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Abgeblitzt: Polizeipräsident von Schwerin (l) scheiterte mit seinen Warnungen an Innenminister Ziel (SPD; r). In der Mitte: von Schwerins Polizeiführer Peter Schultheiß.

© Manfred Thomas

Brandenburg: Die Angst des Polizeipräsidenten vor seinen Stasileuten

Deltef Graf von Schwerin berichtete in der Enquetekommission, wie leicht es das Innenministerium früheren Spitzel gemacht hat

Potsdam - Als Detlef Graf von Schwerin 1991 in Potsdam Polizeipräsident wurde, ging es in der Landeshauptstadt drunter und drüber. „Die polizeiliche Lage war kritisch. Die Unfallzahlen schnellten nach oben, die allgemeine Kriminalität war extrem angestiegen. Potsdam hatte die höchste Kriminalitätsbelastung in Deutschland“, sagt der 68-Jährige. Das alles in den Griff bekommen sollte von Schwerin mit einem Apparat von 2300 Beamten. Doch das war nicht das einzige Problem. Schlaflose Nächte, wie er sagt, bereiteten dem Polizeipräsidenten die rund 530 früheren hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und die rund 60 führeren Beamten der politischen Polizeiabteilung K1 – und wie leicht es ihnen in Brandenburg gemacht wurde. „Ich habe große Schwierigkeiten damit, wie es gelaufen ist“, sagte er.

Dass Brandenburgs Polizei ein Stasi-Problem hat, ist nicht neu. 242 hauptamtliche und 1238 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter wurden in den Landespolizeidienst übernommen. In keinem anderen Bundesland ist der Anteil der nicht aus dem Dienst entlassenen Beamten mit Stasi-Vita so hoch wie hier. In der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes (LKA) sind ein Drittel der Beamten stasi-belastet. Selbst der amtierende Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat angesichts immer neuer enttarnter früherer Mitarbeiter der Staatssicherheit über die Überprüfungen Anfang der 1990er Jahre schon feststellen müssen: „Ich bin mitunter überrascht, welche Leute da eingestellt worden sind.“

Doch was genau das in der Praxis der Polizeiarbeit, aus der Innensicht bedeutet hat, wie das Innenministerium damals politisch agiert hat und wie es mit dem früheren Stasi-Mitarbeitern umgegangen ist, was dieser Brandenburger Weg – keine Rache, sondern eine zweite Chance – bedeutete, darüber ist wenig bekannt. Erstmals hat mit Detlef Graf von Schwerin ein früherer hoher Polizeibeamter, ein Polizeipräsident zumal, darüber vor der Enquetekommission des Landtags zur DDR-Aufarbeitung berichtet. Fast war es so, also müsse sich von Schwerin das einmal von der Seele reden. „Das hat mich extrem belastet“, sagte er.

Nur 184 der 530 stasi-belasteten Polizisten des Potsdamer Präsidiums hatten bei der Befragung Ende 1990 eine Tätigkeit für die Staatssicherheit eingeräumt. Der Rest verschwieg die Vergangenheit als hauptamtlicher oder inoffizieller Stasi-Mitarbeiter – und das mehrfach. Zunächst im Fragebogen und dann einige Jahre später auch im Zuge der Verbeamtung. Eindeutig eine arglistige Täuschung, sie hätten dafür entlassen werden können. Doch stattdessen ließ der damalige Innenminister und heutige Landtagsabgeordnete Alwin Ziel (SPD) eine Einzelfallprüfung durchführen, die äußerst nachsichtig war. 74 Prozent der Beamten, die der Lüge überführt wurden, konnten weitermachen. Was zählte, was, dass sie sich distanzierten von ihrer Vergangenheit, die Umstände ihrer Stasi-Mitarbeit und wie sie sich gemacht haben als Polizisten im Rechtsstaat. Ex-Polizeipräsident von Schwerin dagegen sagte: „Es ist schwierig damit umzugehen, dass Polizisten im Dienst geblieben sind, obwohl sie nachweislich gelogen haben.“ Das Innenministerium habe die rechtlichen Möglichkeiten im Umgang mit diesen Mitarbeitern sehr großzügig ausgelegt.

Er selbst habe ab1993 überhaupt keine Entscheidungsgewalt mehr gehabt, zentral zuständig war fortan das Innenministerium. Er habe nur Empfehlungen zu Personalien geben können, und er kannte die Stasiakten und Bescheide der Stasiunterlagenbehörden, er wusste, wer da bei ihm arbeitete. Gegenüber den großzügigen Ermessensentscheidungen des Innenministeriums habe er sich deshalb ohnmächtig gefühlt. Stattdessen wäre von Beginn an eine aktive Personalpoltik nötig gewesen, „um zu verhindern, dass sich belastete Mitarbeiter im Schutz der Großorganisaiton unsichtbar machen können“.

Besonders deutlich wird das bei den rund 60 Beamten im Polizeipräsidium Potsdam und etwa 300 brandenburgweit, die in der DDR in der politischen Polizeiabteilung K1 tätig waren, einer Art Staatssicherheit der Volkspolizei und eng mit der Stasi verbandelt. Diese Leute hielt der Polizeipräsident von Charakter und Persönlichkeit nicht geeignet für einen Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Dienst, wo die Beamten für Führungspositionen infrage kommen. „Ich habe im Februar 1992 einen umfangreichen Vermerk gemacht und dem Minister in der Hoffnung übergeben, dass mit dem Thema in irgendeiner Form umgegangen wird“, sagte von Schwerin. In Berlin müssten die K1-Beamten die Polizei verlassen. „Es ist nichts passiert“, sagte von Schwerin. Im Polizeipräsidium Potsdam konnte ein Ex-K1-Mann sogar Personalchef werden und aufsteigen, so wie alle früheren K1-Mitarbeiter besonders an einem Aufstieg interessiert waren. Mehrfach hat sich der Polizeipräsident an Innenminister Ziel gewandt. Geschehen ist nichts. „Es wurde deutlich, dass diesen Leuten kein Stein in den Weg gelegt werden würde.“ Und: „Das Ministerium hat die Möglichkeiten, die es gab, um das rechtlich einwandfrei zu beeinflussen, nicht genutzt.“

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