zum Hauptinhalt

Brandenburg: Der vergessene Kaufmannsladen

Pinnow in der Uckermark wird mit dem Europäischen Dorferneuerungspreis ausgezeichnet – auch wenn noch Putz bröckelt

Von Matthias Matern

Pinnow - Kundschaft wartet. Elke Lohse klemmt sich hinter die Kasse und zupft ihren weißen Kittel zurecht. „Stimmt schon, die haben hier ’ne Menge gemacht. Das Gutshaus, die Gebäude und so“, räumt sie ein, während ihre Finger über die Tasten huschen. „Aber dass sie für den Konsum nichts übrig haben.“ Die Betreiberin des kleinen Gemischtwarenladens, zu dem im uckermärkischen Pinnow noch alle Konsum sagen, schürzt missbilligend die Lippen. Dabei sollte Elke Lohse stolz sein: Demnächst wird die Gemeinde zwischen Angermünde und Schwedt mit dem „Europäischen Dorferneuerungspreis für ganzheitliche, nachhaltige und mottogerechte Dorfentwicklung von herausragender Qualität“ ausgezeichnet.

Nicht zum ersten Mal steht Pinnow auf dem Treppchen: Zweimal wurde es zum schönsten Dorf der Uckermark gekürt, 2003 war es Landessieger im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, und im vergangenen Jahr belegte es im bundesweiten Wettbewerb den zweiten Platz. Jetzt hat die Jury im europaweiten Wettbewerb besonders den Umgang mit benachteiligten Menschen die touristischen Angebote und die Revitalisierung alter Bausubstanz gelobt.

Am kleinen Laden von Elke Lohse aber scheint die Erneuerung vorbeigegangen zu sein. Backsteinernes Mauerwerk lugt großflächig durch brüchigen grauen Putz, über dem Eingang steht in schwungvoller 50er-Jahre-Schrift „Waren des täglichen Bedarfs“. Wie eine DDR-Kulisse wirkt das flache Gebäude zwischen den restaurierten Häusern am Dorfanger. Ansonsten präsentiert sich Pinnow herausgeputzt, aber nicht außergewöhnlich.

Was macht den Ort also zum großen Preise-Abräumer? Heike Böttcher zuckt die Schultern. „Jute Frage. Würd’ ick ooch jerne ma wissen“, entgegnet sie in leicht spöttischem Ton. Mit einem Pfund Kaffee, zwei Schachteln Zigaretten und einem Kuchen unter dem Arm steht die 46-Jährige bei Elke Lohse im Laden. Dass nicht alle Pinnower vor Freude aus dem Häuschen sind, weiß Udo Köhler. Der ehrenamtliche Bürgermeister kennt seine Leute. „Natürlich sind die stolz. Aber immer mit einem kleinen ,aber hintendran.“ Der Konsum sei eines der letzten unsanierten Gebäude im Eigentum der Gemeinde, sagt er.

Mit Manja Schulz, Amtsleiterin Finanzen im Amt Oder Welse, zu dem Pinnow gehört, sitzt Köhler im großen Saal des restaurierten Gutshauses. „Es ist das ganze Wohnklima, die Natur, das Dorfbild – und es sind die vielen Vereine“, versucht Schulz das Siegerphänomen Pinnow zu erklären. Es gibt Angler, Fußballer, Volleyballer, einen Reiterhof, die Freiwillige Feuerwehr und drei Museen. Eine Gärtnerei beschäftigt Menschen mit Behinderungen, die in einer barrierefreien Wohnanlage leben. Besonders stolz sind Schulz und Köhler aber auf das Gewerbegebiet. Rund 3,2 Millionen Euro hat die Erschließung gekostet. „Zu rund 70 Prozent ist das Gebiet ausgelastet“, schätzt die Amtsleiterin. 15 Firmen haben sich dort seit 2004 niedergelassen. Mit Arbeitslosigkeit habe Pinnow trotzdem zu kämpfen. „Sie liegt bei rund 20 Prozent, wie überall in der Uckermark“, sagt Manja Schulz.

Dennoch leben heute so viele Menschen in Pinnow wie nie zuvor. 1981 zählte der Ort noch 769 Einwohner, jetzt sind es 940. Melanie Kotzian ist vor acht Jahren aus Schwedt gekommen. „Mein Mann ist Pinnower und wollte unbedingt wieder zurück“, erzählt die 52-Jährige. Die Kotzians leben mit Eltern, Großeltern und Kindern unter einem Dach. Sie fühlen sich wohl in Pinnow. „Weggehen? Dazu ist hier keiner so schnell bereit – trotz der hohen Arbeitslosigkeit.“

Zur Startseite