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Eine Künstlergruppe aus der Lausitz hat sich auf die Spuren von Ludwig Leichhardt begeben und Erstaunliches herausgefunden. 

© Peter Adler

Der "Humboldt der Lausitz": Ahnengeschichten aus dem Outback in Ausstralien

Vor 170 Jahren verlor sich die Spur des Lausitzers Ludwig Leichhardt bei einer Expedition in Australien. Aborigines erzählten Filmern nun von einer unfassbaren Begegnung.

Von Sandra Dassler

Seine letzten Lebenszeichen stammen aus dem April des Jahres 1848. Da schrieb Ludwig Leichhardt zwei Briefe – an einen Freund und an eine Zeitung, den „Sydney Morning Herald“. Das war kurz bevor der 34-jährige Lausitzer zu seiner dritten Expedition durch Australien aufbrach. Begleitet wurde er von fünf anderen europäischen Forschern und zwei Aborigines. Neben den Reitpferden führten sie etwa vier Dutzend Ochsen als Nahrungsquelle und knapp zwei Dutzend Esel als Lastenträger mit sich. 

Doch weder Menschen noch Tiere tauchten jemals wieder auf. Ihre Spur verlor sich im wilden, menschenfeindlichen Outback. Viele haben seither nach Hinweisen auf die Verschollenen gesucht. Doch bis heute ist unklar, was mit dem großen Entdecker geschah. Jetzt – 172 Jahre später – gibt es möglicherweise neue Erkenntnisse über das Ende des Mannes, den manche auch den „Humboldt der Lausitz“ nennen. 

In Australien verehrt

Als „Humboldt Australiens“ gilt er bereits, denn dort kennt jedes Kind Ludwig Leichhardt, er wurde hoch geehrt und wird immer noch verehrt. Flüsse, Berge, ja sogar ganze Distrikte tragen seinen Namen. In Deutschland weiß man meist nur in seiner näheren Heimat im Süden Brandenburgs etwas mit ihm anzufangen. Hier sind immerhin einige Straßen, Schulen, ein Cottbuser Gymnasium und sogar ein Radweg nach ihm benannt.

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Leichhardt wurde 1813 in Sabrodt, das heute zum Ortsteil Trebatsch der Gemeinde Tauche im Landkreis Oder-Spree gehört, geboren. Dass er als sechstes Kind einer sorbischen Mutter und eines einfachen Torfinspektors zu einem der größten Zoologen, Botaniker, Biologen, vor allem aber Entdecker werden würde, hat ihm gewiss keiner an der Wiege gesungen. 

Mythen ranken sich um das Ende seines Lebens

Sein Leben, vor allem aber sein ungewisses Ende, um das sich in Australien unzählige Mythen ranken, faszinieren auch den ganz in der Nähe wohnenden Musiker und Hörspielautoren Kai-Uwe Kohlschmidt. Dieser hatte bereits 2008 mit seiner Künstlergruppe Mangan 25 auf einer Australien-Expedition nach Leichhardts Spuren gesucht. 2019 fuhr die Gruppe wieder dorthin und erlebte eine kleine Sensation. 

„Durch eine Verkettung glücklicher Umstände bekamen wir Kontakt zu Aborigines des Stammes der Aranda“, sagt Kai-Uwe Kohlschmidt: „Ein befreundeter christlicher Missionar hatte das Treffen vermittelt. Er hat uns auch gesagt, dass die Männer wegen der Jahrhunderte langen Unterdrückung der Ureinwohner sehr skeptisch gegenüber Weißen sind. Wir sollten nicht enttäuscht sein, wenn keiner oder vielleicht nur ein einziger Teilnehmer am Treffen teilnehmen würde.“

Doch zur Verblüffung der australischen Freunde kamen immer mehr Aborigines, um mit der deutschen Gruppe zu sprechen. „Nach einer Weile durften wir sogar filmen“, sagt Kohlschmidt, der selbst überrascht war. Vielleicht lag es daran, dass sich die Gruppenmitglieder nicht als Journalisten vorstellten, sondern schlicht sagten: „Wir kommen aus demselben Dorf wie Ludwig Leichhardt. Und würden gern erfahren, wie und wo sein Leben zu Ende ging.“ 

War es wirklich Leichhardt?

