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Brandenburg: Die Charité hat viel zu erklären

Die Verbreitung von Keimen in der Frühchenstation der Universitätsklinik in Berlin bleibt rätselhaft. Und der Senat will sich nicht einmischen

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Berlin - Nach dem Tod eines mit Keimen infizierten Babys und der Erkrankung von sieben Kindern in der Berliner Charité wächst die Kritik an der Klinikhygiene. Der Chef der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, Klaus-Dieter Zastrow, widersprach der Darstellung, ein solcher Keimbefall lasse sich nicht verhindern. Solche Keime fliegen nicht durch die Luft, vielmehr werden sie durch Menschen übertragen. In zahlreichen Kliniken halten sich die Ärzte und Schwestern nicht an grundlegende Hygienestandards. Personal- und Zeitnot machen die Lage nicht besser.

Am Wochenende war ein Neugeborenes nach einer Herzoperation im Deutschen Herzzentrum Berlin an einer Blutvergiftung gestorben. Ursache war eine Infektion mit sogenannten Serratien-Bakterien, die es sich offensichtlich zuvor auf der Neugeborenenstation des Virchow-Klinikums der Charité in Berlin-Wedding zugezogen hat. Der verstorbene Säugling war nach der Geburt wegen seines Herzfehlers zunächst auf die Neugeborenenstation gekommen und für die Operation ins nebenan gelegene Herzzentrum verlegt worden. Noch fünf Tage vor der Verlegung waren bei einem Hautabstrich bei dem Baby aber keine Serratien gefunden worden. Da es an der Charité in Wedding zuletzt mehrere Infektionen von Frühgeborenen mit dem Erreger gab, ist es wahrscheinlich, dass der Todesfall mit den Erkrankungen der Charité zusammenhänte. Insgesamt seien an der Charité in Wedding derzeit sieben Säuglinge an dem Serratien-Bakterium im Blut erkrankt, hatte die Klinikleitung am Samstag eingeräumt. Zum Todestag und dem Geschlecht hatte die Charité am Samstag aus Datenschutzgründen keine Angaben gemacht.

Zastrow kritisierte auch die seiner Ansicht nach widersprüchlichen Angaben über den Ablauf der Ereignisse. So habe zunächst niemand von erkrankten Kindern gesprochen. Bei den meisten Frühchen auf der Station seien die Keime nur auf der Haut festgestellt worden, ohne dass sie erkrankten – man spricht in solchen Fällen von Besiedlung oder Befall. Bei den sieben erkrankten Kindern sei der Keim aber in den Darm, die Lunge oder ins Blut gelangt. Auch das sei auf einer Frühchenstation, in der auf strengste Hygiene geachtet werden müsse, nicht normal.

Unklarheiten gibt es auch in der Informationspolitik. Die Universitätsklinik Charité hatte wohl am 8. Oktober wie vorgeschrieben das zuständige Gesundheitsamt in Mitte informiert, das wiederum mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) weitere Schritte beraten hat. Doch bekannt gemacht wurde der Vorfall erst am Wochenende, wann genau das Baby gestorben ist, steht bislang nicht fest. Von Gesundheitsexperten und Verwaltungsmitarbeitern hieß es, dass das Schließen einer Krankenstation nur der letzte Schritt sei. Gerade eine so zentrale, öffentliche Klinik wie die Charité habe „einen besonderen Versorgungsauftrag“. Außerdem gelte es, Panik zu vermeiden, viele Keime könnten effizient bekämpft werden, ohne dass man Stationen schließen müsse.

Die von den Ämtern in Absprache mit den Charité-Experten vereinbarten Maßnahmen haben aber offenbar nicht ausgereicht – im Gegenteil: Bis zum Wochenende war von 22 Neugeborenen die Rede, bei denen Keime gefunden wurden: Die Charité teilte am Sonntag mit, man habe nach wie vor sieben Patienten mit einer Infektionen und weitere 15 Patienten mit einem oberflächlichen Keimnachweis ohne Erkrankung gezählt. Alle betroffenen Kinder seien in einem stabilen Zustand.

In den vergangenen Tagen waren umfangreiche Schutzmaßnahmen eingeleitet worden. Dazu gehörte nach Charité-Angaben eine Teilung der beiden betroffenen Stationen nach infizierten und nicht infizierten Patienten, denen verschiedene Schwestern und Pfleger zugeordnet wurden.

Am Freitag hatte es wie berichtet ein Treffen von Charité-Verantwortlichen, Amtsärzten und Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) gegeben. Der Senator lässt sich nun täglich einen Lagebericht zukommen. Politisch ist Czaja allerdings nicht für die landeseigene Charité zuständig. Als Universitätsklinik untersteht sie Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Ein Sprecher sagte, dass sich die Senatorin als Aufsichtsratsvorsitzende nicht in das Alltagsgeschäft der Klinik einmische. Zunächst seien die Gesundheitsämter der Bezirke zuständig, dann das Lageso. Es sei rechtlich und fachlich unsinnig, wenn sich Politiker in die Entscheidungen der verantwortlichen Mediziner einmischen.

Den genauen Ablauf der Ereignisse will die Opposition im Abgeordnetenhaus in den kommenden Wochen klären lassen. Erste Probleme mit den nachgewiesenen Serratien-Keimen hatte es an der Charité bereits im Juli gegeben. Damals habe womöglich eine infizierte Mutter das Bakterium an ihr Neugeborenes weitergegeben – Besucher bringen viele der in Kliniken unerwünschten Keime mit. Serratien sind Bakterien, die zur Darmflora gehören und bei gesunden Menschen ungefährlich sind. Die Bakterien gelten als leicht zu behandeln, sie können jedoch bei Kleinkindern und Senioren gefährlich werden. Sandra Dassler, Hannes Heine

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