwaltung.

Weitere Personalien

Die Ungeschicklichkeit des Wirtschaftsministers war das Pech des schon ausgewählten Heidemanns-Nachfolgers: Der Linksparteifunktionär Gerry Woop konnte seine neue Stelle in Potsdam nicht antreten. Woop ist Referatsleiter bei der Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund, zuständig für Bundesrat, Wirtschaft und Ökologie. Auch Woop stammt aus dem Umfeeld von Berlins Ex-Wirtschaftssenator Wolff: Dem diente er von 2006 bis 2009 als Büroleiter. Bis er in Brandenburg unterkam, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Linke-Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich. Woop tritt öffentlich als Verfasser von Positions- und Thesenpapieren zur Linken-Bundespolitik in Erscheinung. Die Frage ist, ob Christoffers Woop noch vor der Landtagswahl auf den lukrativen Posten eines Staatssekretärs bekommt.

Vor Woop war schon ein anderer Politikstratege der Linken nicht bei Christoffers untergekommen. Einer der wichtigsten Strategen der Linkspartei, Thomas Falkner, hatte sich als Referatsleiter bei seinem Genossen beworben. Falkner ist Vorstandsreferent der Landtagsfraktion der Linken und hochgeachteter Autor wichtiger Thesenpapiere der Linken. Sein Problem: Seine Versorgung im Landesdienst scheiterte an einer früheren Tätigkeit für den DDR-Geheimdienst.

Personalsorgen hat Christoffers offensichtlich mehrere – auch mit der Ehefrau seines Staatssekretärs Heidemanns. Regine Heidemanns, derzeit in Elternzeit, ist Leiterin der Zentralabteilung im Wirtschaftsressort und ihrem Mann direkt unterstellt. Deshalb will Christoffers sie seit wenigen Wochen plötzlich loswerden. Im Hause wundern sich nun viele: Christoffers war informiert über die Interessenkollision. Sogar eine Versetzung der Abteilungsleiterin in ein anderes Ministerium war im Gespräch. Christoffers lehnte ab. Doch nun, kurz vor der Landtagswahl, da auch in anderen Ministerien noch Posten frei gemacht werden, störte sich Christoffers doch wieder an der Konstellation.

Insgeheim hoffte man bei den Linken lange, das Problem erledige sich von selbst: dass Regine Heidemanns, einst Büroleiterin von Ex-Kulturministerin Johanna Wanka, der CDU-Politikerin nach Hannover in die niedersächsische Landesregierung oder bei Wankas Ernennung zur Bundeswissenschaftsministerin dann nach Berlin folgen würde. Auch bei den beiden Abteilungsleitern, für die Schöneburg und Tack eine Rochade vorsehen, hoffte man bei den Linken, dass sie von selbst gehen. Susanne Hoffmann, seit dem Frühjahr Leiterin der Abteilung III im Justizressort (Strafrecht, Strafvollzug, Fachaufsicht über Staatsanwaltschaften), laut Richterbund eine „anerkannte und in höchstem Maße versierte Strafrechts- und Justizexpertin“, hat ein Angebot aus Berlin, will aber bleiben. Und bei Ralf Andrä, Leiter der Zentralabteilung in Tacks Umweltressort, der als Nicht-Jurist Hoffmanns Posten bekommen soll, dachte man bei der Linken, er ließe sich vorzeitig pensionieren.

Geklappt hat nichts von allem.

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