Wenig später erzählten die Aborigines ihren Gästen, was im Stamm der Aranda von Generation zu Generation weitergegeben wurde: Dass vor langer Zeit einmal ein weißer Mann auftauchte, den zwei Aborigines von der Küste und mehreren Ochsen begleiteten. Dass dieser Mann später bei einem Nachbarstamm, den Pichurie am Mulligan-River, gelebt und wohl auch Kinder gehabt hat. 

Die Aranda sind überzeugt, dass der Mann Leichhardt war, nennen den Weißen in ihren Erzählungen „Ludwig“ oder „White fellow“. Doch kann das wirklich sein? Bislang gingen die Historiker davon aus, dass Leichhardt und seine Gefährten verhungert oder verdurstet sind, bei einer Springflut ertranken oder von Ureinwohnern getötet wurden. 

Aborigines erzählen von den überlieferten Begegnungen ihrer Ahnen.
Aborigines erzählen von den überlieferten Begegnungen ihrer Ahnen.

© Peter Adler

Kai-Uwe Kohlschmidt ist sicher, dass die in der mündlichen Überlieferungen der Aranda beschriebene Begegnung ihrer Vorfahren mit Leichhardt wahr ist. Dafür spricht seiner Ansicht nach auch, dass die beiden Aborigines, die den Entdecker begleiteten, tatsächlich von der Küste stammten. 

Die Tagebücher sind verschollen

Und es gibt weitere Indizien: In der Gegend um die Simpson-Wüste und dem Mulligan-River, wo er gestorben sein soll, hatte man Jahre später eine Hütte entdeckt, wie sie Aborigines nie gebaut hätten. Und einen sogenannten „L-Baum“: mit einem „L“ soll Leichhardt viele Bäume entlang seines Tausende Kilometer langen Weges gekennzeichnet haben. 

Ein Farmer namens Skuthorpe behauptete gar, Tagebücher von Leichhardt und Adolph Classen, einem seiner sieben Begleiter, gefunden zu haben. Weil man ihm nicht glaubte, sprich: den von ihm geforderten Preis dafür nicht zahlen wollte, sind sie ebenso verschollen wie ihre angeblichen Besitzer. 

Wenn sie wirklich echt waren, wäre das ein gewaltiger Verlust - auch weil sie Aufzeichnungen aus der Zeit enthalten müssten, in der Leichhardt bei den Aborigines gelebt hätte, als diese noch keinerlei Kontakt mit der sogenannten Zivilisation hatten. Im Gegensatz zu vielen anderen Entdeckern seiner Zeit soll Leichhardt die Ureinwohner stets mit Respekt behandelt haben, sagt Kai-Uwe Kohlschmidt. Er vermutet, dass dies auch damit zusammenhängt, dass ihm deren mystischer Zugang zur Welt aufgrund seiner sorbischen Herkunft mütterlicherseits nicht ganz fremd war. 

Experte glaubt nicht an Happy End

Kohlschmidt und das Team von Mangan25 haben jedenfalls aus ihren Erlebnissen und Begegnungen in Australien einen beeindruckenden Film mit dem Titel „Leichhardts letztes Rätsel“ gemacht. Er soll im Dezember beim Filmfestival in Cottbus Premiere haben und wird auch im Stream zu sehen sein. Ein Radiofeature wurde bereits vorab im Deutschlandfunk gesendet. Sein Titel „In den Kern der dunklen Masse“ bezieht sich auf einen Brief, den Leichhardt bei seiner Abreise nach Australien im Jahr 1841 an seine Familie in der Lausitz geschrieben hatte: „Dieses Innere, dieser Kern der dunklen Masse ist mein Ziel, und ich werde nicht eher nachlassen, als bis ich es erreiche.“ 

Erreicht hat er es, aber dafür mit seinem Leben bezahlt, sagt Bernd Marx. Der 70-jährige Leichhardt-Experte aus dem Spreewald glaubt nicht an die Erzählungen von einem Zusammenleben des großen Forschers mit den Aborigines. Im Gegenteil: „Wahrscheinlich wurden er und alle anderen Expeditionsteilnehmer von Aborigines, denen sie etwas Schlimmes angetan hatten, getötet“, sagt er: „Aber das ist natürlich nicht das Happy End, nach dem wir Menschen uns oft sehnen.“ 

Doch wer weiß: Vielleicht war es ja doch so wie es die Ahnen der Aborigines überlieferten. Wirkliche Gewissheit könnten einzig und allein die letzten Tagebücher Leichhardts bringen. Aber selbst dann wird der Mann aus Sabrodt wohl für immer ein Mythos bleiben.

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