zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Die Alte Oder versumpft“

Der Fluss muss ausgebaggert werden, fordern Landwirte. Damit Regen abfließt

Potsdam - Sie sprechen von „einem Propfen“, von einer Art „Arterienverkalkung“ ihres Landstriches. Wenn Bauern im Oderbruch über die komplizierte Entwässerung ihrer einst vom Alten Fritz trockengelegten Heimat reden, verwenden sie solche Bilder – und ärgern sich. Vor allem im Hinblick auf die Wriezener Alte Oder. Denn dieses Flüsschen bietet nicht nur verwunschene Naturoasen, es hat auch eine wichtige Funktion als sogenannter Hauptvorfluter. Die Alte Oder nimmt das Regenwasser aus Gräben und Kanälen zwischen Äckern und Wiesen auf und leitet es in den große Oderfluss. Doch dieser zentrale Ablauf droht zu verstopfen.

„Er verlandet und versumpft“, sagt der Chef des Bauernbundes Reinhard Jung. Auch der Bauernverband rügt „die Untätigkeit“ der Landesregierung. „Muss erst wieder ein großer Regen kommen, der unsere Felder überschwemmt, bevor etwas geschieht?“, fragt dessen Vizepräsident und Geschäftsführer in Märkisch-Oderland, Henrik Wendorff.

Die Sorge ist verständlich. Im August 2010 setzten wolkenbruchartige Regenfälle große landwirtschaftliche Flächen wochenlang unter Wasser. Die Ernteausfälle waren enorm. Deshalb fordern beide Bauernorganisation eine „Grundräumung“ der Wriezener Alten Oder. Der Flusslauf müsse konsequent ausgebaggert werden, sagt Reinhard Jung. Denn: „Jahrzehntelang sind Sumpf und Schlick am Boden angewachsen, seit mindestens 70 Jahren wird das überwiegend hingenommen.“ Um den Ablauf zu verbessern, müsse auch der Schilfbewuchs entschiedener als bisher eingedämmt werden.

Gleiches fordern die Landwirte für zwei weitere Hauptvorfluter des Oderbruchs: den Letschiner Hauptgraben und die Mucker. Der Hauptgraben bietet derzeit ein teils wüstes Bild. Böschungen und Uferbefestigungen sind abgerutscht und eingebrochen. „Der Graben muss dringend wiederhergerichtet werden“, sagt Bauer Manfred Wercham in Wilhelmsaue. Er will nicht erneut hohe Verluste auf überfluteten Weizen- und Sonnenblumenfeldern erleiden wie 2010.

Damals, nach der großen Himmelsflut, hatten das Potsdamer Agrarministerium und das Landesumweltamt Aktionsprogramme zur besseren Entwässerung versprochen. Mehr als 11 Millionen Euro sollten investiert werden – und zwar vorrangig in die sogenannten Gewässer erster Ordnung, also in die Hauptvorfluter, weil für diese alleine das Land zuständig ist. Die kleineren Vorfluter „zweiter Ordnung“, sprich Gräben und Kanäle, werden hingegen vom regionalen Gewässer- und Deichverband betreut und freigehalten. Doch während die Landwirte mit dessen Einsatz recht zufrieden sind, kritisieren sie die Landesbehörden scharf. „Seit 2010 gab es zwar jede Menge Planungen, was viel Geld gekostet hat – aber passiert ist bisher so gut wie nichts“, sagt Henrik Wendorff vom Bauernverband.

Agrarministerium und Landesumweltamt widersprechen vehement. „Wir haben bereits „Ausbaggerungen und Schilfbeseitigungen“ vorgenommen, erklärt Sprecher Thomas Frey. Von 2008 bis 2015 investiere man 15 Millionen Euro in das Entwässerungssystem. Experten würden aber „in breitem Konsens“ davor warnen, in erster Linie die Abläufe zu vertiefen. Dies berge auch Risiken. Frey: „Bei starkem Regen kann das zu Uferabbrüchen führen. Diese verhindern dann erst recht drastisch den Abfluss.“

Stattdessen setzen die Behörden langfristig auf ein neues Konzept, das sich vom althergebrachten, bis heute weitgehend erhaltenen Abflusssystem Friedrichs des Großen erheblich unterscheidet. Künftig sollen eher flache und breitere Flussläufe mit „vielgestaltigen Uferzonen und Auen“ einen raschen Abfluss garantieren. Das fördere zugleich auch den Naturschutz, heißt es. Es hat aber einen Nachteil, den Frey offen nennt: „Dafür muss Ackerland in Anspruch genommen werden.“

Für Bauernbund-Chef Reinhard Jung kommt das nicht infrage. „Wir haben hier die besten märkischen Böden“, sagt er. „Unser wertvoller Oderbruch darf nicht verloren gehen.“Christoph Stollowsky

Zur Startseite