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Brandenburg: Die Energie des Drachen

Die brandenburgische Firma Enerkite hat herkömmlichen Windrädern den Kampf angesagt. Ihre Waffe ist ein Gleitschirm, der Strom erzeugt

Von Matthias Matern

Potsdam - Christian Gebhardt und Alexander Bormann wollen möglichst hoch hinaus. Denn ganz oben, sind sich die beiden Gründer der Firma Enerkite mit Sitz in Kleinmachnow und Berlin sicher, wartet das große Geschäft. Mit ihrer Erfindung wollen die beiden nichts anderes, als den herkömmlichen Windenergiemarkt revolutionieren. Statt der üblichen Windräder sollen künftig Drachen am Himmel ihre Kreise ziehen, die dabei entstehende Kraft über ein Seil auf eine Generatorwinde übertragen und so Strom produzieren. „Es geht im weitesten Sinne darum, die alten Windmühlen zu ersetzen. Aber wir wollen auch den Einsatzbereich für Windkraft erweitern“, erzählt Drachen-Designer Christian Gebhardt. So könnte die Technologie zum Beispiel zur denzentralen Versorgung in Regionen genutzt werden, wo sich der Aufbau eines Stromleitungsnetzes nicht lohnt, oder aber als mobiles Notstromaggregat in Krisengebieten zum Einsatz kommen.

Noch allerdings fliegt EK 30, so der Name des ersten Prototypen der noch jungen Firma, lediglich zu Testzwecken – und verbrennt dabei Kapital, statt welches anzuhäufen. „Bislang hat die Arbeit vor allem viel Zeit und Geld gekostet“, räumt Firmenchef Alexander Bormann ein. Der 43-jährige Potsdamer ist selbst leidenschaftlicher Gleitschirmflieger, hat bei Interflug Flugzeugmechaniker gelernt und später in Kiew Luftfahrtingenieur studiert. Gegründet wurde Enerkite vor vier Jahren aus der Zeuthener Firma „a+i“ und der TU-Berlin-Ausgründung „Aeroix“. Mitte September hat das Unternehmen die 30 Kilowatt-Anlage erstmals auf der weltweit wichtigsten Messe für Windenergietechnik, der „Windenergy“, in Husum in Schleswig-Holstein vorgestellt. „Das Interesse war groß und selbst gestandene Entwickler waren sehr aufgeschlossen“, freut sich Gebhardt.

Derzeit werkelt das achtköpfige Team, darunter Luft- und Raumfahrtingenieure, Maschinenbauer, Mathematiker und Reglungstechniker, in einer Werkstatt in der Ackerstraße in Berlin-Wedding an der nächsten Generation Drachen. Während das aktuelle Modell noch wie ein herkömmlicher Gleitschirm aus dem Freizeitbereich anmutet, besteht sein Nachfolger aus einem starren Hightech-Material und wiegt wenger als zehn Kilogramm. An einem Seilzug baumelnd wartet das fast fertige Fluggerät auf seinen in Kürze geplanten ersten Einsatz auf dem Enerkite-Testgelände bei Pritzwalk in der Prignitz.

Dabei ist der Drache zwar optisch das spektakulärste Teil der Anlage, aber nicht das kniffligste. „Die Herausforderung ist die Entwicklung eines Autopiloten, der die entsprechenden Prozesse regelt“, meint Christian Gebhardt. Die entsprechende Software wurde von den beiden Vorgängerfirmen 2008 entwickelt und von der brandenburgischen Investitionsbank mit fast 500 000 Euro gefördert. Im Grunde besteht der Prozess der Stromgewinnung aus zwei Phasen. In der ersten steigt der Drache in einer Höhe von bis zu 300 Metern, beschreibt dabei eine Acht und zieht das Seil an der Generatorwinde. In der zweiten Phase, dem sogenannten Rückholmodus, wird der Drache mit vergleichsweise deutlich geringerem Energieaufwand wieder in Richtung Boden gezogen. Die Idee, Drachen zur Energiegewinnung zu nutzen, gibt es bereist seit knapp zehn Jahern. Auch in den USA wird an der Technologie geforscht. So entwickelt die Firma Makani in Kalifornien etwa ein ähnliches System, erhielt dafür sogar Geld von Google. Außerdem treiben noch Firmen in den Niederlanden und in Italien die Entwicklung voran. Allerdings unterscheiden sich die Ansätze. Die einen lassen den Generator mit in die Luft steigen, die anderen ziehen die getrennte Anordung vor.

Gegenüber den herkömmlichen Windmühlen ist ihr Drachen klar im Vorteil, sind sich Bormann und Gebhardt sicher. „Wir haben erst einmal einen Riesenrespekt davor, wie weit es die Windkraft schon geschafft hat“, versichern die EK30-Designer. Die Kernfrage aber sei, wie man mit weniger Materialaufwand in noch größerer Höhe Wind ernten könne. „In großer Höhe weht der Wind stärker und vor allem beständiger“, sagt Gebhardt. „Doppelte Windgeschwindigkeit verachtfacht zumindest theoretisch den Ertrag“, ergänzt ein Kollege, der nebenan über seinen Laptop gebeugt am Arbeitsplatz sitzt.

Zudem ermöglicht die große Flexibilität der Anlage auch einen temporären Einsatz in Krisengebieten. „Wir brauchen kein Fundament“, sagt Gebhardt. Statt eines Dieselgenerators in ein Überschwemmungsgebiet zu bringen, für den dann auch noch der Dieselnachschub organisiert werden müsse, könne das Technische Hilfswerk besser eine Containeranlage unserer Technologie hinstellen. Geeignet sei EK30 auch als Energieversorgung in Regionen, die abseits der Stromnetze lägen, meint der 38-jährige Drachen-Experte. Doch Firmenchef Alexander Bormann geht es nicht nur um das Geld. Er wolle auch das immer wiederkehrende Argument der Befürworter fossiler Energieträger entkräften, wegen der Leistungsschwankungen der Erneuerbaren Energien würden weiterhin Gas- und Kohlekraftwerke benötigt. „Wir brauchen einfach pfiffige Ideen“, meint der Luftfahrtingenieur.

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